Das Bootshaus der Ruderer und die Tombola

Bergedorfer Zeitung, 15. September 1921

Ein ganzes Wochenende lang wollte der Bergedorfer Ruder-Klub sein Münchener Oktoberfest im und am vornehmsten Bergedorfer Lokal „Bellevue“ feiern, und für Attraktionen war gesorgt, wie die Anzeige belegt. Zu den „ersten Hamburger Künstlern“ dabei zählten der Rezitator und Autor Arnold Risch und „das kleinste Tänzerpaar der Jetztzeit, Heinz und Helga Paul“, wie es im redaktionellen Teil der BZ hieß (BZ vom 29. September).

Sicher war einer der Hauptzwecke der Veranstaltung die große Tombola „zugunsten des Bootshausbaus“. Dieses im Frühjahr 1921 errichtete Vereinshaus mit Versammlungs-, Ankleide- und Waschraum bot Platz für 30 Boote und war mehr als ein Ersatz für das alte, baufällige Bootslager. Der Neubau entstand an der Eisenbahnbrücke über den Schleusengraben (BZ vom 2. November 1920 und 25. Mai 1921), ebenso zentrums- wie wassernah.

Die Vereinskasse war dadurch offenbar stark beansprucht worden, und wenn die Tombolapreise im Wert von 10.000 Mark über Sachspenden hereinkamen, konnte mit einem Erlös von 30.000 Mark gerechnet werden, denn 10.000 Lose sollten zu je drei Mark verkauft werden (BZ vom 24. Oktober 1921).

Bergedorfer Zeitung, 14. Oktober 1921

Die für den 9. Oktober vorgesehene Ziehung wurde „umständehalber“ um zwei Wochen verschoben (BZ vom 8. Oktober 1921) – diese nicht näher bezeichneten Umstände lagen offenbar in einem eher schleppenden Losverkauf, denn es wurde weiter für den Kauf geworben. Vielleicht waren ja die in einem Schaufenster ausgestellten 300 Gewinne nicht attraktiv genug.

 

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Höhere Schule für Töchter – oder Schule für höhere Töchter?

Bergedorfer Zeitung, 19. September 1921

Das erst ein halbes Jahr bestehende staatliche Lyzeum in Bergedorf hatte sichtlich Probleme, die offenbar durch Reduzierung der Anforderungen gelöst werden sollten.

Manches ist unklar: waren die Anforderungen nach der Verstaatlichung der Luisenschule gestiegen, und welche Bedeutung kam dabei gegebenenfalls der neuen Schulleiterin Frl. Popkes (nicht Poppkes, wie sie im Artikel genannt wird) und welche der Oberschulbehörde zu? Oder war eine größere Anzahl der Schülerinnen, die im Frühjahr dorthin von der Stadtschule zum Erwerb „höherer Bildung“ gewechselt waren, überfordert? Oder wollte man den „höheren Töchtern“ aus den bürgerlichen Haushalten, der traditionellen Klientel von Luisen- und Elisabethschule, den „Abstieg“ in die Stadtschule ersparen, wo sie mit Kindern aus Arbeiterfamilien hätten lernen müssen?

Die Einrichtung eines „deutschen Zuges“ sollte jedenfalls dem Zweck dienen, die Schülerinnenzahl nicht absinken zu lassen: man wollte auch diejenigen halten, die „voraussichtlich das Ziel der Lyzealausbildung“, also die höhere Bildung, verfehlen würden.

Bergedorfer Zeitung, 30. September 1921

Man kann davon ausgehen, dass die Bürgertöchter an der Luisenschule weitgehend unter sich blieben, denn für das Lyzeum war ebenso wie für das Gymnasium für die Söhne Schulgeld zu zahlen. Das Schulgeld wurde zwar nach Einkommen der Eltern gestaffelt, und wie der nebenstehende Artikel zeigt, war auch ein völliger Erlass möglich, doch mussten Bücher etc. im Gegensatz zu den Stadtschulen weiter privat beschafft und finanziert werden.

Bei außerhamburgischen Schülern wurde auf die Höhe des Elterneinkommens weniger Rücksicht genommen, was Eltern aus Sande, das keine höheren Schulen hatte, verärgert haben dürfte.

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SMS und Messenger-Apps: Telekommunikation 1921

Bergedorfer Zeitung, 7. September 1921

Kein Netz – das verhindert heute manchmal das Telefonieren und Versenden von Mitteilungen.

Vor einhundert Jahren war es anders: Mobiltelefone gab es nicht, man musste einen Festnetzanschluss haben. Die Bergedorfer konnten auch nicht einfach eine Nummer wählen, sondern sie bedurften der Hilfe der Telefonvermittlung, die die erforderlichen Strippen zog und einstöpselte. Und man durfte nicht zu lange die Leitung beanspruchen: nach 15 Minuten konnte das Fräulein vom Amt in der Vermittlungsstelle den Stecker ziehen, um ungebührlich lange „Plaudereien“ zu beenden, damit auch andere Teilnehmer die Chance erhielten, jemanden anzurufen.

Bergedorfer Zeitung, 8. September 1921

Wer kein Telefon besaß, konnte diesen Kommunikationsweg nutzen, indem er eine öffentliche Fernsprechstelle aufsuchte, die er zumeist in einem Laden oder einer Gastwirtschaft fand (BZ vom 25. Juni). Außerdem sollten „gemeindliche öffentliche Fernsprechstellen“ geschaffen werden, deren Betreiber durchaus mobil sein mussten: sie sollten angerufene Teilnehmer an das fest verkabelte Gerät holen, Telegramme annehmen und im Ort zustellen sowie auch „kurze Nachrichten von auswärts an Ortseinwohner … übermitteln“ (Messenger im wörtlichen Sinne) – letzteres hieß damals nicht Sprachnachricht oder SMS, sondern N-Gespräch (BZ vom 14. September).

Ob dies für die ländlichen Gemeinden attraktiv war, kann bezweifelt werden: sie mussten nicht nur eine Mindesteinnahme garantieren, sondern auch den „Dienstleister“, also den Telefon- und Telegrammboten, bezahlen, der wiederum nur die amtlich festgesetzten Gebühren verlangen durfte.

Auf alle Regelungen der 31 Seiten langen Fernsprechordnung einzugehen sprengt den Rahmen des Blogs. Wer alles wissen möchte, sei auf das Reichsgesetzblatt des Jahres verwiesen, in dem auch alle Gebühren aufgeführt sind, die 1921 gleich zweimal erhöht wurden und sich dann auf das fünfzehnfache der „Friedensgebühren“ beliefen (BZ vom 13. Dezember). Zudem gab es durch die Abschaffung der Pauschalzahlung und die Einführung eines Drei-Minuten-Zeittakts einen Anreiz, sich kürzer zu fassen.

Ein mit der Gebührenerhöhung verbundenes Problem löste die Telegraphenverwaltung auf elegante Weise: die (auch in Bergedorf vorhandenen) Münzfernsprecher wurden umgestellt auf spezielle „Telefonmünzen“ (BZ vom 27. und 30. August), sodass nicht bei jedem weiteren Inflationsschub die Geräte umzustellen waren.

 

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Stimmung, Glücksspiel und Kinderquälerei auf dem Bergedorfer Jahrmarkt

Trotz sehr gemischten Wetters war auf dem Herbstmarkt in Bergedorf die Stimmung gut, offenbar besser als die objektive Lage – das Angebot der Schausteller erinnerte den Berichterstatter „allmählich wieder an die Vorkriegszeit“, eine Fülle von Lebensmitteln und Leckereien wurde angeboten, die Glücksbuden offerierten „wirklich wertvolles Haushaltsgerät“, es gab Karussells und Luftschaukeln, Konzert und Tanz, Ring- und Boxkämpfe sowie die „herkömmlichen Marktgenüsse“ Krebssuppe, Beefsteak und Aal – bei allerdings „zeitgemäßen Preisen“.

Bergedorfer Zeitung, 12. September 1921

Doch auch die Polizei musste einschreiten, um „Glücksspiele um eingesetzte Geldbeträge“ zu unterbinden. Der Autor hätte sich aber vor allem ein Vorgehen gegen die Kinderquälerei gewünscht, die er beobachtet hatte: ein Kleinkind musste immer wieder „allerlei Kunststückchen“ vor einer Schaubude vorführen und „verlangte sichtlich ins Bett, wohin es auch gehörte.“ Hoffentlich war der Journalist generell gegen solche Kinderarbeit und nicht nur gegen die abendliche Zeit der Vorführung.

Bergedorfer Zeitung, 13. September 1921

Offenbar wurden diese Zeilen auch von der Polizei gelesen, die am nächsten Tag tätig wurde, das Kind versorgte und dem Arbeiter-Samariter-Bund übergab, bei dem es erst einmal schlafen konnte. Was anschließend mit dem Kind geschah, war der Zeitung nicht zu entnehmen, doch der Verstoß gegen das Kinderschutzgesetz (§ 6) dürfte mit einem Strafbefehl geahndet worden sein, und das bedauernswerte Kind wird beim nächsten Jahrmarkt in einer anderen Stadt wieder gequält worden sein.

Von den ebenfalls polizeilich erfassten und angezeigten Glücksspiel-Anbietern ging zumindest einer gegen die Geldstrafe von 1.000 Mark vor, traf aber nicht auf einen gnädigen Richter: dieser bestätigte das Strafmaß und brummte ihm zusätzlich „wegen Ungebühr vor Gericht“ 100 Mark auf (BZ vom 19. November).

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Die Schande des politischen Mordes

Bergedorfer Zeitung, 1. September 1921

Bergedorfer Zeitung, 1. September 1921

Es ging den Demonstranten, die zu tausenden in Bergedorf und Sande auf die Straße gingen, um mehr als einen Protest gegen die Ermordung des Politikers Matthias Erzberger – sie sahen die Republik und die Demokratie in Gefahr. Zu der Kundgebung, die gleichzeitig in allen Orten Deutschlands stattfand, hatte die SPD aufgerufen, aber auch die KPD beteiligte sich, obgleich mit anderen Forderungen.

Geht man nach der BZ, verurteilten alle Parteien den Mord – aber dies geschah mit sehr unterschiedlichen Neben- und Zwischentönen: die DDP, in Hamburg wie in Bergedorf Partner der SPD, bekannte sich klar zur Regierung und zur Republik, die durch „wilde Agitation“ von rechts wie links bedroht sei: „Die Radikalen rechts und links verhindern den Wiederaufbau; sie zerbrechen unser Volk; sie treiben beide Klassenkampf.“ (BZ vom 2. September)

Bergedorfer Zeitung, 1. September 1921

Die Hamburger DVP hingegen beklagte die „unverantwortliche Art“, in der die Linksparteien angeblich den Mord instrumentalisierten, was die DVP zwang, wegen der unsicheren Lage ihre Erinnerungsfeier zu Tannenberg und Sedan zu verschieben, obwohl die Partei doch dadurch am „inneren Frieden“ mitwirken wollte.

Aus der DNVP Hamburg gab es in der BZ keine Reaktion auf das Verbrechen – man wird klammheimliche Freude unterstellen dürfen.

Die BZ immerhin hielt sich mit republik- und demokratiekritischen Bewertungen in diesen Tagen zurück, aber ohne sich zu der neuen Ordnung zu bekennen: „Ein neues Glied reiht sich damit an die Kette politischer Mordattentate, die wir seit Ende des Krieges erlebt haben. In die Trauer und den Abscheu über den feigen Meuchelmord mischt sich das tiefste Bedauern über die durch diese Tat erneute dokumentierte Sittenverwilderung und den moralischen Niedergang im deutschen Volke. Auch die schärfste politische Gegnerschaft darf niemals dazu führen, daß das Leben eines Menschen durch ein fluchwürdiges Verbrechen angetastet wird. …. Revolver und Dolch müssen endlich aufhören, im politischen Leben unseres Volkes eine Rolle zu spielen.“ (BZ vom 27. August)

Die Mörder Heinrich Tillessen und Heinrich Schulz, Angehörige der rechtsextremen Organisation Consul, wurden zwar schnell ermittelt (BZ vom 14. September), waren aber bereits nach Ungarn geflüchtet. Erst 1950 wurden sie wegen der Tat verurteilt.

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Eine Lobby für goldenen Boden

Bergedorfer Zeitung, 9. September 1921

Bergedorfs Handwerksbetriebe schlossen sich zusammen: sie gründeten den „Bergedorfer Handwerkerbund“, den man angesichts der genannten Tätigkeitsfelder als eine Lobby bezeichnen könnte – das Wort Lobby war 1921 allerdings höchst ungebräuchlich (siehe die Wortverlaufskurve im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache), und so ist die Bezeichnung Interessenverband angebrachter.

Assessor Nebelsiek von der Gewerbekammer Hamburg erwartete von der Gründung, dass die Bündelung der Interessen dem Handwerk „wieder einen ‚goldenen Boden‘ … verschaffen“ würde (BZ vom 8. August 1921), was angesichts der wirtschaftlichen Gesamtlage etwas vermessen anmutet – die meisten Handwerker wären mit einem festen Boden unter den Füßen sicher schon zufrieden gewesen, doch das Terrain blieb schwankend.

Dies war natürlich nicht der erste Zusammenschluss der Bergedorfer Handwerker, die bis 1864 in Zünften organisiert waren: bereits 1447 war das Amt der Schneider gegründet worden, dem erstaunlicherweise auch die Schmiede und Schuhmacher angehörten, weitere Zünfte folgten. Nach der Einführung der Gewerbefreiheit 1864 entfielen der Zunftzwang und jede Regelung der Handwerksausbildung. Es entstanden aber bald Innungen als Vereinigungen der Betriebe, die ab 1884 die Kontrolle über die Lehrlingsausbildung wiedererlangten (siehe hierzu Das Bergedorfer Handwerk, S. 13-42), und obwohl nach dem Weltkrieg die staatliche Fortbildungsschulpflicht eingeführt worden war, wurde in den Versammlungen der Handwerker mehrfach die Wichtigkeit von Ausbildungsfragen betont – ob es allerdings gelang, in Bergedorf „selbständige Einrichtungen zur Ablegung von Meister- und Gehilfenprüfungen usw.“ zu etablieren, ist unerforscht.

Der Handwerkerbund wurde 1934 im Zuge der nationalsozialistischen Gleichschaltung aufgelöst, nahm aber als „Bezirksmeisterversammlung“ schon im Oktober 1945 die Arbeit wieder auf (ebd., S. 29-30), und wenn sich die heutige Bezirkshandwerkerschaft Bergedorf in der Kontinuität des 1921 gegründeten Verbands sieht, könnte sie in diesem Jahr eine große Jubiläumsfeier veranstalten – wenn da nicht das Corona-Virus wäre …

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Es sträuben sich die Nackenhaare …

Bergedorfer Zeitung, 18. August 1921

BZ, 18. August 1921

Die Bergedorfer Zeitung glaubte nicht an Wunderheiler, sonst hätte sie wohl nicht in einem so mokanten Ton über den neuen Wunderdoktor vom Neuengammer Hinterdeich berichtet, der per Anzeige seine Dienste anbot.

Ohdes Rat folgte der Methode des kürzlich verstorbenen „Schäfer Ast“, der auf der anderen Elbseite (in Radbruch bei Winsen an der Luhe) lange Jahre erfolgreich gewirkt hatte – jedenfalls wirtschaftlich erfolgreich, und Ohde hoffte als Epigone sicher auf ähnlichen Wohlstand.

Bergedorfer Zeitung, 16. August 1921

Philipp Heinrich Ast hatte die „Nackenhaardiagnose“ praktiziert: ihm hatte die Betrachtung abgeschnittener Nackenhaare unter der Lupe genügt, um Krankheiten zu identifizieren, und er hatte einen Katalog von Tropfen, Salben etc., die Heilung herbeiführen sollten, wie auf chronik-ramelsloh.de nachzulesen ist. (Die BZ-Beschreibung des „herrschaftlichen Hauses“ Asts dürfte eher auf die Winsener Apotheke zutreffen, in der Asts Mischungen hergestellt und verkauft wurden – und nach wie vor werden. Das Wohnhaus Asts war ländlicher Art, wie verschiedene Abbildungen zeigen.)

Bergedorfer Zeitung, 25. August 1921

Als der Neuengammer Gemüsebauer eine Woche später seine Annonce erneut erscheinen ließ, wurde sie von einer größeren begleitet, in der zwei Söhne Asts sich als die einzigen legitimen Erben der Heilkunst des Schäfers von Radbruch deklarierten: „keinem Fremden ist das Geheimnis anvertraut worden“, nur sie hätten es. Wie sich das auf die Geschäfte Ohdes auswirkte, ist unbekannt. Er war jedenfalls nicht der einzige, der mit der „Methode Ast“ Geld verdienen wollte: Ernst Julius Buchholz praktizierte einige Jahre später in Hamburg, wo er 1927 wegen (nackenhaarsträubenden) Betrugs zu einer Geldstrafe von 30.000 Mark verurteilt wurde, wie es im Blog von Uwe Ruprecht heißt.

Hinweis: Von August bis Oktober 2021 soll im Winsener Museum im Marstall eine Sonderausstellung stattfinden: „Wunderheilung im Akkord“.

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Verkaufe Göpel – Suche Mädchen

BZ, 26. August 1921

BZ, 26. August 1921

Die beiden Anzeigen Wilhelm Bahns standen wahrscheinlich (hoffentlich!) nicht in einem Zusammenhang, auch wenn sie am selben Tag in der Zeitung erschienen.

Ein Göpel war eine Kraftmaschine, die Wilhelm Bahn nun verkaufen wollte – wahrscheinlich war es Zufall, dass er am selben Tag via BZ ein (Dienst-)Mädchen suchte, denn man kann sich kaum vorstellen, dass er den Göpel durch ein – wenn auch kräftiges – Mädchen ersetzen wollte.

Göpel wurden vielfach durch Pferde angetrieben und in der Landwirtschaft vor allem als Kraftquelle für Dreschkästen oder Dreschmaschinen eingesetzt – eine Abbildung des Freilichtmuseums Kiekeberg zeigt die Funktionsweise: je nach Größe des Göpels waren ein bis vier Pferde in der Weise angeschirrt, dass sie im Kreis laufend ein Räderwerk antrieben, das die Rotation auf eine Maschine übertrug, was für die Pferde stark belastend war, wie bei Wikipedia nachzulesen ist.

BZ, 20. Januar 1921

Für seinen Göpel hatte Bahn keine Verwendung mehr, denn das Landgebiet hatte ja Elektrizität erhalten – ein (Elektro-)Motor trat bei ihm an die Stelle von Muskelkraft. Das war auch bei anderen der Fall: im Anzeigenteil der BZ fanden sich 1921 vier Annoncen, die gebrauchte Göpel zum Verkauf stellten, dagegen nur eine, die solche suchte, und man darf vermuten, dass die in Bergedorf ansässige Landwirtschaftliche Maschinenzentrale diese in ländliche Gegenden ohne Elektrizität „exportieren“ wollte.

BZ, 14. Dezember 1920

Bemerkenswert ist eine Anzeige aus Allermöhe, die nicht nur den Grund des Verkaufs, die Motorisierung, nannte, sondern einen „Bergedorfer Göpel“ anbot. Damit meinte er sicher ein Produkt des Bergedorfer Eisenwerks: der Unternehmensgründer Wilhelm Bergner war mit der Produktion landwirtschaftlicher Maschinen gestartet und stellte u.a. „Göpel- oder Rosswerke“ (für bis zu acht Pferde) und Dreschmaschinen her (Bergedorfer Industrie Band I, S. 21ff., mit Abbildungen, auch eines Hundegöpels), gab diesen Produktionszweig aber 1901 auf (ebd., S. 42). Wie „gut erhalten“ mag der Göpel des Allermöher Bauern nach also (mindestens) zwanzig Jahren noch gewesen sein?

Hinweis: ein Relikt der Göpel-Zeit steht noch am Curslacker Deich: eine überdachte Göpel-Anlage von 1848, noch im 19. Jahrhundert zum Wohnhaus umgebaut, im 20. Jahrhundert restauriert und mit Dachgauben versehen, wie auf ochsenwerder.de zu lesen und zu sehen ist.

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Das sich vervollkommnen wollende Mädchen

BZ, 17. August 1921

Sich vervollkommnen und dabei auch noch ein Taschengeld beziehen, mit Familienanschluss – welches junge Mädchen wird das in dem schwierigen Jahr 1921 rundweg abgelehnt haben?

Aber: es war eine Stellenanzeige, und die hätte die Ehefrau des Domänenpächters Plass von der Riepenburg auch anders formulieren können: „Dienstmädchen mit Grundkenntnissen in allen Haushaltsarbeiten/Hausfrauentätigkeiten gesucht. Muss im Hause wohnen. Kein Gehalt, nur Taschengeld.“ Das hätte weniger attraktiv geklungen, aber wäre ehrlicher gewesen.

Immerhin: „Keine Leutebeköstigung“ wurde zugesichert – das Mädchen sollte also nicht bei der Essensversorgung der Landarbeiter eingesetzt werden. Was es sonst zu tun hatte (Kochen, Waschen, Bügeln, Nähen, Hausreinigung …), wurde nicht genannt, ebensowenig die Arbeitszeiten und -bedingungen. Untergebracht war sie vermutlich gemeinsam mit dem anderen Mädchen im Souterrain, wo sich laut der bei Simone Vollstädt (S. 39) abgebildeten Bauzeichnung das Mädchenzimmer befand.

Welche Rechte so ein „Mädchen“ hatte, war nicht präzise zu eruieren: die alte Gesindeordnung war Ende 1918 aufgehoben worden, eine neue Rechtsgrundlage gab es bisher nicht. Im Herbst 1921 dann legte die Reichsregierung den Entwurf eines Hausangestelltengesetzes vor, der aber höchst umstritten war: der Bergedorfer Hausfrauenverein lehnte ihn ebenso ab (BZ vom 15. November 1921) wie der Verband der Hausangestellten Deutschlands, dessen Vorsitzende ihn im Zentralorgan des Verbands detailliert geißelte: „Hier haben bei der Bearbeitung Männer und Frauen der neuen Zeit gefehlt. Es riecht nach Moder.“ Angesichts der vorgesehenen „Arbeitsbereitschaft“ von dreizehn Stunden täglich bei einer Sieben-Tage-Woche (mit an zwei Tagen verkürzter Arbeitsbereitschaft), der Gewährung von einer Woche Jahresurlaub erst nach neunmonatiger Beschäftigung im selben Haushalt, um nur einige Punkte aus der Stellungnahme herauszugreifen, dürfte eine Beschäftigung als Mädchen eher der Abhärtung als der Vervollkommnung genützt haben.

Das Gesetz kam offenbar nicht zustande – zumindest war es im Reichsgesetzblatt von 1921 und 1922 nicht auffindbar.

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Neues vom Auto-Omnibus

Bergedorfer Zeitung, 20. August 1921

Von nun an konnten die Bergedorfer per Bus nach Schiffbek (heute: Billstedt) gelangen, und auch in die umgekehrte Richtung gab es täglich zwei Verbindungen. Damit wurde den an der Strecke liegenden Gemeinden Sande, Boberg, Kirchsteinbek und Schiffbek ein Wunsch erfüllt, der ihnen immerhin 5.000 Mark Ausfallbürgschaft wert war (BZ vom 9. Februar und 7. März 1921). Die 1920 eingerichtete Autobusverbindung von Mölln bis Bergedorf war also verlängert worden, und es kam ein zweiter Bus zum Einsatz.

Bergedorfer Zeitung, 20. August 1921

Wie der neue Fahrplan zeigt, waren Bus und Eisenbahn sogar (in Schwarzenbek und Bergedorf sowie von Lübeck nach Mölln) vertaktet, allerdings ohne Gewähr für die Innehaltung der Fahrzeiten, wie es in der Anmerkung zum Fahrplan heißt. Vielleicht war die Vertaktung also eher theoretischer Art.

Die „Stammlinie“ Mölln – Schwarzenbek – Bergedorf war offenbar nicht wirtschaftlich zu betreiben: erst wurde das Teilstück nach Bergedorf eingestellt, dann auch die verbliebene Strecke Mölln – Schwarzenbek (BZ vom 23. September und 24. November 1921). Meldungen über die Stilllegung der Linie Bergedorf – Schiffbek gab es 1921 nicht, aber auch keine Mitteilung, dass man vom Versuchs- in den Regelbetrieb übergegangen war.

Eine Verbindung Geesthacht – Lauenburg – Büchen war ausgesprochen kurzlebig: sie wurde (von demselben Betreiber) am 22. Oktober eingerichtet und am 8. November wegen Unrentabilität wieder eingestellt (BZ vom 15. Oktober und 8. November 1921). Es war offenbar keine gute Zeit für diese Art von öffentlichem Personennahverkehr.

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