Die Kartoffellage und die Einkommensteuer

Bergedorfer Zeitung, 10. März 1920

BZ, 10. März 1920

Offenbar hatte es Ärger gegeben: die städtische Lebensmittelkommis-sion musste sich wieder einmal mit der Kartoffelversorgung befassen und hatte dazu den Vorstand des Gemüsehändlervereins eingeladen (oder vorgeladen?). Die Händler erklärten (vermutlich wunschgemäß), dass sie einwandfrei beliefert würden und dass kein Händler benachteiligt würde, wenn er Qualitätsmängel rügte. Der Vorgang der Belieferung mag einwandfrei gewesen sein – die Kartoffeln waren es nicht, wie man aus der Anweisung an die Händler ersehen kann, dass sie „ungeeignete Ware“ beim Lebensmittelamt umtauschen sollten. Das war nicht neu, auch im Vorjahr hatte es den städtischen Kartoffelumtausch gegeben, aber neu war, dass der Magistrat „die von bestimmter Seite kolportierten Gerüchte“ über Benachteiligungen und Bedrohungen kritischer Händler durch die Stadt meinte zurückweisen zu müssen – welche Seite gemeint war, ließ sich nicht herausfinden.

BZ, 12. März 1920

Die Kartoffelration für eine Woche betrug im März magere drei Pfund à 20 Pfg. (BZ vom 13. März), nochmal ein Pfund weniger als 1919, und da wird jeder Käufer darauf geachtet haben, dass diese einwandfrei waren – minderwertige Ware gab es reichlicher: statt der regulären Menge von drei Pfund konnte man auch 10 Pfund à 15 Pfg erwerben, allerdings „angestoßen“. Nicht zum menschlichen Verzehr geeignet dürften die Futterkartoffeln zu 8 Pfg gewesen sein – diese waren so reichlich vorhanden, dass sie „auch an Auswärtige“ abgegeben wurden, was nur durch Probleme bei der Lagerhaltung in den Kellern der Vereinsbrauerei und den Mieten in Bruntsch‘ Park (an der Westseite des Graswegs, heute Grasredder) zu erklären ist (die Ausgabestelle „Baracke Stadthaus“ wurde nur einmal genannt, BZ vom 13. Februar). Die Lagerprobleme verschärften sich in den folgenden Wochen so sehr, dass der Magistrat im April eine Art Räumungsverkauf vornahm: man konnte die auf fünf Pfund heraufgesetzte Ration für die nächsten acht Wochen sofort beziehen und erhielt zusätzlich zu den 40 Pfund weitere fünf für „Schwund“, obwohl angeblich „nur einwandfreie, ausgesuchte und abgekeimte“ Erdäpfel zur Ausgabe gelangten (BZ vom 14. April).

Bergedorfer Zeitung, 7. Februar 1920

In Sande gab es mit sieben Pfund größere Rationen als in Bergedorf, aber dort waren sie durchweg teurer (BZ vom 11. Februar, 1. und 28. April), denn Bergedorf subventionierte den Preis: nach heftiger Debatte hatte die Stadtvertretung beschlossen, die Einkommensteuer für die Besserverdienenden zu erhöhen, um aus diesen Mehreinnahmen die Subvention zumindest teilweise zu bestreiten.

Dennoch kam Bergedorf nicht um Preiserhöhungen herum: „Die Aufbewahrung und ständige Behandlung der Kartoffeln verursachen der Stadt erhebliche Kosten, die auf den Preis aufgeschlagen werden müssen.“ (BZ vom 19. April). Die Preise erreichten maximal 35 Pfg pro Pfund (BZ vom 4. Juni), in Sande dagegen waren seit Mitte Mai 50 Pfennig zu zahlen (BZ vom 14. Mai).

Im Juli waren die Lager wohl geräumt, wozu sicher die nochmal erhöhte Ration von 10 Pfund beigetragen hatte (BZ vom 4., 10. und 18. Juni). Als die Kartoffeln aus der neuen Ernte kamen, wurde die Ration wieder herabgesetzt (auf vier Pfund). Subventioniert wurde anscheinend nicht mehr: ein Pfund kostete 65 Pfg (BZ vom 17. Juli).

 

 

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