Die weiterhin knappe Milch

Bergedorfer Zeitung, 31. Mai 1921

In der „Bekanntmachung über die Regelung des Verkehrs mit Milch“ ging es nicht nur darum, wer Milch verkaufen, sondern auch, wer Milch beziehen durfte, und der administrativen Regelung bedurfte es, weil nicht genug für alle da war.

Die Maul- und Klauenseuche des Vorjahres wirkte nach, der Milchausfall war enorm (BZ vom 8. März 1921) – daran konnte auch das von der Landherrenschaft angebotene Kraftfutter in Form von Ölkuchen (BZ vom 14. Januar) nicht viel ändern.

Immerhin, es schien etwas mehr Milch vorhanden zu sein als in der zweiten Kriegshälfte: im Oktober 1917 hatte die Stadt Bergedorf 55 Paragraphen zum Milchverbrauch für ihre Verordnung benötigt; jetzt genügten 25 Paragraphen (vollständiger Text siehe unten). Für Kinder bis zu sechs Jahren änderte sich nichts an den Rationen, auch nicht für Kranke und Schwangere, aber der Kreis der Vollmilchversorgungsberechtigten wurde erweitert um stillende Mütter und Personen über 65 Jahre. Besondere Regelungen zur Verteilung von Magermilch (primär für Kinder von sechs bis 14 Jahren) gab es nicht mehr.

Nach wie vor gab es Milchkarten, die nach wie vor nicht garantieren konnten, dass es auch Milch gab. Aber eine neue Regelung gestattete den lizenzierten Händlern, „nach restloser Belieferung aller in der Kundenliste eingetragener Versorgungsberechtigten“ etwa noch vorhandene Milch frei zu verkaufen, während sie vorher dem Magistrat zur Verfügung gestellt werden musste – die Zwangsbewirtschaftung wurde also ein wenig gelockert. Hatte es 1917 noch drei „Klassen“ von Versorgungsberechtigungen mit Prioritätenrangfolge gegeben, so gab es nun nur noch eine, und das spricht ebenfalls für eine leicht verbesserte Lage.

Aber wer Milch wollte, musste auch bezahlen können, und das konnten nicht alle, wie der Hausfrauenverein Bergedorf in einer Klage im Sprechsaal schrieb: „Im Frieden kostete die Milch 20 Pfg, heute 5,20 M, das ist ein Aufschlag von 2500 Prozent. Die Arbeitslöhne sind durchweg …. um 800 Prozent gestiegen. Das ist kein gesundes Verhältnis.“ Die Forderung des Vereins, den Preis auf 4,40 Mark zu begrenzen (BZ vom 26. November 1921), hätte das Missverhältnis nur etwas gemildert.

Im preußischen Sande übrigens war die Milchverteilung etwas anders geregelt: dort galt das Prinzip der Versorgungsberechtigung nur bis 10 Uhr morgens – wer seinen Anspruch in Milch umwandeln wollte, musste also früh auf den Beinen sein. Ab 10 Uhr war Verkauf an jedermann (BZ vom 30. Juli 1921).

Für die Zahlungskräftigen gab es aber gute Nachrichten: das Reich gestattete „wieder Milch in Süßigkeiten“ wie z.B. Schokolade, wenn auch nur aus Dauer- und Trockenmilch bzw. -sahne, und der Import von Kondensmilch wurde freigegeben (BZ vom 23. Juli 1921).

Bergedorfer Zeitung, 31. Mai 1921

 

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