Es war ein Konflikt zwischen den „alten“ Kräften des Kaiserreichs und den „neuen“ der Republik: wer durfte an die Kriegstoten erinnern, in welcher Form und mit welchen Worten: die (evangelische) Kirche oder die Stadt? Sollte der „Helden“ gedacht werden oder der „Opfer“? Wer hatte die Deutungshoheit?
In Neuengamme, Curslack und Altengamme waren bereits Kriegerdenkmale errichtet worden (BZ vom 9. Februar, 1. April, 23. September und 8. Oktober), in Kirchwärder liefen die Vorbereitungen (BZ vom 23. September), jeweils gemeinsam getragen von der politischen Gemeinde und von der evangelischen Kirche. Man kann also nachvollziehen, dass in Bergedorf „die von vielen Kreisen unserer Bevölkerung schon lange gewünschte Ehrung“ vorangebracht werden sollte, und so griff die evangelische Gemeinde St. Petri und Pauli dieses Anliegen auf: sie warb um Spenden für ein Erinnerungsmal, das außen an der Kirche geschaffen werden sollte, dazu ein Ehrenbuch mit den Namen der „nahezu 500 gefallenen oder gestorbenen Kämpfer“ im Innenraum der Kirche, in dem offenbar z.B. auch Katholiken und Konfessionslose aufgeführt werden sollten.
Die Stadt hatte ebenso die Absicht, ein Ehrenmal zu schaffen; allerdings wurde das Thema offenbar nur zögerlich bearbeitet: im Sommer des Jahres hatten Magistrat und Bürgervertretung die Friedhofskommission erweitert und ihr den Auftrag erteilt, sich der Gefallenenehrung anzunehmen – doch erst nachdem der Kirchenvorstand seine Initiative gestartet hatte, wurde gemeldet, dass Vorentwürfe in Vorbereitung seien (BZ vom 30. Oktober, 3. und 26. November), und auf dieser Grundlage äußerte der Magistrat schriftlich und offiziell seine Kritik am „evangelischen“ Vorhaben: es störe „die Gemeinsamkeit des Handelns für die Schaffung eines allgemeinen Ehrenmales“. Das Ehrenbuch wollte die Friedhofskommission sogar selbst übernehmen und in der Kirche auslegen.
Der Kirchenvorstand gab in einem Punkte nach und verzichtete auf das Ehrenmal an der Kirche, aber an der Idee des Ehrenbuches hielt er fest und warb dafür weiter Spenden ein.
Unterdes ging die Arbeit der städtischen Kommission weiter: sie folgte dem Vorschlag des Architekten Distel, das Ehrenmal in den „Knickgärten“ aufzustellen, also in der Parkanlage zwischen Blickgraben und Brauerstraße (auf der Karte von 1904 nördlich des Elektrizitätswerks (Nr. 17)). Die Inschrift sollte aller Kriegsteilnehmer gedenken, allerdings: „Die Auswahl des Steines und die Abfassung der Inschrift bleiben späterer Beschlußfassung vorbehalten.“ (BZ vom 26. November). Nicht alle der im ersten Absatz gestellten Fragen waren also geklärt.
Manches kam aber anders als von der Kommission gedacht, vor allem der Standort, wie in einem späteren Beitrag darzulegen sein wird. Auch hatte der Gedanke des „allgemeinen“ Ehrenmals die katholische Gemeinde Bergedorf-Sande offenbar nicht überzeugen können, denn sie ließ „zum Andenken an ihre 22 gefallenen Krieger“ auf dem Bergedorfer Friedhof ein Kreuz mit den Namen der Gefallenen errichten (BZ vom 15. November). Dieses Kreuz – im Gegensatz zum „Ehrenbuch“ in St. Petri und Pauli – ist heute nicht mehr vorhanden.