Im Jahre 1889 ließ sich Hermann Friedrich Messtorff in der „Villa Hohentann“ an der Wentorfer Straße nieder (Hamburgisches Adressbuch 1902, S. II/847; mit Fernsprechnummer im Amt Bergedorf).
Die Kartenausschnitte zeigen das große Grundstück, auf dem Hohentann stand, und sie zeigen auch, dass sich die Bebauung des Grundstücks erheblich änderte:
Ansichten der Villa von 1894 (Georg Staunau, Geschichte der Stadt Bergedorf, Hamburg 1894; Abb. S. 109 „Villa Hohentann“) und ca. 1900 (Abb. aus: Bergedorfer Schlosskalender 1927 (Jg. 3), o.p.; eine andere Abbildung mit der Wentorfer Straße im Vordergrund zeigt der Führer durch Bergedorf und Umgegend, Hamburg 1904, S.20) lassen kaum vermuten, dass es sich im Kern um dasselbe Gebäude handelte (Abbildungen auf Klick in groß):
Eine weitere Ansicht nach 1898/99 – und die Angabe der immensen Baukosten von 370.000 Mark – ist in „Hamburg und seine Bauten 1914“ (S. 516) zu sehen, ebenso der Grundriss des Gebäudes:
Auch die in der grundlegenden Schrift von Olaf Matthes und Otto Steigleder (Vgl.Olaf Matthes / Otto Steigleder, Von der Villa zum Verwaltungszentrum. 75 Jahre Rathaus Bergedorf, Hamburg 2002) auf den Seiten 13 bis 15 wiedergegebenen Zeichnungen der Umbaupläne von 1897 dokumentieren, dass die „alte“ Villa noch vorhanden war, wenn auch entkernt und äußerlich nicht mehr erkennbar.
Der Neu- bzw. Umbau war prunkvoll gestaltet, wie u.a. ein Foto von Michael Zapf zeigt (Vgl. Olaf Matthes / Michael Zapf, Bergedorfs schönste Seiten. Fotografiert von Michael Zapf, mit Texten von Olaf Matthes, Hamburg 2011, S. 23), die Außenanlagen und Nebengebäude waren es nicht minder: schon 1889 hatte Messtorff Grundstücke südlich des Schulenbrookswegs hinzugekauft, und um ungestört von einem Teil seines Parks in den anderen zu kommen, hatte er den öffentlichen Weg kurzerhand untertunnelt – siehe dazu den Plan von 1904. So kann es nicht wirklich wundern, dass Messtorff den Beinamen „Prinz von Bergedorf“ erhielt.
1924 wurden Haus und Park von der Stadt Bergedorf angekauft und zum Rathaus umgebaut, wiederum verbunden mit einem Totalumbau, der aber den Spiegelsaal, das Herrenzimmer (Zimmer des Bürgermeisters / heute Bezirksamtsleiters) und das Treppenhaus verschonte. Die neue Eingangshalle und ein zweites Treppenhaus wurden ebenso wie der Sitzungssaal für die Stadtvertreter / heute Bezirksversammlung in Art-déco-Formen gestaltet und sind weitgehend unverändert erhalten (Vgl. Matthes / Zapf a.a.O., mit Fotos S. 24 – 25, und Agnes Seemann, Bergedorf, Lohbrügge; Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Hamburg-Inventar: Bezirk Bergedorf, Stadtteilreihe 6.2, Hamburg 1997, S. 71 mit Fotos auf S. 72).
Hier kann nicht beurteilt werden, ob man wirklich immer klüger aus dem Rathaus herauskommt als man hineingeht, und sicher wird nicht jedes Anliegen erfüllt werden – das Gebäude lohnt den Weg aufs Amt in jedem Falle.
Wissen Sie ob der Tunnel noch vorhanden ist oder wurde er bereits zu geschüttet?!
Nein, der Tunnel existiert nicht mehr – ich kann gegenwärtig nicht sagen, bis wann es ihn gab. Wenn ich irgendwo einen Hinweis finde, stelle ich ihn ein.
Ergänzung: Das Thema scheint noch weitgehend unbearbeitet, aber sehr wahrscheinlich verschwand der Tunnel zwischen 1923 und 1925: nach dem Kauf durch die Stadt Bergedorf wurde der zweiteilige private Park zu einer öffentlichen Grünanlage und „neu hergerichtet“, wie es im „Führer durch die Gartenbau-Ausstellung Bergedorf 1925“ (S. 21) heißt, online zugänglich unter http://resolver.sub.uni-hamburg.de/goobi/PPN755986776.
Es gibt eine Geschichte, dass der ‚Prinz‘ homosexuell gewesen sein soll und seinen Partner/Diener?/Fahrer? in einem Nebengebäude eine Wohnung gestellt haben soll. Welche Aufgaben hatten die Nebengebäude östlich und westlich(jetziges Standesamt) überhaupt? Un dwer waren seine Erben?
Ich meine, es gibt auch eine Geschichte über einen unehelichen/adoptierten Sohn.
Nicht alle Ihrer Fragen sind gesichert zu beantworten. Aus der im Beitrag angeführten Schrift von Olaf Matthes und Otto Steigleder sowie dem „Bergedorfer Personenlexikon“, beide in der Staatsbibliothek vorhanden, ergibt sich Folgendes:
Das östliche Nebengebäude war das vom Vorbesitzer 1883 errichtete Gärtnerhaus, südlich davon lag der 1890 im Auftrag Messtorffs gebaute Pferdestall. Das heutige Standesamt war kein Nebengebäude, sondern die Villa „Rosenhof“, die der Kaufmann Ernst Rose 1891 bauen ließ.
Messtorff und Rose, beide unverheiratet, waren enge Freunde; Matthes/Steigleder bezeichnen Rose als „Freund, Hausnachbarn und Intimus“ (S. 17). Messtorff hatte einen Adoptivsohn, Richard Fröhlich, der den Namen Messtorff annahm und der Haupterbe seines Adoptivvaters wurde.
UPDATE: Siehe hierzu auch den Kommentar von Helmuth Sturmhoebel unten.
Ist Ihnen bekannt, wann Rose seinen Rosenhof an die Stadt verkauft hat und von wann bis wann das Gebäude der Polizei diente?
Laut Bergedorfer Personenlexikon verkaufte Rose seine Villa 1938 an das Deutsche Reich – Polizeiverwaltung – , und im Bergedorfer Adressbuch für 1938 findet man bereits den Eintrag „Polizeiwache Bergedorf, Wentorfer Straße 30“. Laut Bergedorf-Chronik.de blieb die Polizeiwache dort bis 1992, als sie in den Neubau am Ludwig-Rosenberg-Ring umzog. Seitdem wird der „Rosenhof“ vom Bezirksamt Bergedorf genutzt, derzeit als Standesamt.
Ich bin verwandt mit Ernst Rose und kann bestätigen, dass dieser der Partner von Messtorff war. Beide hatten übrigens Kontakt zu Edward Munch, der sie auch besuchte. Ernst Rose kaufte Bilder von Munch, die er später der Kunstahlle schenkte. Der Adoptivsohn von Messtorff heiratete eine Eva Rose.
Ist etwas näheres bekannt über den „Maurischen Pavillon“ der wohl im Garten des Rosenhofs stand?
Dazu liegen mir keine Informationen vor. Es gab jedenfalls in Messtorffs Villa Hohentann ein „Maurisches Zimmer“ (siehe Abb. 12 bei Matthes/Steigleder, a.a.O.), das aber im Zuge des Umbaus zum Rathaus entfernt wurde. Der Geländeplan zur Bergedorfer Gartenbau-Ausstellung 1925, die sich auch auf das Grundstück Rose erstreckte, lässt keinen „Maurischen Pavillon“ erkennen. Dieser wird auch in den Texten des Ausstellungsführers nicht erwähnt.
ERGÄNZUNG 08.09.2024: Matthias Seidel weist mich darauf hin, dass auf einer Social-Media-Plattform Bilder kursieren, die einen solchen Pavillon zeigen, vermutlich in der Nähe der Gartengrenze zwischen Messtorff und Rose. Außerdem gibt es auf einer kommerziellen Internetseite mit historischen Hamburg-Fotografien eine Ansicht von 1909, die (aus größerer Entfernung) wohl einen „maurischen Pavillon“ zeigt, der auf dem Grundstück Rose oder auf dem Grundstück Messtorff gestanden haben könnte. Es wird den Pavillon also gegeben haben, aber weiteres ist bisher nicht bekannt – da muss noch geforscht werden.