Kriegsbrauchbare Hunde

Bergedorfer Zeitung, 10. September 1918

Nicht zum ersten Male wurden „Besitzer kriegsbrauchbarer Hunde“ aufgefordert, ihre Tiere als (kostenlose) Leihgabe dem Heer zur Verfügung zu stellen, und „im Erlebensfalle“ sollte nach Kriegsende die Rückgabe erfolgen.

Hunde kamen in vielen Verwendungen zum Einsatz: als Zug- und Packtiere, Wach- und (Sanitäts-)Spürhunde, als Telefonkabelleger und als Meldehunde (Rainer Pöppinghege, S. 82 – 86). Man weiß nicht genau, wie viele Hunde das Kriegsende erlebten: nach einem Artikel der Frankfurter Neuen Presse von 2014 wurden von 30.000 Militärhunden 20.000 verwundet oder getötet.

Bergedorfer Zeitung, 21. September 1918

Für solche Kriegsaufgaben kamen nur größere Hunde(rassen) in Frage – ein P. Bartsch in Bergedorf wollte dagegen „Hunde aller Rassen“ kaufen. Was er damit vorhatte, schrieb er nicht – aber man kann einen üblen Verdacht äußern: die Hunde wurden geschlachtet und zu Lebensmitteln für Menschen verarbeitet – das Schlachten von Hunden war laut Wikipedia bis 1986 in Deutschland legal; nur wenn es als Fleisch eines anderen Tieres (Rehkeule, Kalb- bzw. Hammelfleisch) zum Verkauf gestellt wurde, war dies (wegen Betrugs) strafbar. Über derartige Betrugsfälle in Altona und Hamburg berichtete die BZ mehrfach (BZ vom 19. Januar 1916, 9. Mai 1917 und 5. Juni 1918).

In anderen Gegenden des Reichs scheint der Hundeverzehr kein Tabu gewesen zu sein: die BZ berichtete, dass in Zwickau der Vorkriegspreis für Hundefleisch von 45 bis 50 Pfennig pro Pfund auf 3,75 Mark gestiegen war, und in Breslau hatte die Zahl der Hundeschlachtungen von 19 im Jahr 1913 auf 154 im Jahr 1918 (bis zum 19. August) zugenommen (BZ vom 20. April und 31. Oktober 1918). Sogar im Bereich der Landherrenschaft Bergedorf gab es zumindest einen Fall: in den Mitteilungen der Landherrenschaften (28. Januar 1918, Bekanntmachung Nr. 53) fand sich eine Tabelle über die „Schlachtvieh-, Fleischbeschau und Trichinenschau im hamburgischen Landgebiet“ im letzten Quartal 1917: in Geesthacht hatte es eine Hundeschlachtung gegeben.

Ob die Rückgabe der überlebenden Hunde nach Kriegsende geklappt hat? Jedenfalls wurde eine entsprechende Aktion angekündigt.

Bergedorfer Zeitung, 2. Dezember 1918

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Der Tag des legalen Hamsterns

Bergedorfer Zeitung, 23. September 1918

Hamstern erlaubt – das war gleichsam das Motto dieses Verkaufstags in der Bergedorfer Turnhalle in der Schulstraße, und diese Gelegenheit nutzten viele Bergedorferinnen und Bergedorfer ausgiebig und räumten alle Verkaufsstände.

Bei einer vergleichbaren Aktion im Vorjahr war ein „geringer Rest“ an Waren verblieben, und die Einnahmen betrugen 1.985,65 Mark (BZ vom 24. September und 24. Oktober 1917). In diesem Jahr kamen 5.313,35 Mark in die Kasse, und diese Einnahmesteigerung kann nicht allein durch höhere Preise erklärt werden. Die Zwangsbewirtschaftung von Obst dürfte eine große Rolle gespielt haben, denn die Erzeuger mussten ihre Äpfel, Birnen und Zwetschgen an vom Hamburgischen Kriegsversorgungsamt bestellte Aufkäufer abliefern, und die Früchte gelangten erst über Großhandel und Kleinhandel an den Verbraucher, der dann wohl in der Regel den Höchstpreis (z.B. Tafeläpfel und -birnen 0,55 Mark pro Pfund, siehe BZ vom 12. und 31. August 1918) bezahlen musste.

In der Turnhalle hielten sich die Preise „in mäßigen Grenzen“, was den Absatz sicher beförderte. Insgesamt werden die Veranstalterinnen (u.a. Frau Rektor Kreyenberg, Fräulein Martens (die Leiterin der Luisenschule), Frau Dr. Thomsen (Bergedorfer Frauenverein) und Frau Bürgermeister Dr. Walli (BZ vom 19. September 1918)) zufrieden gewesen sein und sich auch über die 250 Mark für ein „von Frau Ollerich gestiftetes Oelbild“ gefreut haben.

„Frau Ollerich“ hat vermutlich eines ihrer eigenen Bilder gespendet – leider weiß man nicht, ob es von Hedwig oder von Anna stammte. Künstlerinnen waren beide; nachfolgend ein Beispiel für eine Arbeit Annas:

Ansichtskarte nach Motiv von Anna Ollerich, gelaufen 1929

 

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Die unbenannte Seuche

Bergedorfer Zeitung, 11. September 1918

Bergedorfs „erwachsene Jugend“ sollte durch einen Film über „die Geissel der Menschheit“, „die Seuche“ aufgeklärt und davor gewarnt werden – die BZ-Leser und -Leserinnen werden gewusst haben, was gemeint war, obwohl beide Begriffe für sich genommen nicht eindeutig sind (Stefan Winkle hat ein ganzes Buch über die Geißeln der Menschheit, eine Kulturgeschichte der Seuchen, geschrieben). Thema des Films war die Syphilis.

Es war schon der vierte Aufklärungsfilm, den das Hansa-Kino den Bergedorfern in den Kriegsjahren  zeigte und der sich hiermit befasste: für die ersten drei Filme wurde mit ausführlichen Inhaltsangaben geworben – „Die schwarze Gasse“ begann pikanterweise mit einem Vorspiel, und diese drei Filme waren laut Anzeige sogar mit der Unterstützung des Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten herausgegeben worden (BZ vom 17. Oktober 1917, 18. März und 17. April 1918). In der Werbung für die ersten zwei Filme („Es werde Licht“, Teil I und II) wurde an die Eltern appelliert, ihren Söhnen und Töchtern den Film zu zeigen, „gerade in der heutigen Zeit, in der es darauf ankommt, dass die Gesundheit unserer Jugend geschützt wird“ (BZ vom 16. Oktober 1917). In der Annonce für den zweiten Teil sollten offenbar die Töchter ggf. ihrem Schicksal überlassen werden – jedenfalls hieß es an dieser Stelle, es komme darauf an, „dass die männliche Jugend geschützt wird“ (BZ vom 18. März 1918). Die männliche Jugend war ja eben kriegswichtig, und offenbar breitete sich die Krankheit in der Heimat weiter aus – unter Soldaten lag die Zahl der neuen Fälle angeblich unter dem Wert der letzten Friedensjahre, was als Erfolg der getroffenen Maßnahmen (siehe hierzu den Beitrag über das Tabuthema Geschlechtskrankheiten) gewertet wurde (BZ vom 17. August 1918).

Das Drehbuch für „Die Schiffbrüchigen“ hatte angeblich zwei dramatische Vorlagen, die sich beide mit der Syphilis befassten, Henrik Ibsens „Gespenster“ und Eugène Brieuxs „Die Schiffbrüchigen“ – dass Brieux Franzose war, war offenbar kein Hindernis. Den französischen Originaltitel von Brieuxs Theaterstück, „Les Avariés“, kann man durchaus als „Die Schiffbrüchigen“ übersetzen, aber man hätte auch „Die Syphilitiker“ nehmen können: das Dictionnaire Electronique des Synonymes der Universität Caen nennt „syphilitique“ als eines der Synonyme von „avarié“.

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Der Preis für die schlechtesten Schützen

Bergedorfer Zeitung, 16. September 1918

Sollten die schlechtesten Schützen der Bergedorfer Schützengesellschaft besonders geehrt werden – oder war es eine „vergiftete“ Auszeichnung, die sie erhalten sollten? Da der Zeitungsbericht das Motiv des Stifters des Preises nicht nannte, kann man nur spekulieren: vielleicht wollte Heinrich Pinnau die weniger guten Schützen ermuntern, sich am Preisschießen zu beteiligen, denn Übung macht bekanntlich den Meister – vielleicht war es aber auch als kleine Gemeinheit gedacht, denn so wurden die Letztplatzierten ins Licht gerückt und dem Gespött ihrer Schützenbrüder ausgesetzt; nur die Totalversager, die nicht einmal die Scheibe getroffen hatten, konnten sich unauffällig ins Gehölz verdrücken.

Das traditionell im Schießthal abgehaltene Schützenfest der Bergedorfer Schützengesellschaft war jedenfalls durch das Vermächtnis des verstorbenen Mitglieds Heinrich Pinnau um eine Attraktion reicher geworden. Die Gewinner des von Pinnau gestifteten Preises werden nicht wesentlich reicher geworden sein: das Vermächtnis betrug 500 Mark, die Ehrung sollte aus den Zinsen erfolgen, und da die Zinsen 1918 bei 4 bis 4,5 Prozent lagen, standen wohl 20 bis 22,50 Mark für die zwei „Sieger“ zur Verfügung, die mit der Inflation 1923 auf ein kaum  noch messbares Wertniveau sanken.

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Die schrumpfende Fortbildungsschule

Bergedorfer Zeitung, 4. September 1918

In weiten Teilen ist dieser Zeitungsartikel nur eine Paraphrase des Berichts von 1916 über Die Fortbildungsschule Bergedorf: kaum Lehrlinge in den Bauberufen, Abwanderung von Jugendlichen als Arbeiter in die Pulverfabrik, Verspätungen und Versäumnisse beim Schulbesuch etc.

Aber: die Zahl der Maschinenbaulehrlinge hatte 1917/18 stark zugenommen und war „in fortwährendem Steigen begriffen“, während sie 1915/16 „etwa dieselbe geblieben“ war – die Metallindustrie Bergedorfs war also im Aufschwung, wobei man unterstellen darf, dass dies mit „Kriegsarbeit“, also Rüstungsaufträgen, zu tun hatte (siehe den Beitrag Granatendrehen und andere Kriegsarbeit in Bergedorf und Sande).

Doch konnte dieser Zuwachs im Maschinenbau den Rückgang in den anderen Bereichen nicht wettmachen, die Schülerzahl schrumpfte: hatte sie im Winter 1914/15 noch bei 370 gelegen, so lag sie im folgenden Jahr nur noch bei 300 und ging dann im Winter 1917/18 auf 242 Schüler zurück. Damit war fast wieder das Niveau des ersten Winters 1903/04 erreicht, in dem man 213 Schüler der Fortbildungsschule verzeichnet hatte (BZ vom 1. Juli 1915 und 3. Juni 1916).

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Hoopter Hooligans auf dem Zollenspieker

Bergedorfer Zeitung, 9. September 1918

Es war wirklich ungeniert, was die jungen Burschen aus Hoopte und Stöckte vom Südufer der Elbe da auf dem Zollenspieker trieben, und es zeigt nebenher noch zweierlei: einmal, dass auf dem „Spieker“ immer etwas los war (siehe den Beitrag zu Bahlmanns Gasthaus), und dann, dass eine Anordnung des stellvertretenden Generalkommandos, nach der Boote gegen unbefugte Benutzung zu sichern seien, offenbar nur teilweise umgesetzt wurde: zwar waren die hier betroffenen Boote mit Schloss und Kette versehen, aber Ruder sowie Riemen oder Segel waren offenbar nicht entfernt worden (vgl. den Beitrag Schleichhandel zu Wasser), was den „Överelvschen“, die die „Wirtshausfreuden“ suchten, die Querung der Flusses ermöglichte.

Ob die Empfehlung des Verfassers des Artikels, den Hooligans eine „tüchtige Tracht Prügel“ zu verabreichen, wirklich so radikal war, kann man in Frage stellen: nach Erzählungen mittlerweile verstorbener Vierländer kam es damals sowieso häufig zu Prügeleien zwischen den Jugendlichen von Nord- und Südufer der Elbe, meistens wegen der Mädchen, aber manchmal auch „nur so“.

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Bettstroh für Sande

Bergedorfer Zeitung, 31. August 1918

Bettstroh !!!??? Für die Prinzessin auf der Erbse wäre das jedenfalls nichts gewesen, und es ist so weit entfernt von der heutigen Vorstellungswelt, dass hier etwas ausgeholt werden muss, denn der Aufbau eines Bettes war früher anders als heute, wenn auch nicht so vielschichtig wie im Märchen H. C. Andersens.

Auf dem Lande waren mindestens bis zum Ende des 19. Jahrhunderts Butzbetten gebräuchlich, wie man sie heute z.B. im Freilichtmuseum Rieck-Haus ansehen kann: fest eingebaute Bettschränke, die meist durch Schiebetüren den Einstieg ermöglichten. Auf einer Bretterlage, 40 -60 cm über dem Fußboden, kam das Bettstroh zu liegen, entweder als Strohsack oder als lose Strohschüttung, darauf (mindestens) ein federgefülltes Unterbett, Unterpfühle (Kissen), darüber ein Betttuch, darauf Oberpfühle und die ebenfalls federgefüllte Bettdecke, wie es bei Thorsten Albrecht (S. 180 – 183) heißt. In den Vierlanden gab es sogar zwei Sorten Stroh im Bett, wie Ernst Finder (Band 1, S. 255) schrieb: die untere Lage, „Schoof“ genannt, war härter als das oben liegende „Wiepenstroh“. Ein- bis zweimal im Jahr wurde das Stroh erneuert.

Butzbetten wird es auch in Sande gegeben haben, doch nur in den älteren Häusern. Da die überwiegende Zahl der Häuser dort erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstand, werden die meisten Einwohner schon in freistehenden Betten geschlafen haben, die vielleicht bei einigen sogar in eigenen Schlafkammern standen.

Zwar heißt es bei Albrecht, dass Bettstroh durch andere Unterlagen im Bett am Ende des 19. Jahrhunderts „fast vollständig“ verdrängt worden war, doch das dürfte nur in bürgerlichen Haushalten der Fall gewesen sein. Für Arbeiter, von denen es in Sande viele gab, und andere Unterbürgerliche war der Strohsack die Standardausstattung (wohl eher mit Woll- als mit Federdecke) – bei Thorsten Albrecht (Abb. 156, S. 146) ist eine Anzeige eines  Versandhändlers  von 1907 wiedergegeben, in der nicht nur eiserne Bettstellen für Arbeiter angeboten werden, sondern auch Strohsäcke (ohne Füllung). Ob es in Sande mehr eiserne oder mehr hölzerne Bettstellen gab, ist unbekannt – ein entscheidender Vorteil der Eisenbetten war, dass sich im Gestell keine Bettwanzen verstecken konnten, die gern die Ritzen der Holzbetten besiedelten und nächtens von den Schlafenden Blut sogen. Anderes Ungeziefer wie Flöhe und Läuse bevorzugte den Strohsack bzw. das Federbett. Die fehlende oder mangelhafte Betthygiene lässt Albrecht in diesem Zusammenhang von „Bettfauna“ (S. 191 – 199) sprechen, zu der auch Mäuse zählen konnten. Ob die Tierchen auch die „bezugsscheinfreien Steppdecken aus Papiergarnüberzug mit Abfallfüllung“ besiedelten, die die Reichsbekleidungsstelle im November anbot (BZ vom 4. November), ist unbekannt.

Strohsäcke waren nicht nur unhygienisch, sondern auch unbequem. Albrecht zitiert aus einer Schrift von 1783: „Sie [die Strohsäcke] sind schwer und lassen sich nicht gut hantieren. Sie sind nicht eben genug zu einem Bettlager; denn wenn man das Stroh darin aufschüttelt, so kommt das meiste in die Mitte zu liegen, wo es einen Berg macht, dahingegen die Seiten abhängig sind: und wenn auch die Schwere des Körpers das Stroh wieder aus einander drückt, so glitschet es unten hinweg, und macht eine Höhle im Bette. …. Da auch immer etwas von dem Strohe klein wird, und hindurch sticht, so werden die Zimmer unreinlich“ (S. 181).

Man brauchte nicht Prinzessin zu sein, um in solch einem Bett (das in der Regel obendrein geteilt werden musste) nicht gut zu schlafen, auch nicht, wenn es endlich frisches Stroh gab.

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Der Bilz-Extrakt und die Steuern

Bergedorfer Zeitung, 28. August 1918

„Bilz-Extrakt“ war 1918 als Bezeichnung für ein (auf Früchten basierendes) Getränk sicher bekannter als heute, und woraus der vom Bergedorfer Händler Meyerhold annoncierte Extrakt bestand, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Die seit 1902 im Handel erhältliche „Bilz-Brause“ war offenbar so beliebt, dass Nachahmungen produziert wurden und ein geschützter Markenname her musste: „Sinalco“.

Die Bilz-Brause (eigentlich: Bilz‘ Brause) war von dem Getränkefachmann Franz Hartmann und dem Naturheilkundler, Lebensreformer und Schriftsteller Friedrich Eduard Bilz entwickelt worden; der Extrakt war ein mit Wasser zu verdünnendes Konzentrat, und dieses sollte (wie alle Erfrischungsgetränk-Extrakte) ab dem 1. September mit dem beachtlichen Steueraufschlag von 75 Pfennig pro Flasche belegt werden.

Die Getränkebesteuerung betraf nicht nur Mineralwässer und künstlich bereitete Getränke, sondern am selben Tage (1. August) wurde durch das Weinsteuergesetz und das Gesetz zur Änderung des Schaumweinsteuergesetzes auch auf diese Flüssigkeiten eine Steuer erhoben bzw. heraufgesetzt, nachdem schon am 30. Juli durch das Biersteuergesetz (das aber nicht in Bayern, Württemberg, Baden und weiteren kleineren Gebieten galt) ebenso dieses Getränk zugunsten der Reichskasse verteuert worden war.

Nach diesen Gesetzen waren Schaumwein, schaumweinähnliche Getränke, Wein, weinähnliche und weinhaltige Getränke sogar in Privatbesitz nachzuversteuern, wobei 24 Liter Wein etc. steuerfrei blieben (BZ vom 28., 29. und 31. August), nicht aber Sekt usw. Die Bergedorfer mussten also ggf. zur Bestandserhebung in ihre Kellerräume hinabsteigen und dann dem Steueramt Meldung erstatten und zahlen. Die einzige legale Möglichkeit der Steuervermeidung war ein alkoholreicher August, denn alle Getränkesteuern wurden erst ab dem 1. September erhoben.

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Der Mäusekäufer von Sande

Bergedorfer Zeitung, 21. August 1918

Mit den grauen Mäusen wollte Ferdinand Christlieb aus Sande nicht die aktuelle Fleischlose Woche überbrücken, denn auch in den Wochen davor und danach tauchte immer wieder genau diese Anzeige auf.

 

 

Bergedorfer Zeitung, 17. August 1918

Er war ein zuverlässiger Inserent in der BZ, wie seine andere wiederholt erschienene Anzeige belegt, in der er seine Dienste als Kammerjäger anbot. Vermutlich wollte er mit den Mäusen ein Frettchen füttern, das er dienstlich einsetzte oder auch zur privaten Kaninchenjagd in den Sander Tannen und den Boberger Dünen. Die gefangenen Kaninchen wollte der Jäger, hier der Frettierer, dann sicher verkaufen, und um die Frettchen zu füttern, wollte er Mäuse nehmen (deren Zahl angesichts der Lebensmittelknappheit sicher auch rückläufig war), und dafür war er bereit, Geld auszugeben.

Bergedorfer Zeitung, 26. September 1918

Jeden Preis allerdings wollte er nicht zahlen: 50 Pfennig für eine Maus waren ihm dann doch zuviel. Das kann man verstehen, denn eine Hausmaus wiegt nicht mehr als 25 Gramm, woraus sich dann ein Preis von 10 Mark pro Pfund ergeben hätte, und der schien ihm nicht angemessen.

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(Un)erlaubter Verkehr mit (Kriegs-)Gefangenen in Sande

Bergedorfer Zeitung, 27. August 1918 (gekürzt)

Die Russen in Sande waren nach Ansicht des Gemeindevertreters Struß nun keine „direkten Gefangenen“ mehr, aber frei waren sie auch nicht.

Als Kriegsgefangene waren sie nach Sande gebracht worden, doch der Krieg mit Russland war beendet, der Vertrag von Brest-Litowsk abgeschlossen und in Kraft. Seit dem 2. April musste den russischen Gefangenen in Land- und Forstwirtschaft Lohn gezahlt werden – eine Regelung, die kurz vorher für die ukrainischen Gefangenen eingeführt worden war: „Die ukrainischen Kriegsgefangenen erhalten bei entsprechender Leistung einen Lohn, wie er unter gleichen Verhältnissen für freie deutsche Arbeiter üblich ist, welche von ihren Arbeitgebern freie Unterkunft und Verpflegung und eine Geldabfindung erhalten.“ Diese Geldabfindung (man könnte auch Ausbeutung sagen) belief sich auf mindestens 50 Pfennig pro Arbeitstag (Mitteilungen der Landherrenschaften 1918, Nr. 12 vom 24. März und Nr. 14 vom 31. März) – ob sie wirklich Gleichheit mit „freien deutschen Arbeitern“ schuf, muss bezweifelt werden, denn schon den älteren Schülern, die bei freier Kost und Unterbringung als Erntehelfer tätig waren, sollte täglich eine Mark als Taschengeld gezahlt werden (Mitteilungen der Landherrenschaften 1918, Nr. 10 vom 10. März).

Die zahlreichen Kriegsgefangenen beider Seiten waren im August noch nicht zurückgekehrt, was (wahrscheinlich nicht nur) in Sande Probleme bereitete: entweder gaben die Arbeitgeber und/oder die Bewacher der Gefangenen diesen mehr Freiheiten, oder die Gefangenen nahmen sich diese Freiheiten, suchten offenbar Tanzlokale auf und hatten „unerlaubten Verkehr“ mit Sander Frauen und Mädchen.

Jedenfalls gab es nach wie vor Bewachung, die nach Ansicht des Gemeindevertreters Struß straffer gehandhabt werden musste, und der Gemeindevorsitzende Siemers kündigte eine schärfere Kontrolle der Tanzlokale an, in denen es wohl zu diesen Kontakten gekommen war.

Bergedorfer Zeitung, 28. September 1918

Vielleicht wurde der „unerlaubte Verkehr“ aber zu erlaubtem umgewandelt – die Möglichkeit wurde eröffnet, wie eine Meldung aus dem September zeigt: danach konnte russischen Kriegsgefangenen die „Erlaubnis zur Verheiratung durch die stellvertretenden Generalkommandos nach Anhörung der beteiligten Zivilbehörden“ gewährt werden. Ob es in Sande zu derartigen Eheschließungen kam, müsste anhand der Akten des Standesamts überprüft werden.

 

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