Reichsmarmelade statt Kriegsmus

Bergedorfer Zeitung, 22. Oktober 1918

1917 hatte es noch geheißen „Die Marmelade ist tot – Es lebe das Kriegsmus!“ (BZ vom 20. Januar 1917), 1918 sollte sie als „neue Reichsmarmelade“ wieder auferstehen.

Alle diejenigen, die Beeren und anderes Obst im eigenen Garten hatten oder kaufen konnten, die zudem „Einmachezucker“ bestellt hatten (BZ vom 3. Juni 1918) sowie die Marmeladenherstellung beherrschten, konnten sich glücklich schätzen, denn sie kannten die Zutaten genau. Bei der Reichsmarmelade wussten nur die Reichsstelle für Obst und Gemüse und die Marmeladenindustrie, was im Einzelnen mit welchen Anteilen enthalten war.

Wie in den Vorjahren wurde die industriell hergestellte Marmelade gestreckt – und die „Reichsstelle“ hatte sogar gelernt: das Kriegsmus (aus Zucker, Obst und Steckrüben) war in vielen Gemeinden nicht loszuwerden (BZ vom 11. Juli 1917), und nach diesen „früheren Erfahrungen“ kamen Steckrüben nicht zum Einsatz, sondern vor allem Mohrrüben und Obsttrester sowie „in ganz geringem Umfange“ Runkelrüben. Zucker und Obstmark sollten zwar die Hauptbestandteile sein, aber der Anteil der Streckungsmittel etwa ein Drittel betragen. Im Vorjahr hatten diese Mittel „etwa ein bis zwei Zehntel der Marmelade“ ausgemacht, und „noch niemals haben die Streckungsmittel vier Zehntel überschritten“ (BZ vom 3. Oktober 1918).

Bergedorfer Zeitung, 8. Oktober 1918

So sollte die Marmeladenversorgung gesichert sein, zumindest von November 1918 bis Juli 1919, denn drei Monate lang sollten wie 1917/18 gar keine „Brotaufstrichmittel“ ausgegeben werden. Das wurde in Bergedorf aber etwas anders umgesetzt: Marmelade gab es 1918 in 27 Wochen, mit Rationen von 125 bis 500g (Jahresgesamtmenge 6.475g), mehrfach wurde sie durch Kunsthonig (zehnmal) oder Sirup (sechsmal) ersetzt, und „nur“ in neun Wochen gab es trocken Brot (diverse Ausgaben der BZ 1918).

Die Bergedorfer konnten die „neue Reichsmarmelade“ für eine Mark pro Pfund kaufen (BZ vom 23. November 1918). 1917 hatte das Kriegsmus 55 Pfennig gekostet, Apfel- und Pflaumenmarmelade 65 Pfennig (BZ vom 21. Mai und 25. August 1917). Die Qualität der Ware wird nicht im selben Maße gestiegen sein wie der Preis, und auch der Kunsthonig war deutlich teurer geworden, von 55 Pfennig (BZ vom 9. Dezember 1916) auf 78 Pfennig (BZ vom 16. November 1918).

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