Strümpfe stopfen ist alles andere als einfach, wie jeder weiß, der sich daran einmal versucht hat, aber mit Loch im Strumpf zu laufen ist nicht nur unschön, sondern unangenehm – daher wird es die Bergedorferinnen (und Bergedorfer?) gefreut haben, dass die Stadt Kurse im Strümpfestopfen anbot. Wegen hoher Nachfrage mussten die Kurse, die sich über mehrere Abende à drei Stunden erstreckten, mehrfach wiederholt werden (BZ vom 4. März 1918).
Natürlich nahmen nicht alle Bergedorferinnen (und Bergedorfer) hieran teil, aber die Suche nach einer stopfkundigen Frau per Kleinanzeige war schon bemerkenswert. Leider ist es, da es sich um eine Chiffre-Anzeige handelte, nicht möglich, den genauen Wohnort der Inserentin bzw. des Inserenten zu bestimmen, aber es spricht viel für einen Haushalt im Villenviertel: selbst stopfen konnte (oder wollte) man nicht, und eine nicht „achtbare“ Frau sollte nicht ins Haus gelangen. Die „Entlohnung“ sollte (ausschließlich) in freier Kost erfolgen, der Haushalt hatte also trotz des Steckrübenwinters Lebensmittel über den Eigenbedarf hinaus und auch Stopfwolle.
Die Lage war allgemein trostlos genug – da gab es im Sommer die Meldung zur „Ersparnis von Strümpfen“: man solle zu den Holzsandalen einfach auf Strümpfe verzichten, man mache sich damit nicht lächerlich. Der Appell, dass die Schuljugend und die Studentenschaft beiderlei Geschlechts als Vorbilder voranklappern sollten, zeigt aber eben, dass die gängige Vorstellung korrekter Fußbekleidung damals eine andere war.
Ob mit oder ohne Strumpf: die vom Museum Weißenfels – Schloss Neu-Augustusburg online gestellte Abbildung einer Holzsandale aus dem Ersten Weltkrieg lässt vermuten, dass das Gehen damit eher kein Vergnügen bereitete.