Die trockenstehende und andere Ziegen

Bergedorfer Zeitung, 23. Oktober 1918

Ist es gut, wenn eine Ziege trockensteht? Der Geesthachter Lehrer Otto Müller wollte eine solche, fünf Jahre alt, für 80 Mark verkaufen. War das nun ein hoher oder ein günstiger Preis? Klären wir eins nach dem anderen und thematisieren die Ziegenhaltung im Ersten Weltkrieg generell.

Das Trockenstehen ist nach Stanislaus von Korn/Ulrich Jaudas/Hermann Trautwein (S. 54) normal für eine Milchziege: „Wenn sich die Laktationsleistung nach 250 bis 300 Tagen deutlich vermindert hat, sollten die Milchziegen trockengestellt werden. Die Trockenstehphase ist für die Ziege eine wichtige Regenerationsphase sowie Vorbereitung auf die nächste Geburt und die neue Laktation. In dieser Zeit soll die Ziege wieder einen optimalen Konditionszustand erlangen. Bei einigen Tieren versiegt die Milch 6 bis 8 Wochen vor der Ablammung von selbst.“

Die Ziegenpreise wiesen eine beträchtliche Spannweite auf: laut BZ vom 11. Juni 1918 musste man für gute Tiere bis 300 Mark bezahlen, in Anzeigen wurden 230 bis 260 Mark, für eine Ziege mit halbjährigem Lamm 280 Mark verlangt (BZ vom 1. und 3. Oktober 1918) – da war Müllers Forderung sehr zurückhaltend, wobei man berücksichtigen muss, dass seine Ziege bereits in vorgerücktem Alter war, in dem die (Milch-)Leistung deutlich nachlässt (von Korn et.al., ebd., S. 60).

Die Ziegenhaltung war in dieser Zeit durchaus beliebt: die Viehzählung 1916 verzeichnete allein in der Stadt Bergedorf 138 Ziegen (BZ vom 12. Dezember 1916, die Ergebnisse der weiteren Zählungen wurden nicht publiziert). Den zahlreichen Verkaufsanzeigen nach zu urteilen, wohnten die meisten Halter im Osten der Stadt (Brunnenstraße, Brookdeich), aber auch aus dem Villenviertel (Moltkestraße, Grüner Weg) gab es im September/Oktober 1918 Inserate.

Bergedorfer Zeitung, 9. Oktober 1918

Das Interesse an Ziegen beruhte vor allem darauf, dass sie Milch lieferten und geschlachtete Lämmer die Fleischration aufbesserten. Die Landherrenschaften förderten die Haltung, indem sie Ziegen aus dem Ausland beschafften und an Interessenten verkauften, die Bergedorfer Zeitung unterstützte dies durch Tipps zur Ziegenhaltung und sprach von der „Kuh des kleinen Mannes“ (BZ vom 17. August 1916 und 19. Juli 1917 und 11. Juni 1918). Die Gemeinsamkeit mit der Kuh lag vor allem in der Milchabgabe, und an Kuhmilch war ja kaum heranzukommen (siehe den Beitrag 55 Paragraphen zum Milchverbrauch).

Das „Decken fremder Ziegen“ war übrigens streng reguliert: diese Aufgabe durften nur von der „Körungs-Kommission“ zugelassene Böcke (geboren vor dem 1. April, frei von Erbfehlern, mit Abstammungsnachweis) übernehmen, die dem Zuchtziel der „der  weißen, hornlosen, kurzhaarigen Saanenziege“ entsprachen. Von den 1918 in Hamburg angekörten 46 Tieren standen 28 im Gebiet der Landherrenschaft Bergedorf, darunter zwei in der Stadt Bergedorf (BZ vom 9. September 1918).

Bergedorfer Zeitung, 20. August 1918

 

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