Ähnlich schwierig wie die Beschaffung von Lebensmitteln war die Beschaffung von Strümpfen, wie schon in den Beiträgen Strumpflos in Holzsandalen, Die staatsbürgerlichen Rechte und die Strümpfe der Frauen sowie Präventive Maßnahmen gegen Strumpflöcher zu lesen war.
Schon im Frühjahr 1918 hatte die „Strumpf-Reparatur-Zentrale“ mit Sitz in Itzehoe das Problem erkannt: sie versprach, aus sechs Paar zerrissenen Strümpfen vier Paar „fast neue“ herzustellen. Pro Paar war 1,60 Mark zu zahlen – nicht wenig, aber wenn ein Paar (vermutlich einwandfreier) Herrenstrümpfe einen Wert von 20 Mark hatte, wie die BZ am 19. Oktober anlässlich eines Diebstahls berichtete, vielleicht vertretbar. Auch der Bergedorfer Textilhändler Eyler bot solches an – bei ihm konnte man auch Sweater und Wolljacken einliefern (BZ vom 27. August).
Im zweiten Halbjahr dann tauchte wiederholt eine Anzeige auf, in der die „Heilung“ von Strümpfen versprochen wurde: der Strumpf war zum Patienten geworden, und wenn Mutters Hausmittelchen (vielleicht wegen Mangel an Stopfwolle) nicht funktionierten, musste eben die Einlieferung in die „Strumpf-Klinik“ zur stationären Behandlung erfolgen.
Nähere Angaben zur Art von Reparatur bzw. Therapie waren in der BZ nicht zu finden, aber wahrscheinlich kam „Kunstwolle“ zum Einsatz: Nach Hermann Grothe (S. 209f) gab es schon seit dem 18. Jahrhundert Verfahren, Strümpfe, Garnabfälle etc. zu zerzupfen, mit neuer Wolle zu vermischen, das Gemisch neu zu verspinnen und daraus „Recycling“-Strümpfe herzustellen. Nach Grothe waren „die Fabrikate … sehr mangelhafte und unsolide“, wurden aber mit dem schönen Namen „Kunstwolle“ versehen (siehe auch Brockhaus Kleines Konversations-Lexikon von 1911 (S. 1035)).
In diesem Lichte muss man auch die Ankündigungen sehen, dass die bedürftige Bevölkerung für den Herbst und Winter Strümpfe aus Kunstwolle erhalten sollte (BZ vom 27. März und 3. April). Die Ausgabe erfolgte im Juli und Oktober (BZ vom 20. Juli und 28. Oktober). Obwohl nur Inhaber eines Berechtigungsausweises und eines Bezugsscheins diese Ware(n) erhielten, verdarb dies offenbar den Reparateuren, Heilern und Klinikbetreibern das Geschäft, denn im November schalteten sie keine Anzeigen mehr.
Die wirklich gute Nachricht kam dann ca. einen Monat nach Kriegsende: Heeresstrümpfe sowie die Woll- und Baumwollvorräte des Heeres sollten in den Handel kommen, Strümpfe auf die „Freiliste“ gesetzt werden (BZ vom 7. Dezember). In Curslack gab es dann noch einmal eine Verteilung an „Unbemittelte“ (BZ vom 11. Dezember) – da hatte das Kaufhaus Schwarz (Zollenspieker) schon längst „Strümpfe in reiner Wolle und Halbwolle“ zu verkaufen (BZ vom 7. Dezember).