Flaschenrecycling 1918

Bergedorfer Zeitung,   2. November 1918

Kaum jemand wird 1918 seine geleerten Weinflaschen einfach in den Hausmüll geworfen haben (Glascontainer oder Pfandregale gab es ja noch nicht), denn man konnte sie verkaufen, zum Beispiel an Hans Schultes aus Altona, der die Flaschen abholte, was die Sache ja noch bequemer machte. Zweiundzwanzigmal inserierte Schultes in jenem Jahr in der Bergedorfer Zeitung – wenn er von der Zeitung keinen Rabatt erhielt, war das durchaus kostenintensiv: für „Reklame“ war pro Petitzeile eine Mark zu bezahlen (für Anzeigen aus dem Leserkreis nur 30 Pfennig pro Petitzeile), eine Schultes-Anzeige kostete also etwa 14 Mark, macht insgesamt gut 300 Mark Insertionskosten.

Daraus kann man schließen, dass die Bergedorfer – Krieg hin, Krieg her – ein trinkfreudiges Völkchen waren, was auch durch einige Annoncen bestätigt wird: das „Waldhaus“ am Möörkenweg an der Bille (siehe die Karte 1904, dort Nr. 31) bot 500 Weinflaschen zum Verkauf, nicht zu identifizierende Inserenten aus der Brauerstraße mehrere hundert (BZ vom 11. April, 2. August und 23. November 1918).

Möglicherweise waren diese Flascheneigner nicht mit den gebotenen Preisen zufrieden, obwohl Schultes mehr zahlen wollte als andere Flaschensammler: die Firma Flaschen-Engros Wessel Meylink kaufte zu 15 Pfennig, Otto Danielsen 18 Pfennig (BZ vom 12. April und 29. Oktober); eine Hamburger „Flaschenzentrale“ nannte ihre Preise ebenso wenig wie die lokalen Aufkäufer Oehr und Knüppel (BZ vom 10. Januar, 13. April und 8. Oktober).

Bergedorfer Zeitung,   4. Juni 1918

Vorsichtige Leute haben an ihren Flaschen aber festgehalten und konnten dann von einem besonderen Angebot Gebrauch machen: wer den Markenessig Surol kaufen wollte, musste seine Flasche(n) mitbringen, wenn sie bzw. er denn wusste, wo der Essig aufgefahren wurde – die Anzeige verriet den Anbieter und den genauen Ort jedenfalls nicht, wenn man auch den Bergedorfer Markt vermuten darf.

Bergedorfer Zeitung, 27. August 1918

Ob wirklich Surol in die Flaschen gefüllt wurde? Das war nicht völlig sicher, und vielleicht deshalb verkaufte August Gerhus die Produkte des königlichen Hoflieferanten Kühne in Originalflaschen und ließ sich dabei die Flaschen extra bezahlen.

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