Was macht eine Tabakfabrik mit Buchenlaub? Ganz einfach: sie stellt daraus Zigaretten her. Laut Bergedorfer Zeitung war das „eine Hiobspost für Raucher“, „Unkraut jeder Art“ dürfe sich – neben mindestens fünf Prozent echtem Tabak – in einer Zigarette befinden (BZ vom 6. Februar 1918).
So schlimm war es aber nicht: die „Tabakersatzstoffe“ bedurften einer Zulassung, und die erhielten Hopfen, Buchen-, Linden-, Ahorn-, Kastanien-, Weinrebenblätter und solche der wilden Weinrebe (BZ vom 6. und 23. Februar 1918), also kein Unkraut.
In Bergedorf produzierte seit 1868 die Fabrik von J. H. P. Rödinger, deren Anfang des 20. Jahrhunderts erbaute Fabrikgebäude äußerlich nahezu unverändert an der Bergedorfer Schlossstraße stehen, Tabakprodukte wie „Bergedorfer Schloss“ und „Matrosen-Shag“ – im Weltkrieg dann Sorten wie „Raucherschatz“ und „Portorico“ (siehe hierzu den Aufsatz von Harald Richert, in: Bergedorfer Industrie Band I, S. 105 – 114).
Inwieweit für diese Kriegsprodukte Buchenlaub zum Einsatz kam, ist unbekannt – jedenfalls inserierte Rödinger mehrfach, dass er Buchenlaub kaufe bzw. Frauen und Kinder zum Sammeln suche, offenbar erfolgreich, denn nach gut einem Monat verkündete er, dass keines mehr angenommen werde. Im Mai wollte er sogar Arbeiterinnen und jugendliche Arbeiter einstellen (BZ vom 4. Mai 1918), hatte also gut zu tun.
Aber nicht jeder war mit dieser Art von Rauchware zufrieden: die Heeresverwaltung untersagte bald die Belieferung der Soldaten mit Buchenlaubtabak, der dem freien Handel übergeben wurde, „so daß also das wehrlose Hinterland nun mit den Düften dieses wonnevollen Kriegstabaks verstänkert werden soll.“ (BZ vom 14. Juni 1918) Was das Heer stattdessen rauchte, ist unbekannt.
Manch ein Raucher in der Heimat wird überlegt haben, ob er auf Selbstanbau ausweichen sollte: Saatgut, Pflanzen und Ratgeber zur Aufbereitung wurden per Annonce angeboten (z.B. BZ vom 16. März und 27. Mai 1918), und wer diesen Weg beschritt, musste seine Pflanzung der Steuerbehörde anzeigen (BZ vom 9. Juli 1918).