Kein Auslandsmehl für schuldhaft Arbeitslose

Bergedorfer Zeitung, 12. April 1919 (Auszug)

Die Menge des zur Verteilung gelangenden Mehls war nicht groß: 250 Gramm pro Person sollte es geben, aber man freute sich ja über jede Aufstockung der Ration.

Die Bekanntmachung ist aber auch aus anderen Gründen einen genaueren Blick wert: zum zweiten Mal nach Kriegsende gab es „Auslandsmehl“, und zwar amerikanisches Weizenmehl, wie es in weiteren Bekanntmachungen am 7. und 14. April hieß, das vermutlich mit den ersten amerikanischen Lebensmittelschiffen „West-Carnifax“ und „Lake Tulare“ Ende März im Hamburger Hafen eingetroffen war (BZ vom 26. und 28. März): die Hungerblockade, die nach Angaben des Statistischen Reichsamts 762.796 Tote zur Folge gehabt hatte (BZ vom 19. März), war damit durchbrochen, aber der Hunger blieb.

Die „schuldhaft Arbeitslosen“ sollten von den zusätzlichen Rationen allerdings nichts abbekommen, wie es in § 2 hieß, und als schuldhaft arbeitslos galt nach der angegebenen Verordnung vom 15. November 1918, wer sich weigerte, Arbeit zu „angemessenem Lohn“ anzunehmen, oder der täglichen Meldepflicht beim Arbeitsnachweis nicht nachkam (BZ vom 8. und 30. Januar), ebenso alle Teilnehmer an „wilden Streiks“.

Bergedorfer Zeitung, 19. April 1919

Uneingeschränkt für alle sollte es dann in der darauffolgenden Woche je ein Pfund Mischmehl geben, zu einem deutlich geringeren Preis. Dieses Mehl wurde ausschließlich über die Verkaufsstellen der aus der Arbeiterbewegung hervorgegangenen „Produktion“ abgegeben, und so betrat vielleicht manche Hausfrau aus dem Villenviertel zum ersten Mal in ihrem Leben diese genossenschaftliche Einrichtung (falls sie nicht ihr Dienstmädchen schickte).

Bergedorfer Zeitung, 22. April 1919

 

Wirklich überzeugt von diesem Produkt war die „Produktion“ offenbar nicht, sonst hätte sie nicht schon im Vorwege die Rücknahme angeboten.

 

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Der gut deutschnational-bismarckische Geist in der Jugend

Bergedorfer Zeitung, 3. April 1919

Der Geburtstag Otto von Bismarcks, des ersten Reichskanzlers des wilhelminischen Kaiserreichs, wurde in Bergedorf und am Grabe Bismarcks in Friedrichsruh jedes Jahr mit Gedenkstunden, Kundgebungen und dergleichen begangen, oft verbunden mit Kranzniederlegungen: 1919 berichtete die BZ über Kranzniederlegungen am Bergedorfer Bismarck-Denkmal (Abbildung siehe unten) durch den Deutschnationalen Handlungsverband, die Deutschnationale Volkspartei (DNVP) und „Jung-Bergedorf“; die Hansa-Schule legte einen Kranz auf den Sarg Bismarcks (BZ vom 1. und 2. April).

Der Deutschnationale Jugendbund, dessen Ortsgruppe eine abendliche Geburtstags-Gedenkfeier ausrichtete, betonte zwar, dass er kein Teil der DNVP sei (BZ vom 13. Februar), aber es dürfte auch kein Zufall gewesen sein, dass er sich als deutschnational bezeichnete. Der Festredner Prof. Dr. Ohly, Direktor der Hansa-Schule und DNVP-Kandidat zur Bürgerschaft (ohne Erfolg) und zur Bürgervertretung (mit Erfolg), fand die für diesen Zuhörerkreis passenden Worte. Pastor Behrmann, der die Räume zur Verfügung gestellt hatte (BZ vom 31. März 1919), trug (nicht bezeichnete) Gedichte von Rudolf Kinau (nicht: Kienau) vor – ob das „Frei und unerschütterlich“ Hoffmann von Fallerslebens wirklich im Sinne des Dichters gesungen wurde, kann bezweifelt werden.

Was genau nun ein „deutschnational-bismarckischer Geist“ war? Wahrscheinlich mehr als nur ein nostalgisches Erinnern an Reichseinigung und Aufstieg Deutschlands – mit Sicherheit eine Ablehnung von Demokratie und gesellschaftlichen Reformen. Ebenfalls mit Sicherheit war dieser Geist nicht in der gesamten Jugend vorherrschend: die Jugendorganisationen der anderen Parteien hatten sich am Bismarck-Gedenken nicht beteiligt: die Jugendgruppe der DDP führte einen „Storm-Abend“ mit Rezitationen durch (BZ vom 2. April), über andere Veranstaltungen wurde nicht berichtet.

Bismarck-Denkmal am Reinbeker Weg (heutiger Standort: Schlosspark)

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Von Hypnotismus, Neudenken und Magnetismus

BZ 4. April 1919

Erziehungsprobleme gab es nach Kriegsende mehr als genug: oft jahrelang waren die Kinder ohne Vater gewesen, manche Väter waren gefallen oder in Gefangenschaft, von den Rückkehrern hatten viele körperliche oder psychische Schäden erlitten, hinzu kamen die Arbeitslosigkeit und die Sorge um die Zukunft, die auch die ebenfalls durch die Kriegsjahre stark belasteten Mütter betrafen. Ob die schulischen Maßnahmen wirken würden, musste sich erst noch zeigen, und so mag mancher, der sich nicht mehr zu helfen wusste, mit Interesse auf die Anzeige des Hypnotiseurs Weißleder geblickt haben. Seine Kunst allerdings war zumindest in Teilbereichen höchst zweifelhaft: der Magnetismus, auch Mesmerismus genannt, wurde schon im 18. Jahrhundert als „wissenschaftlich unhaltbar“ bezeichnet, was an der Beliebtheit der Methode wenig änderte.

Die Zielgruppe Eltern hatte Weißleder allerdings erst entdeckt, nachdem sein erstes Kursangebot wohl nur auf geringe Resonanz gestoßen war: hatte er in seiner ersten Anzeigenserie auf „Nervöse und Strebende“ gezielt, denen er „Wege zum Erfolg“ (z.B. BZ vom 27. März) aufzeigen wollte, und noch am Tage des ursprünglich vorgesehenen Kursbeginns am 3. April um Teilnehmer geworben, so nahm er nun Eltern und Erzieher in den Fokus.

BZ 22. Mai 1919

BZ 14. März 1919

Wie viele er letztlich fand ist offen – jedenfalls blieb er im Geschäft und suchte medial veranlagte Personen für hypnotische Experimente, zumindest in der Anzeige etwas zurückhaltender formulierend als der Geesthachter C. Bockwoldt, der seine hypnotischen Dienste ebenfalls offerierte, sie aber wohl nicht als Mittel der Kindererziehung einsetzen wollte.

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Freikorpswerbung in Bergedorf

Bergedorfer Zeitung, 1. April 1919

Vor allem ehemalige Frontsoldaten wurden gesucht, aber auch andere „treue Männer“, die sich zu einem der Freikorps melden sollten, welche im Regierungsauftrag innere und äußere Feinde bekämpfen sollten (und sich nach ihrer erzwungenen Auflösung gegen die Regierung richteten).

Für den „Grenzschutz Ost“ (BZ vom 17. Februar und 5. März) und z.B. das „Freiwillige Landesjägerkorps“, das sich als „Stütze der Regierung gegen Spartakus“ bezeichnete, wurden Leute gesucht (BZ vom 26. Februar). Auch der ehemalige Kommandeur der Schutztruppe in Deutsch-Ostafrika, Paul von Lettow-Vorbeck, stellte eine solche Einheit auf. Laut dreispaltiger Anzeige galten die „Regierungsbedingungen für Freikorps“ hinsichtlich Löhnung, Verpflegung usw., und eine der Meldestellen lag in Hamburg in der Nähe des Rathauses. Wenige Tage später schaltete des „Sturmbataillon Schmidt der Garde-Kavallerie-Schützen-Division“ eine Anzeige und richtete eines ihrer Werbebureaus in Bergedorf im Gasthof „Zum weißen Schwan“ ein (BZ vom 9. April).

Es ist nicht bekannt, ob die Werbeaktionen in Bergedorf und Umgebung auf Resonanz stießen. Wenn das der Fall gewesen sein sollte, könnten diese Freiwilligen mit zu denen gehört haben, die im Auftrag der Reichsregierung nach den sogenannten Sülzeunruhen Hamburg militärisch besetzten.

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Die Wohnungsmieten und die Parteipolitik

Die Wohnungsmieten sollten steigen – so hatten es für die Stadt Hamburg der Grundeigentümerrat und der Mieterverein vereinbart. Bergedorfs Grundeigentümer wollten nun nachlegen, aber Bergedorfs Magistrat legte sich quer und verwies darauf, dass die Mietschlichtungsstelle allen Mieterhöhungen zustimmen musste:

BZ 7. März 1919

Bergedorfer Zeitung, 10. März 1919

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Auseinandersetzung zog sich über Wochen hin und wurde zwischen den Interessenvertretern der Grundeigentümer und denen der Mieter mit großer Schärfe geführt, wobei so mancher Schlag in Richtung Gürtellinie oder tiefer ging. Dazu hat sicher beigetragen, dass am 14. März die Hamburger Bürgerschaft und am 13. April die Bergedorfer Stadtvertretung gewählt wurden: man teilte (bzw. keilte) kräftig aus, was sich in sieben „Sprechsaal“-Artikeln (Leserbriefen) in der BZ widerspiegelte.

Bergedorfer Zeitung, 24. März 1919

Bergedorfer Zeitung, 31. März 1919

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Vorsitzende des Grundeigentümerrats Martin Biehl war Mitglied der DDP, trat aber zur Bergedorf-Wahl als Spitzenkandidat einer Grundeigentümerliste an (vollständige Kandidatenliste in der BZ vom 8. April), von der die DDP deutlichen Abstand hielt (BZ vom 11. April) – dennoch wollten die Vorsitzenden des Gewerkschaftskartells und des Arbeiterrats, Petersen und Storbeck, die DDP für Biehl haftbar machen (Sprechsaal, BZ vom 26. März) und so Stimmen ins eigene Lager ziehen. Biehl wiederum warf dem SPD-Ratmann Wiesner vor, die Mieter zu instrumentalisieren und wies darauf hin, dass der SPD-Spitzenkandidat Christian Piel doch selbst Grundeigentümer sei (Sprechsaal, BZ vom 3. April), um so die Glaubwürdigkeit der SPD zu unterminieren. Ob diese Wahlkampftaktik funktionierte, sei dahingestellt; jedenfalls erhielt die Grundeigentümerliste am 13. April einen Sitz in der Stadtvertretung, Biehl war also gewählt. Die SPD errang 12 der 25 Sitze (BZ vom 14. April).

Die Einführung einer Meldepflicht für freie vermietbare Wohnungen bei dem neugeschaffenen „amtlichen Wohnungsnachweis“ (BZ vom 1.  und 15. März) verstärkte die Kontrolle der Stadt über den Wohnungsmarkt, und die Mietpreisbremse durch die Schlichtungsstelle (s.o.) wurde bald noch fester angezogen: sie konnte sogar ggf. die Miete für eine neuvermietete Wohnung „auf die angemessene Höhe herabsetzen“ (BZ vom 23. April). Im Sommer dann brachte das Amt einen Artikel in die BZ, nach dem eine Mieterhöhung von 10% gegenüber „einer Friedensmiete bis 400 M“  in der Regel als angemessen angesehen werde, 12,5 % bei bis 700 M und 15% bei einer Friedensmiete über 700 M, was deutlich unter den Hamburger Sätzen lag (BZ vom 2. Juli).

Die Wohnungsnot bestand in jedem Falle weiter, worauf in einem späteren Beitrag einzugehen sein wird.

 

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Verbraucherschutz und Pferdefleisch

Bergedorfer Zeitung, 22. März 1919

Die Rechtsgrundlage gab es schon einige Jahre, aber jetzt wurde es offenbar ernst: bei Fleisch und Fleischwaren mussten „deutlich sichtbar“ Bezeichnungen mit Nennung der Tiergattung angebracht werden, sonst und bei falscher Angabe drohten Geld- und/oder Gefängnisstrafe sowie der Pranger, d.h. die öffentliche Bekanntmachung des Schuldigen.

Das war zweifellos im Sinne der Verbraucher: zwar werden sie im Laden die gängigsten Fleischsorten haben unterscheiden können, aber bei Konserven und Wurst wird der äußere Anschein wenig hilfreich gewesen sein, und die Geschichten vom Hundefleisch (siehe den Beitrag Kriegsbrauchbare Hunde) waren sicher unvergessen.

Es wäre bestimmt hilfreich gewesen, wenn aus den wöchentlichen Bekanntmachungen der Landherrenschaften über die Lebensmittelrationen (Auszug siehe unten) jeweils die Fleischart ersichtlich gewesen wäre, doch in der Regel wurde nur undifferenziert „Fleisch“ angegeben. Lediglich Pferdefleisch wurde ggf. als solches bezeichnet, und Anfang 1919 hatte es vor allem dieses gegeben – vermutlich von aus dem Krieg zurückgekehrten Pferden, die nicht mehr arbeitstauglich waren: allein im Januar hatte die Kommandantur Altona sieben Pferdeversteigerungen annonciert, und man kann sich vorstellen, was aus den übriggebliebenen Tieren wurde.

Bergedorfer Zeitung, 13. Januar 1919 (Auszug aus der Bekanntmachung der Lebensmittelrationen)

Bergedorfer Zeitung, 6. Januar 1919 (Auszug aus der Bekanntmachung der Lebensmittelrationen)

 

 

 

 

Trotz des Kriegsendes hatte sich die Versorgungslage der Bevölkerung nicht verbessert (vielleicht wurde deshalb immer noch die im Krieg begonnene Wochen-Numerierung fortgesetzt), sondern teilweise verschlechtert: im ersten Quartal 1918 hatte es jede Woche 200 Gramm Fleisch gegeben, 1919 waren es im gleichen Zeitraum oft nur 150 Gramm, „mit eingewachsenen Knochen“. Allein die Pferdefleischrationen waren mit bis zu 375 Gramm größer.

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Vierlanden ohne Soldatenrat

Bergedorfer Zeitung, 20. März 1919

Da hatte Soldatenrats-Vertreter Röhr wohl zu selbständig gehandelt – nicht zum ersten Mal, siehe den Beitrag Die Revolution erreicht die Dörfer: nun war er wegen eigenmächtiger Verlängerung der Polizeistunde abberufen worden.

Die Festsetzung der Polizeistunde war nach der Revolution in die Zuständigkeit des Arbeiter- und Soldatenrats übergegangen, wie verschiedene Bekanntmachungen der Räte für Groß-Hamburg, Bergedorf und Geesthacht belegen (siehe z.B. BZ vom 30. November, 2. und 23. Dezember 1918), und auch Röhr tauchte mit einer solchen Bekanntmachung auf: er setzte die Polizeistunde auf 22 Uhr (BZ vom 12. Februar 1919), was genau der Regelung in Hamburg, Bergedorf und Geesthacht entsprach und damit eigentlich kein Grund zur Aufregung war – aber vielleicht hatte er (verständlicherweise ohne dies in der Zeitung zu publizieren) Ausnahmen für die tanz- und feierfreudige Landbevölkerung von Fall zu Fall genehmigt.

Auch schien jetzt wieder die Landherrenschaft für die Polizeistunde zuständig zu sein, wie aus einer in der BZ vom 18. Februar 1919 veröffentlichten Bekanntmachung hervorging – ein sichtbares Anzeichen für den Kompetenzverlust der Räte nicht nur in Hamburg, sondern auch in Sande, für das der Regierungspräsident in Schleswig erklärte, „daß es rechtsunwirksam ist, wenn A.- oder S.-Räte Bestimmungen hierüber treffen“ (BZ vom 11. April 1919).

Einen Amtsnachfolger für Röhr als „Vertreter des Soldatenrats für die Vierlande“ scheint es nicht gegeben zu haben, und ob es überhaupt einen aus mehreren Personen bestehenden Soldatenrat in den Vierlanden gegeben hatte oder ob Röhr als einziger vom (Hamburger) Soldatenrat dorthin delegiert worden war, bleibt offen.

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Das Ende der städtischen Schuhsohlen

In der Nationalversammlung wurde über Sozialisierung gestritten – Bergedorf reprivatisierte. Die Schuhbesohlanstalt der Stadt konnte „nunmehr als überflüssig angesehen werden“.

Bergedorfer Zeitung, 18. März 1919

BZ 18. März 1919

 

 

 

 

 

Schon kurz nach Kriegsende hatte eine Reihe von Schustern inseriert, dass sie – aus dem Felde zurück – ihren Betrieb wieder aufnähmen, aber eine Annonce des Bergedorfer Schuhmachers Fiebiger zeigte auch, dass das Gewerbe nicht problemfrei zu betreiben war: er forderte seine potentiellen Kunden auf, das nötige Leder mitzubringen (BZ vom 30. Dezember 1918). Auch wurden weiterhin Pantoffel- und Schuhhölzer angeboten (z. B. BZ vom 24. Januar 1919), Kurse für Tuch- und Holzschuhherstellung angeboten (BZ vom 29. Januar und 27. Februar), doch die Lage entspannte sich offenbar leicht: ein Schuster konnte mehr Schuhe annehmen, da er „mehr Leder“ zur Verfügung hatte, und der Vaterländische Frauenverein Sande stellte seinen Kursteilnehmerinnen das nötige Sohlenleder. Die Zeit der lederlosen Sohlenschoner näherte sich ihrem Ende.

BZ 30. Januar 1919

Bergedorfer Zeitung, 30. Januar 1919

 

 

 

 

BZ 5. März 1919

Neue Schuhe waren allerdings weiterhin nicht zu bekommen, die Landherrenschaft gab nicht einmal Dringlichkeitsscheine aus, da sie keine Schuhe hatte (BZ vom 7. März 1919). So florierte der Gebrauchtschuhmarkt, insbesondere mit Militärstiefeln, die die zurückgekehrten und entlassenen Soldaten anboten. Diese Fußbekleidung war aus Leder und sicher haltbarer als die selbstgenähten Stoffprodukte.

BZ 21. April 1919

 

Aber nicht jeder schonte sein Schuhwerk, und Bergedorfs Schuhplattler (ja, die gab es!) werden kaum in Holzschuhen zur Bandoneonmusik getanzt haben.

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In Geesthacht: bestohlene und stehlende Sicherheitskräfte

Bergedorfer Zeitung, 18. März 1919

Mit der öffentlichen Sicherheit stand es auch in Geesthacht nicht zum besten: einige tausend Mark waren in der Nacht vom 13. auf den 14. März aus einem Schrank in der Schreibstube des Wachkommandos gestohlen worden, was natürlich fragen lässt, ob die Wache nachts etwa gar nicht besetzt war, aber vielleicht war ja die ganze Truppe in jener Nacht auf der Jagd nach Einbrechern … (Die beträchtliche Geldsumme kann wohl mit der anstehenden Auszahlung von Löhnung an die Wachmänner erklärt werden.)

Bergedorfer Zeitung, 12. März 1919

Wenige Tage vorher hatte die BZ gemeldet, dass sich der Leiter der Geesthachter Sicherheitswache mit einem Stempel des Arbeiter- und Soldatenrats auf und davon gemacht hatte, und so wurden diese Vorkommnisse natürlich auch Thema der Sitzung der Gemeindevertretung: schon vorher hatte diese – ähnlich wie in Bergedorf und Sande, siehe den Beitrag Die militärische Sicherheitswache – den Abzug der offenbar nicht allzu vertrauenswürdigen Kräfte gefordert, war damit aber nicht durchgedrungen (BZ vom 17. März 1919).

BZ 29. Januar 1919

Zum schlechten Renommee der Sicherheitsleute mag auch beigetragen haben, dass sich der Kompagnieführer des Wachkommandos, (Ernst) Peters, seinen dienstlichen Aufgaben augenscheinlich nicht mit voller Kraft widmete und sich mit der Übernahme eines Ladengeschäfts ein weiteres Einkommen verschuf. Dieses Geschäft betrieb er nach den Adressbüchern über lange Jahre; wann er aus dem Wachkommando ausschied, ist unbekannt.

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Maßnahmen zur Gemütsveredelung des Kindes

Bergedorfer Zeitung, 10. März 1919

Mit Schulausflügen und Unterricht im Freien wollte der Elternrat der Birkenhain-Schule der  „Verwahrlosung der Jugend“ begegnen und „auf das Gemüt des Kindes veredelnd … wirken“. In einer Elternversammlung eine Woche zuvor war „ein stark vermindertes Takt- und Schamgefühl bei den Jugendlichen“ konstatiert und „der starke Besuch von Kinos, Tanzlustbarkeiten und öffentlichen Lokalen überhaupt“ kritisiert worden. Zurückgeführt wurden die Missstände auf die „Begleiterscheinungen der Krieges“: Vater Soldat, Mutter Fabrikarbeiterin, Lehrermangel – all das hätte dazu geführt, dass die Kinder sich selbst überlassen blieben (BZ vom 4. März).

Bergedorfer Zeitung, 22. Februar 1919

Die Probleme (Straßenunfug, Beschädigungen und Unbotmäßigkeiten) waren nicht auf Bergedorf beschränkt – der Geesthachter Gemeindevorstand hatte die Eltern sogar per Anzeige auf ihre Verantwortlichkeit hingewiesen: auch damals hafteten Eltern für ihre Kinder.

Bei welcher Art von „besonders kraß gearteten Fällen“ der Elternrat der Schule Am Birkenhain vermittelnd wirken sollte, war nicht genau in Erfahrung zu bringen, aber eine spätere Meldung gibt zumindest einen Hinweis: die Oberschulbehörde in Hamburg teilte mit, dass Elternräte bei der Aufklärung von Schulversäumnissen und der „Heranholung von säumigen Schulkindern mitwirken“ dürften, dass ihnen dabei allerdings „Zwangsbefugnisse“ nicht zustünden (BZ vom 1. April).

Von dem charakterbildenden Instrument der Schulausflüge wurde jedenfalls in der wärmeren Jahreszeit rege Gebrauch gemacht.

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