So wirklich ernst nahm der Autor dieses Artikels Bergedorfs neue Stadtvertretung nicht, sein Tonfall war ausgesprochen mokant – und erstaunlicherweise stammte der Bericht aus der Feder des Politikredakteurs Theodor Kreins (siehe das Kürzel „Kr.“ am Ende) und nicht aus der des für „Kommunales“ Verantwortlichen, Wilhelm Bauer. Bauer, der ja zugleich Ratmann war (siehe den Beitrag Neue Ratmänner), dürfte Krein aber entsprechend „gefüttert“ haben, und die Ablehnung der neuen, demokratischen Zeit mit einem „Damenquartett“ und einem „vollgezählten Dutzend der Mehrheitssozialdemokraten“ etc. ist deutlich erkennbar, doch Bauer konnte sich erforderlichenfalls von dem Artikel distanzieren: es war ja ein Namensartikel.
Die Wahlbeteiligung war deutlich zurückgegangen: hatte sie im Januar (Wahl zur Nationalversammlung) noch bei 95 Prozent gelegen und im März (Wahl zur Hamburgischen Bürgerschaft) bei 80 Prozent, so war sie bei der Wahl zur Bürgervertretung am 13. April auf rund 75 Prozent gefallen (BZ vom 14. April). Vielleicht war Wahlmüdigkeit die Ursache – aber hundert Jahre später würde man sich über eine so hohe Beteiligung an der Wahl zur Bezirksversammlung außerordentlich freuen.
Das Stadtparlament bestand nun aus 25 Abgeordneten, zehn mehr als vorher; deshalb war es „aus dem zu eng gewordenen Schloßstübchen nach dem Stadthaus“ umgezogen, und auch die „stattliche Zuhörerschaft“ fand dort Platz. Sie sahen 12 Sozialdemokraten, 6 „Vereinigte Bürgerliche“ (DVP und DNVP), 4 DDP-Vertreter, 2 der USPD und 1 Grundeigentümer (BZ vom 14. April, siehe auch den Beitrag Die Wohnungsmieten und die Parteipolitik). Die SPD hatte zwar an Stimmen wie an Sitzen die absolute Mehrheit verfehlt, doch ohne sie lief nichts: die sieben Magistratsmitglieder waren im Parlament ebenfalls stimmberechtigt, es kamen also vier weitere SPD-Stimmen hinzu (siehe den Beitrag Wandel in Bergedorf). Außerdem gab es Absprachen mit der DDP, die über zwei Sitze im Magistrat verfügte, und so war die Mehrheit bei den Ausschusswahlen komfortabel. Dabei zeigten sich die Sozialdemokraten machtbewusst und „verbannten“ die Opposition zumeist in die weniger wichtigen Ausschüsse und ohne auf Wünsche und Kompetenzen Rücksicht zu nehmen: so fand sich z.B. der Grundeigentümer Martin Biehl zwar in der Lebensmittelkommission, nicht aber im Bauausschuss (siehe die Angaben (Stand Oktober 1919) im Hamburger Adressbuch für 1920). Ein solcher „Durchmarsch“ wäre heute undenkbar.
Bei den von dem „Debütanten“ und USPD-Vertreter Hinrichs attackierten „Terrainspekulanten“ handelte es sich um eine „Baugesellschaft Bergedorf m.b.H.“, deren Werbung aber nicht in der BZ erschien und über die sonst nichts bekannt ist. Hinrichs‘ mündlich gestellter Antrag wurde aus Geschäftsordnungsgründen vertagt. Als er dann schriftlich vorlag, wurde er abgelehnt und ein Antrag der SPD, der auf das selbe hinauslief, angenommen (BZ vom 31. Mai und 13. Juni). Das auch heute geübte Verfahren, Oppositionsanträge abzulehnen und dafür eigene fast gleichlautende Anträge anzunehmen, hat also eine beachtliche Tradition.