Die politische Lage in Bergedorf war kompliziert: der Burgfriede sollte sicherstellen, dass sich während des Krieges die Machtverhältnisse nicht änderten, doch in Bergedorf waren sie schon verändert worden: drei bürgerliche Ratmänner waren 1916 ausgeschieden – unter den neugewählten Ratmännern war nur Conrad Wilhelm Bauer bürgerlich; Wilhelm Wiesner war Sozialdemokrat und Dr. James Cohn ein Liberaler (siehe die Anlagen bei Uwe Plog sowie BZ vom 21. Oktober und 9. Dezember 1916).
Die drei neuen Ratmänner waren mit ihrer Wahl aus der Bürgervertretung ausgeschieden, und da auch ein Mitglied verstorben war, bestand diese nur noch aus 11 statt 15 Mitgliedern. Zudem waren die Amtsperioden Wiesners und vier weiterer Bürgervertreter (darunter die verbliebenen Sozialdemokraten Otto und Piel) 1916 ausgelaufen, sodass man sich auf eine Wahl im Januar 1917 verständigte (siehe nebenstehenden Bericht). Turnusmäßig alle zwei Jahre wurden Wahlen auf sechs Jahre durchgeführt, d.h. jedes Mal waren fünf von 15 Sitzen zu besetzen – bei der jetzt ins Auge gefassten Wahl würden es sogar acht sein (wobei die Ersatz-Vertreter der 1914 gewählten Bauer und Cohn nur für vier Jahre zu wählen waren).
Aber eigentlich sollte gar keine Wahl im Sinne einer Entscheidung zwischen politischen Richtungen und Kandidaten stattfinden: einstimmig erklärten Magistrat und Bürgervertretung, dass es keinen Wahlkampf geben und die Vertretung der Sozialdemokraten gestärkt werden solle – Letzteres ein besonderes Anliegen Bürgermeister Wallis, der dies mit der loyalen Erfüllung der Vaterlandspflichten durch die Arbeiter und die gute Zusammenarbeit mit den Bergedorfer Sozialdemokraten im Krieg begründete. Die bürgerlichen Vertreter konnte er offenbar mit der vagen Ankündigung beruhigen, dass sich Mittel und Wege finden würden, um eine „bedenkliche und das Allgemeinwohl schädigende Majorisierung durch die Sozialdemokratie“ zu verhindern (siehe ebenfalls BZ vom 13. Dezember 1916). Ob Walli dabei an eine weitere Einschränkung des Wahlrechts dachte? Entsprechende Beschlüsse (ein Zwei-Klassen-Wahlrecht mit Extra-Wahlrecht für Grundeigentümer) hatte es in Bergedorf 1911 gegeben; sie scheiterten aber am Einspruch des Senats, wie bei Uwe Plog (S. 122) nachzulesen ist.
Die so gut vorbereitete „Wahl“ mit bürgerlich-liberal-sozialdemokratischem Kandidatenkartell unterblieb übrigens. Erst nach Kriegsende, am 13. April 1919, wurde wieder gewählt: mit dem allgemeinen und gleichen Wahlrecht errang die SPD 12 von 25 Sitzen, weitere zwei fielen an die KPD, sechs an die Bürgerliste, vier an die DDP und einer an die Grundeigentümer. Wilhelm Wiesner wurde Bürgermeister, Walli Senatssyndikus (siehe Bergedorfer Personenlexikon).