Die dörflichen Versicherungen

BZ, 27. Mai 1925

Das Beispiel der Mobiliar-Feuerversicherung in den Vierlanden und Krauel zeigt die Vorteile einer kleinen Versicherung auf Gegenseitigkeit: man kennt sich, man steht füreinander ein. Die Organisation ist demokratisch, denn jedes Mitglied hat eine Stimme. Man braucht auch keinen aufwändigen Verwaltungsapparat, was die Höhe der Beiträge dämpft, und es gibt keinen Eigentümer oder Investor, der vor allem an Gewinnausschüttung interessiert ist.

 

Bergedorfer Zeitung, 2. Juni 1925

Nachteilig ist aber die geringe Größe, wie hier zu sehen: zwei Großbrände hatten die Versicherung in Schieflagen gebracht – nur durch Kredite konnten die zu leistenden Zahlungen bewältigt werden. Doch da zeigte sich auch wieder ein Vorteil: die Kirchwärder Spar- und Leihkasse sprang als Kreditgeber ein, und so sorgte eine örtliche Genossenschaft dafür, dass ein örtlicher gemeinnütziger Verein weiterbestehen konnte und die lokale Wirtschaft und ihre Netzwerke keinen Schaden erlitten.

Bemerkenswert ist die Aussage im Jahresbericht, dass in der Inflationszeit „die Feuerschäden auf ein Mindestmaß beschränkt blieben“ und „dass mit Einführung einer stabilen Währung … automatisch auch die Feuerschäden wieder einsetzten“. Man kann sich durchaus vorstellen, dass sich Teilnehmer der Versammlung der Mobiliar-Feuerversicherung bei diesen Worten wissend anschauten …

Die Vereinsmitglieder beschlossen jedenfalls, ein (Übernahme-)Angebot einer „auswärtigen größeren Versicherung“ abzulehnen und „ein Bild starken Selbstbewusstseins und vollen Vertrauens in die Kraft der heimischen auf Gegenseitigkeit begründeten Versicherung“ zu präsentieren (BZ vom 30. Juni 1925).

BZ, 25. Januar 1925

Die Mobiliar-Feuerversicherung war in ganz Vierlanden aktiv – das war bei den Viehversicherungen nicht der Fall: in Kirchwärder gab es den Schweineversicherungsverein für die Südseite, und vermutlich gab es weitere Vereine in den Vierlanden, die leider ohne die Zeitung mit ihren Mitgliedern kommunizierten; über die Bergedorfer Gewichts-Schweinegilde wurde bereits berichtet.

Die Hamburger Feuerkasse bemühte sich, die angeblich 30 Viehversicherungsvereine in einer landesweiten leistungsfähigen Gesellschaft zu vereinen – sie wollte kostenlos die Verwaltung übernehmen, vieles sollte weiter dezentral und ehrenamtlich erledigt werden (BZ vom 24. Januar und 7. Februar 1925).

Bergedorfer Zeitung, 2. Mai 1925

Wahrscheinlich steckte hinter diesen Plänen der Staat, der wohl glaubte, den Viehhaltern etwas Gutes tun zu können – aber die Feuerkasse war wegen ihrer hohen Versicherungsprämien für Weichdächer in Vierlanden eher unbeliebt, woran auch die Kofinanzierung von Motorspritzen der Feuerwehren durch die Feuerkasse nichts änderte. Der Staat gab zwar Kredite für Düngemittel, andererseits belastete er die Landwirtschaft mit der geänderten Grundsteuer und der neu beschlossenen Infrastrukturabgabe, kurz: man traute der Landespolitik nicht über den Weg, und so entschied eine Versammlung der Versicherungsvereine, „die Sache langsam reifen zu lassen und nichts zu übereilen.“ (BZ vom 27. Juni 1925)

In Wahrheit war es wohl eine Absage: der Schweineversicherungsverein Kirchwärder-Südseite bestand genauso fort wie die Horst-Borghorster Schweineversicherung in Altengamme, wie sich aus Anzeigen u.a. am 10. Januar 1929 ergibt.

Dieser Beitrag wurde unter Bergedorf1925 veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert