Das gar nicht mehr so neue Thalia-Theater

Bergedorfer Zeitung, 1. Februar 1921

Bitte nicht verwechseln: das Thalia-Theater in Hamburg war bereits 1843 gegründet worden. Das Thalia-Theater in Sande hatte eine sehr viel kürzere Geschichte, und es war vor allem ein Kino.

„Neu eröffnet!“ hieß es in der Anzeige, doch wirklich neu war das Theater im Februar 1921 nicht mehr: die erste Vorführung (natürlich Stummfilm mit Musikbegleitung) hatte es am 21. Oktober des Vorjahres gegeben (BZ vom 23. Oktober 1920), aber vielleicht wollte der Betreiber die Kosten für die Umgestaltung der Anzeige sparen.

 

Bergedorfer Zeitung, 8. April 1921

 

Dieser Betreiber blieb übrigens nicht lange: die Gebrüder Perkuhn übernahmen „käuflich“ das Lichtspielhaus (BZ vom 1. März 1921). Die Anzeigen gestalteten sie neu, und sie boten zusätzliche Attraktionen, zum Beispiel Herrn Retty, der „eine Luftfahrt auf dem Drahtseil durch den ganzen Theater-Saal“ (BZ vom 14. März 1921) unternahm. Auch gab es Auftritte von Komikern, Bauchrednern, Artisten, Tänzern und dergleichen, die ihre Künste im „Spezialitätenteil“ präsentierten, der schon ab Mitte April unter der anspruchsvolleren Bezeichnung „Varieté“ auf die Bühne kam (diverse Anzeigen). Überdies wurde eine neue Silber-Leinwand angeschafft, wodurch „die Kinobilder ganz klar zu Auge kommen.“ (BZ vom 31. März 1921)

Das Kino cum Varieté bestand mindestens bis 1922, später unter anderen Namen (siehe Lohbrügge, Band 1, S. 57f.). Es hielt sich also länger als das Sander Lichtspielhaus, das nicht einmal drei Monate existiert hatte: den Anzeigen nach gab es dort die letzte Vorführung am 2. Februar 1919 (BZ vom 1. Februar 1919).

Das Thalia-Theater Sande residierte in der (Sander) Großen Straße 36; es hatte die Räume des „Sander Tivoli“ übernommen; die Ausstattung des Tivoli kam mit z.B. 500 Biergläsern, 36 qm Linoleum und je ca. 100 Wirtschafts- und Gartenstühlen unter den Hammer (BZ vom 13. Oktober und 4. Dezember 1920). Das Gebäude wurde in den 1980er Jahren abgebrochen – der Neubau (Alte Holstenstraße 17) beherbergt ein Kino.

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Tischlein deck dich!

Nur im Märchen Tischlein deck dich ging alles von allein: auf Zuruf deckte sich der Tisch mit dem erforderlichen Geschirr, Bestecken, Gläsern und legte die herrlichsten Speisen auf.

Bergedorfer Zeitung, 26. Januar 1921

In Ermangelung solcher Tische musste sich in Bergedorf die Hausfrau bzw. das Mädchen der Mühe des Tischdeckens unterziehen und die (in der Küche zubereiteten) Speisen servieren. Wie man dieses korrekt durchführen konnte, musste man lernen, und da kam der angebotene Kursus gerade recht, der im „Restaurant Graf“ stattfinden sollte – der Veranstaltungsort war allgemein bekannt als „Kulmbacher Bierhaus“, aber zu dem Namen hätte der Inhalt des Lehrgangs schlecht gepasst, denn es ging um Anspruchsvolles.

Bergedorfer Zeitung, 26. Januar 1921

Die Zielgruppe der Kursusleiterin bestand aus „jüngeren und älteren Damen und Mädchen“, aber auch „Bediente“ wurden genannt. Das Programm umfasste alle Arten häuslicher Geselligkeiten, die in (groß)bürgerlichen Haushalten vorkommen konnten, und da kam es eben darauf an, dass nicht nur Teller, Bestecke und Tassen bzw. Gläser richtig ausgewählt und platziert waren, von der richtigen Seite her „vorgelegt“ wurde, sondern dass auch kein gesellschaftlicher fauxpas zu gerümpften Nasen führte: die Titulatur, d.h. die Anrede, musste stimmen, also z.B. „Frau Direktor“ und „Frau Doktor“, wenn der Ehemann diesen Titel trug. Die „Toilette“, die in der Anzeige als Unterrichtsthema genannt wurde, meinte sicher die (festliche) Kleidung und nicht den Abort.

Mit dem Kurs wurden also die Grundlagen für eine Zusammenkunft ohne Peinlichkeiten jeglicher Art gelegt. Zum guten Gelingen gehört aber mehr, z.B. gehobene Küche und passende Weine und andere Getränke, doch derlei Kurse wurden in der BZ nicht angeboten …

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Der schlagkräftige Bürgermeister

Bergedorfer Zeitung, 20. Januar 1921

Da verpasste doch tatsächlich Bergedorfs Bürgermeister bei einer dienstlichen Besprechung einem führenden Verbandsvertreter eine Ohrfeige, was hundert Jahre später bestimmt zu einem Rücktritt, einem parlamentarischen Misstrauensvotum und/oder zu einem Disziplinarverfahren geführt hätte. Nichts dergleichen geschah; eine Mitgliederversammlung der Bergedorfer SPD „bedauerte“ den Vorfall, sprach Bürgermeister Wilhelm Wiesner aber ihr Vertrauen aus und sah auch keinen Grund, ihn als Kandidaten für die bevorstehende Bürgerschaftswahl zurückzuziehen.

Was war passiert? Wie sich aus mehreren Berichten der BZ ergibt, hatte im September 1920 ein Unterstützungsberechtigter eine Zahlung von 200 Mark erhalten, aber aus der falschen Kasse, nämlich der hamburgisch-staatlichen und nicht der bergedorfisch-städtischen. Das brachte den Reichsbund der Kriegsbeschädigten, Kriegsteilnehmer und Kriegshinterbliebenen in Wallung, denn Zahlungen aus der Bergedorfer Dienststelle der staatlichen Kasse der Hauptfürsorgestelle in Hamburg durften nur mit Zustimmung des örtlichen Beirats der Hauptfürsorgestelle, in dem der Reichsbund vertreten war, erfolgen – der Beirat war aber mit der Angelegenheit gar nicht befasst worden. Dagegen protestierte der Reichsbund in Hamburg, Hamburg ermittelte, und schließlich kam es am 6. Januar 1921 zu einer Besprechung in Bergedorf zwischen Bürgermeister Wiesner einerseits und Vertretern des Reichsbundes, darunter der Hamburger Gauleiter Born, andererseits. „Im Laufe der Unterredung [hat sich dann] der Bürgermeister hinreißen lassen, den Gauleiter zu ohrfeigen.“ (BZ vom 21. Januar 1921)

Bergedorfer Zeitung, 21. Januar 1921

Außerhalb der SPD schlugen die Wogen hoch: zwei Mitgliederversammlungen des Reichsbunds (BZ vom 13. und 17. Januar 1921) folgte eine öffentliche Versammlung im Colosseum mit 3.000 Teilnehmern, bei der u.a. der kommunistische Bürgerschaftsabgeordnete Carl Seß den Rücktritt Wiesners forderte. Doch „der Beleidigte selbst [sah] den Fall nicht für so schwerwiegend an, daß er den Bürgermeister Amt und Würden kosten müsse“, und ihm sprang die Bergedorfer SPD-Prominenz bei (BZ vom 21. Januar 1921). Dem Gauleiter Born ging es ja auch letztlich um anderes, wie aus der auf seinen Vorschlag hin beschlossenen Resolution hervorgeht: er wollte, dass die Bergedorfer Fürsorgestelle von einem Kriegsbeschädigten geleitet würde, wobei er sicher davon ausging, dass ein Mitglied seines Verbands und nicht einer konkurrierenden Organisation diese Stelle erhalten würde.

Bergedorfer Zeitung, 1. März 1921

Es ist durchaus plausibel, dass die der Forderung entsprechende Stellenausschreibung einer „ersten Kraft“ für die Amtliche Fürsorgestelle für Kriegsbeschädigte und Kriegshinterbliebene Bergedorf auf diese Vorgeschichte zurückzuführen ist – ob die ausgewählte Person dem Reichsbund angehörte, ist nicht bekannt.

Ob übrigens Wiesner persönlich die nicht rechtskonforme Zahlung veranlasst hatte oder ob ein Versehen eines Sachbearbeiters in der Fürsorgestelle vorlag, blieb bis zum Ende der Berichterstattung kontrovers (BZ vom 22., 24. und 31. Januar 1921).

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Elektrischer Stuhl und Zauberei in Bergedorf

Bergedorfer Zeitung, 19. Januar 1921

Gleich zwei Attraktionen buhlten um die Aufmerksamkeit der Bergedorfer und Bergedorferinnen: „500.000 Volt am lebenden Menschen“ präsentierten die Gebrüder Watt (welch ein treffender Name!), und der den Einheimischen bereits aus dem Jahr 1917 bekannte Zauberer Kaßner wollte „auf allen Gebieten seiner Kunst“ Vorstellungen geben.

Bergedorfer Zeitung, 19. Januar 1921

„Die Vorstellungen versprechen interessant zu werden“, schrieb die BZ in ihrer Ankündigung der Gebr. Watt, die ähnlich unkonkret blieb wie die Anzeige der Veranstalter: man kann aber davon ausgehen, dass der „orig. elektr. Stuhl“ nicht zu einer Hinrichtung benutzt, sondern lediglich gezeigt wurde. Was sonst auf der Bühne geschah, bleibt verborgen, denn einen Bericht der BZ gab es nicht. Die „Hochspannung“ scheint aber von kurzer Dauer gewesen zu sein, denn es blieb noch Zeit, im Anschluss einen Ball, begleitet von der ungarischen Kapelle, zu veranstalten.

Bergedorfer Zeitung, 22. Januar 1921

Über Direktor Kaßners Premierenabend gab es hingegen recht detailreich Gutes zu lesen, und zwar nur Gutes. Man kann vermuten, dass er selbst dafür sorgte, dass „-k.“ diesen Report an die BZ schickte und am Schluss Werbung für die weiteren Veranstaltungen platzierte. Ob dabei wieder eine Lampe durch Beschuss auf einen anderen Tisch geriet, weiß man nicht, denn laut Anzeige hatte er ein „täglich wechselndes Programm“ (BZ vom 19. Januar).

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Das staatliche Versuchsfeld und die Läusepflanze

Bergedorfer Zeitung, 13. Januar 1921

Dass die Cinerarien im Treibhaus des staatlichen Versuchsfelds in Fünfhausen unter Läusebefall litten, kann eigentlich nicht verwundern: die Zinerarie (Gattung Pericallis) trägt den Beinamen „Läusepflanze“. Vielleicht war neu, dass die Läuse durch Spritzung mit Parasitol bekämpft werden konnten. Vielleicht war es auch ein verkappter Werbeartikel für ein neues Gift.

Die „Hamburgische Gartenbau-Versuchsanstalt Fünfhausen“ war 1911 geschaffen worden. Zu ihren Aufgaben gehörten Anbauversuche in den Bereichen Obst, Gemüse und Blumen und Beratung der relevanten Betriebe, und eben auch der Pflanzenschutz . Zudem sollte sie Aufgaben im Ausbildungsbereich übernehmen (BZ vom 10. Januar 1920), und so beantragte der Senat bei der Bürgerschaft 64.000 Mark, um nicht nur eine Bewässerungsanlage, sondern für „Fortbildungsschüler und Siedler eine Bedürfnisanstalt und Bänke“ dort bereitzustellen (BZ vom 2. Mai 1921) – letzteres stieß auf Kritik: der Bürgerschaftsabgeordnete Amandus Stubbe (selbst Landwirt) meinte, die Einrichtung sei höchstens geeignet, „die Kenntnisse der Schrebergartenbesitzer zu erweitern. Der Gemüsebauer müsse von der Pike auf gedient haben.“ (BZ vom 6. Mai 1921)

Die weitere Entwicklung widerlegte die Einwände. Fast einhundert Jahre wirkte die Versuchsanstalt an diesem Standort – Näheres über ihre Geschichte erfährt man aus den Jubiläumsschriften 50 Jahre bzw. 75 Jahre Hamburgische Gartenbau-Versuchsanstalt. 2007 zog sie an den Brennerhof in Moorfleet und erhielt eine neue Struktur als Kompetenz- und Beratungszentrum für Gartenbau und Landwirtschaft. Das Gelände in Fünfhausen erlitt das Schicksal der modernen Fruchtfolge: aus der Agrarfläche wurde ein Baugebiet.

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Die Ausgaben des Soldatenrats

Bergedorfer Zeitung, 17. Januar 1921

Die Revolution lag mehr als zwei Jahre zurück – nun sollten der Stadt Bergedorf ihre Ausgaben für den Soldatenrat erstattet werden. Dass die Zeitung ihn hier als „sogenannten Soldatenrat“ bezeichnete, verrät viel über die Ausrichtung des Blattes.

Belief sich die Abrechnung des Arbeiterrats Bergedorf-Sande auf 2.412,89 Mark, so war der Soldatenrat sehr viel teurer: in einem weiteren Zeitungsbericht wurden die Aufwendungen der Stadt mit 75.369,61 Mark beziffert (BZ vom 18. Januar 1921), was nur auf den ersten Blick erstaunt, denn zum Soldatenrat gehörte eine kopfstarke Sicherheitstruppe (siehe die Beiträge 1918 Die Revolution erreicht Bergedorf und Die militärische Sicherheitswache), die von Bergedorf Löhnung erhielt.

Wer die Verantwortung für die Ausgaben zu tragen hatte, war immer noch strittig: die Verhandlungen des Senats mit den militärischen Dienststellen in Hamburg waren gescheitert, woraufhin er sich an den Reichswehrminister wandte, der sich aber in Schweigen hüllte (ebenfalls BZ vom 18. Januar 1921).

Bergedorfer Zeitung, 20. Januar 1921

Die Großzügigkeit Hamburgs gegenüber Bergedorf und auch Cuxhaven ist nur mit der miserablen Finanzlage dieser Gemeinden zu erklären (siehe den Beitrag zum Steuerhammer) – andere Gemeinden sollten auf den Kosten sitzenbleiben: die Hamburger Bürgerschaft lehnte eine entsprechende Zahlung an Geesthacht ab, und obwohl der Soldatenrat der Vierlande angeblich „Unsummen verbraucht“ hatte, konnte sich das Parlament nur zu einer Ausschussüberweisung dieses Problems entschließen, deren Ergebnis nicht in der BZ zu finden war.

 

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Gesundheitsreform 1921: Flatrate für Medikamente?

Bergedorfer Zeitung, 11. Januar 1921

Die Apotheke in Ochsenwärder stand kurz vor dem Aus: „Die Einnahmen der Apotheke sind seit Jahren so gering, daß sie ohne durchgreifende Hilfe noch in diesem Jahre eingehen wird“, hieß es in einem weiteren Bericht der BZ vom 5. Februar 1921 – nun schlug die Landherrenschaft vor, eine Apothekensteuer von zehn Mark pro Jahr zu erheben und dafür die verordnete Medizin kostenlos auszugeben, quasi per Flatrate.

Die Apotheke war zuständig für das Kirchspiel Ochsenwärder (2.024 Einwohner), zu dem auch Spadenland (416), Tatenberg (290) und Moorwärder gehörten (BZ vom 15. Februar 1921; Bevölkerungszahlen für Moorwärder sind dort nicht aufgeführt, nach der Statistik des Hamburgischen Staates, Band 32.1927, S. 44, waren es 465 im Jahr 1919), geschätzt also etwa 3.200 Menschen. Das jährliche Aufkommen der Apothekensteuer würde demnach also bei 32.000 Mark gelegen haben.

Doch als eine Rechtsprüfung ergab, dass die „zwangsweise Eintreibung“ einer Apothekensteuer nicht zulässig wäre, kam ein anderer Vorschlag zum Tragen: der Apotheke wurde ein Zuschuss gezahlt, 7.000 Mark aus der Kasse der Landherrenschaft und ein gleich hoher Betrag aus den beteiligten Gemeinden (BZ vom 15. Februar), die dafür drei Mark pro Jahr als „Kopfsteuer“ von den Einwohnern eintreiben wollten (BZ vom 16. März, 17. Mai, 16. August und 30. September).

Das wird dem Apotheker nur genügt haben, wenn er weitere Einnahmen erzielen konnte, und die konnten nur von den Nichtversicherten kommen, d.h. von den Selbstständigen: Bauern und andere Betriebsinhaber waren nicht versicherungspflichtig, mussten also als Nichtversicherte ihre Medikamente in der Apotheke bezahlen. Für sie wäre die letztlich nicht eingeführte „Flatrate“ von besonderem Vorteil gewesen – die den pflichtversicherten Handwerksgesellen und (zumeist landwirtschaftlichen) Arbeitern verschriebenen Medikamente wurden unverändert über die Krankenkasse abgerechnet.

Moorwärder (bzw. seine Gemeindevertretung) wollte sich an dem Zuschuss nur unter einer Bedingung beteiligen: es müsse eine verlässliche Fährverbindung zur Querung der Norderelbe geschaffen werden (BZ vom 15. Februar und 17. Mai). Was zunächst wie ein illegitimes Koppelgeschäft aussieht, wird durch einen Blick auf die topographischen Gegebenheiten nur allzu verständlich, denn Moorwärder lag (und liegt) südlich dieses Elbarms, Ochsenwärder nördlich – und was nützt die schönste Apotheke, wenn man sie nicht erreichen kann?

Ob und wann die Fähre kam, war der BZ 1921 nicht zu entnehmen.

 

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Der Privatweg und die Schrebergärtner

BZ, 6. Januar 1921

Vielleicht störte sich August Buhk vom Pollhof nicht an den (Bergedorfer) Schrebern als solchen, sondern nur daran, dass sie seinen Privatweg mit Radfahrzeugen aller Art als Abkürzung zu ihren Gärten nutzten, denn obwohl es sein privater und kein öffentlicher Weg war, untersagte er nicht schlechthin die Betretung: gegen Fußgänger (und z.B. Kinderwagen) erhob er hier keine Einwände. Alle anderen mussten mit einer Anzeige rechnen.

 

BZ, 5. Januar 1921

Man muss durchaus Verständnis für ihn haben, denn die genannten Handziehwagen (s. Abb.), Dungkarren usw. werden keine Gummibereifung gehabt haben, sondern mit Eisen beschlagene Holzreifen, die die „Fahrbahn“ erheblich mehr beanspruchten – er wollte Ausbesserungsnotwendigkeiten, die ja ihm zur Last gefallen wären, möglichst vermeiden.

Das in der Anzeige genannte Klostergehrenland ist übrigens in der Karte 1875 eingezeichnet, ganz im Südosten der Karte bei dem zweiten „C“ von „Curslack“. Ob eine der heutige Straßen „Pollhof“ oder „An der Pollhofsbrücke“ aus Buhks Privatweg entstand, war nicht zu klären – jedenfalls hatte die 1912 eröffnete Vierländer Bahn hier ihren ersten Bahnhof, Pollhof genannt, nach dem Verlassen Bergedorfs.

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Der Bergedorfer Steuerhammer zum Jahreswechsel

 

Bergedorfer Zeitung, 31. Dezember 1920

Das war schon überraschend: kaum hatten Arbeitgeber und Arbeitnehmer der freiwilligen Selbstbesteuerung zugestimmt, da kam der Magistrat Bergedorfs mit einer neuen Steuervorlage um die Ecke und in die Bürgervertretung: nun sollte obendrein – verpflichtend – eine Steuer auf den Grundfreibetrag erhoben werden, der vor fünf Monaten nachträglich in das neue System des Steuerabzugs von Lohn eingeführt worden war. Der reichssteuerfreie Einkommensteil betrug 1.500 Mark für Ledige, für Ehepartner und Familienangehörige kamen jeweils 500 Mark dazu – der Vereinfachung halber wird dies an dem Beispiel eines Ledigen erläutert, der ein Jahreseinkommen von 15.100 Mark hatte. Ihm wurde der Basissatz von 10% abgezogen, sprich 1.360 Mark. Nun sollte die Hälfte der bisher steuerfreien 1.500 Mark zusätzlich herangezogen werden, und zwar 23 Prozent von 750 Mark, sprich 172,50 Mark. Der kommunale Spitzensteuersatz wurde für ein Einkommen von 501.600 Mark bei 60 Prozent des Grundfreibetrags, also 450 Mark, festgesetzt; Einkommen unter 15.100 Mark blieben verschont (BZ vom 29. Dezember).

„An sich sei die Steuer nicht angenehm“, sagte laut BZ Bürgermeister Wiesner, doch angesichts der „bedrängten finanziellen Lage“ Bergedorfs bleibe keine andere Wahl, denn Reichszuschüsse wurden offenbar nur gezahlt, wenn eine Kommune die möglichen Steuerquellen restlos ausgeschöpft hatte (BZ vom 31. Dezember). Geld vom Reich wurde aber u.a. benötigt, um die geplanten Notstandsarbeiten ausführen zu können, und so stimmten Magistrat und Bürgervertretung nach kontroverser Debatte mehrheitlich zu (BZ vom 31. Dezember). Einen ähnlichen Beschluss hatte die Sander Gemeindevertretung noch vor Weihnachten gefasst (BZ vom 22. Dezember).

Die Motivation der Steuerzahler, sich freiwillig selbstzubesteuern, wird die neue Steuer nicht gefördert haben.

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Von Polizei und Wach- und Schließgesellschaft

Bergedorfer Zeitung, 3. Januar 1921

Die Reorganisation der Bergedorfer Polizei war planmäßig erfolgt – die etwas zerknitterte Meldung der BZ kann zwar eher verwirren, doch da helfen die Hamburger Adressbücher verschiedener Jahrgänge die Unklarheit beseitigen.

„In den Räumen der früheren Feuerwache“ sei eine zweite Wache eingerichtet worden, was ebenso falsch wie richtig ist: das Haus Brauerstraße 2d blieb noch lange Jahre Feuerwache (siehe den Beitrag Von Feuerwehrleuten, -wachen und -meldewesen). Das Gebäude war außerdem Sitz der Bergedorfer (Gemeinde-)Polizei gewesen und auch des Stadtbauamts, wie sich aus den Hamburger Adressbüchern der Jahre 1900ff. ergibt. Das Stadtbauamt verließ 1920 die Brauerstraße, um im Stadthaus Räume zu beziehen, und die freigemachten Räume wurden dann zur „Wache 2“, wie es im Artikel heißt. J. F. W. Sager behielt laut Hamburger Adressbuch für 1921 seine Dienstwohnung, und die Telefonnummer 120 galt weiter für Polizei und Feuerwehr gleichermaßen.

Bergedorfer Zeitung, 4. Januar 1920

Ein Arbeitsschwerpunkt der Polizisten aus dieser Wache 2 sollte die strengere Handhabung der Straßenpolizeiordnung werden, aber möglicherweise änderte sich dies noch am selben Tage durch einen Arbeitskampf:

 

Bergedorfer Zeitung, 4. Januar 1921

BZ, 4. Januar 1921

 

 

 

Die Wächter der Bergedorf-Reinbeker Wach- und Schließgesellschaft streikten für höhere Löhne – falls Diebe oder Einbrecher unter den BZ-Lesern waren, werden sie sich ermuntert gefühlt haben, obwohl die Firma „für weitere Bewachung … sofort Sorge tragen“ wollte – wofür sie auch Streikbrecher einzustellen beabsichtigte. Das klappte aber offenbar nicht richtig, denn eine Woche später waren „die Forderungen der streikenden Wächter bewilligt und damit … der Streik beendet.“ (BZ vom 11. Januar 1921).

Nun konnten sich Wachtmeister Sager und Kollegen wieder voll auf die Unterbindung des Befahrens von Bürgersteigen mit Blockwagen usw. konzentrieren.

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