Die bemerkenswerte Kooperation für den Wohnungsbau

Bergedorfer Zeitung, 9. April 1921

Normal war das nicht: die ansonsten auf Abgrenzung bedachte SPD Bergedorf setzte sich in ein Boot mit dem rechtsgerichteten Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verband (DHV), um endlich den Wohnungsbau voranzubringen – das 1919 geplante Projekt an der Brunnenstraße war an hohen Kosten und unzureichenden Mitteln gescheitert, aber der DHV konnte Geld vermitteln, nämlich durch Anleihen, die die Stadt Bergedorf bei der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte aufnehmen würde. Die Stadt wiederum hatte die Grundstücke, und so kam man nach monatelanger Vorarbeit zusammen, wahrscheinlich gefördert durch den DNVP-Bürgervertreter und DHV-Funktionär Eugen Clauss.

Auch das im Vorjahr beschlossene Projekt von drei Häusern mit zwölf Wohnungen am Grasweg (siehe den Beitrag Kleinwohnungshäuser im Villenviertel) wurde einbezogen (BZ vom 15. November 1920), und nun sollten weite Teile des „Bruntschen Parks“ ensprechend den Vorplanungen des Bergedorfer Bauamts (BZ vom 7. Februar 1920) für Einfamilienhäuser genutzt werden.

BZ, 9. April 1921

Zu diesem Zweck wurde die „Heimag Bergedorf“ gegründet, eine Tochter der Gemeinnützigen Heimstätten-Aktiengesellschaft für Angestellten-Heimstätten, kurz GAGFAH, deren größter Anteilseigner der DHV war, und es bildete sich eine „Ortsvereinigung für Angestellten-Heimstätten“. Diese Ortsvereinigung konnte „die größere Hälfte“ der geplanten Wohnungen an ihre Mitglieder vergeben – das Interesse des DHV an dem Vorhaben war also keineswegs selbstlos.

Die Größe des Vorhabens war beachtlich, wenn auch eine präzise Zahlenangabe der 1921 begonnenen Häuser fehlt: anfangs hieß es, man müsse sich zwischen 94 Häusern mit 100 Wohnungen bzw. 78 Häusern mit 84 Wohnungen entscheiden (BZ vom 13. Dezember 1920), dann wurde die Häuserzahl von 75 auf 50 reduziert (BZ vom 19. April 1921); die nächste genannte Zahl war 61 Wohnungen (BZ vom 14. Juni 1921), und schließlich hieß es, 49 Einfamilienhäuser seien im Bau, die ersten vier (am Grasweg) seien bereits fertig (BZ vom 16. August 1921).

BZ, 8. Oktober 1921

Die Höhe der Jahresmieten stieg während der Bauzeit beträchtlich: hatte der Aufsichtsrat der Heimag (mit dem SPD-Bürgermeister Wiesner und dem DNVP-Bürgervertreter Clauss, BZ vom 5. November 1921) im Oktober beschlossen, dass sie 1.020 Mark betragen solle, so forderte die Landherrenschaft, die Bergedorfs Stadtfinanzen kontrollierte, 1.580 Mark (BZ vom 5. August 1921). Da sich die Einigung mit Hamburg hinzog, konnten in der Vermietungsanzeige nur ungefähre Beträge je nach Haustyp angegeben werden. Die Finanzkraft von Geringverdienern dürfte das in jedem Fall überstiegen haben.

Aber wer heute durch diese Siedlung am Heinrich-Heine-Weg spaziert, kann sich davon überzeugen, dass das gemeinsame Rudern von Sozialdemokraten und Deutschnationalen funktioniert hat.

 

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