Per Punt auf der Bille unterwegs

Der heutige Sportanhänger mag bei dem Wort „Punt“ an American Football denken, der Historiker an ein Goldland – der Bergedorfer dachte vor hundert Jahren an den Bootstyp , wie die Zeitungsanzeigen belegen. Im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache ist „Punt“ nicht zu finden, die deutschsprachige Wikipedia weiß nur, dass es sich um einen Bootstyp handelt. Das Hamburgische Wörterbuch kennt das Wort und den Bootstyp; in der englischsprachigen Wikipedia heißt es: „A punt is a flat-bottomed boat with a square-cut bow, designed for use in small rivers and shallow water“, also ein Boot mit flachem Boden und rechteckigem Bug für kleine Flüsse und geringe Wassertiefen. Das Hamburgische Wörterbuch schreibt, dass es „1920-30 [ein] beliebtes Sportboot auf der Alster“ war – im Lichte der Bergedorfer Anzeigen müsste hier auch die Bille als Einsatzgebiet genannt werden.

In Hamburg und Bergedorf sind Punts längst durch andere Bootstypen abgelöst worden; in den englischen Universitätsstädten Cambridge und Oxford sind sie zumindest als folkloristisches Element noch vorhanden. Da hier leider keine Fotografien von Punts auf der Bille vorliegen, muss es offenbleiben, ob sie ausschließlich per Stechpaddel (Hamburgisches Wörterbuch) bewegt oder nach englischem Vorbild mit einer Stange gestakt wurden.

Nachtrag: es liegt jetzt eine Ansichtskarte aus den späten 1920er Jahren vor, die ein Punt auf der Bille vor der neuen Badeanstalt zeigt. Die Fortbewegung erfolgte dort per Stechpaddel.

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Gefährliche Obstschalen

Bergedorfer Zeitung, 21. Juni 1924

„Apfelsinomanie“ nannte der BZ-Redakteur in seiner Wochenkolumne das Konsumverhalten im ersten Halbjahr 1924: angeblich aßen auf einmal alle Apfelsinen (dazu unten mehr). Viele ließen die Schalen einfach und achtlos fallen, doch das war strafbar und gefährlich (BZ vom 11. Februar), denn auf den Bürgersteigen würden die Reste zu „Wegelagerern gefährlichster Sorte“, brächten Menschen zu Fall und wären verantwortlich für verstauchte Füße und Knochenbrüche.

In Bergedorf schien alles recht glimpflich ausgegangen zu sein – im ganzen ersten Halbjahr gab es nicht eine einzige lokale orangenschalenbezogene Unfallmeldung in der BZ. Aus Hamburg wurde über mehrere Fälle summarisch berichtet (BZ vom 13. Juni) – im zweiten Halbjahr begann die offenbar noch gefährlichere Bananensaison, denn ganz konkret schrieb man über sechs obstschalenbedingte Einlieferungen in Hamburger Krankenhäuser. Dreimal wurden für die Stadt Hamburg explizit Ausrutscher auf Bananenschalen als Ursache für Verletzungen genannt (BZ vom 3. und 12. Juli sowie 3. September); Bergedorf blieb offenbar verschont.

„Ausgerechnet Bananen“ lösten die Apfelsinen als Unfallverursacher ab – diese Schlussworte des BZ-Artikels spielen auf den damals aktuellen (und in anderem Sinne etwas schlüpfrigen) Schlager gleichen Titels an (Näheres z.B. bei Wikipedia und im Volksliederarchiv mit unterschiedlichen Textversionen).

Nach Ende der Inflation wurde der deutsche Markt mit Südfrüchten „geradezu überschwemmt“: zeitweise waren 400.000 Kisten Orangen auf dem Seeweg nach Hamburg, wo die Läger bereits überfüllt waren (BZ vom 3. Februar) – in der Dissertation von Kerstin Wilke, Die deutsche Banane (S. 87), gibt es einen Preisvergleich für Berlin im Januar 1924; demnach kosteten dort zehn Apfelsinen soviel wie ein Kilogramm Äpfel oder vier Eier oder eine Banane. Für Bergedorf liegen keine Vergleichswerte vor.

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Die Viehhaltung auf der Bergedorfer Sternwarte

BZ, 2. Juni 1924

Frau Professor Schorr war keine Astronomin: sie war die Ehefrau des Direktors der Sternwarte, Prof. Dr. Richard Schorr, und sie war verantwortlich für den Haushalt der Familie, zu der auch sieben Kinder zählten. Da war es schon gut, dass man jeden Tag frische Milch von der eigenen Kuh bekam. Das Melken der Kuh sollte Aufgabe des neuen Dienstmädchens in der Direktorenvilla sein, denn „Frau Professor Schorr, die war ‘ne vornehme Frau. … Sie war immer so eine ganz elegante“, wie die auf der Sternwarte aufgewachsene Hilde Ritz Jahrzehnte später berichtete (zitiert bei Jochen Schramm, S. 188), und vornehme Frauen nahmen damals nicht auf einem Melkschemel Platz (heute wohl auch nicht).

BZ, 13. Juni 1924

Frau Professor Schramms Stellenangebot war offenbar nicht auf Anhieb erfolgreich, denn die Anzeige erschien am 6. Juni ein weiteres Mal. Auf das Angebot des Hamburger Jugendschutzes wäre sie wohl nur ungern eingegangen: ein Professorenhaushalt war doch etwas anderes als eine Landstelle.

Auch andere auf der Sternwarte wohnende Mitarbeiter hielten dort Nutztiere: Hilde Ritz erzählte von Ziegen, Hühnern, Gänsen und Kaninchen; außerdem wurde seit den Kriegsjahren Gemüseanbau auf dem eingezäunten weitläufigen Gelände des Observatoriums betrieben. Auf einer bei Schramm (ebd., S. 191) abgedruckten Luftaufnahme vom September 1928 sind Gemüsebeete nur außerhalb des Sternwartengeländes zu sehen – zum Friedhof hin sind allerdings kleine Baulichkeiten zu entdecken, die eventuell als Gartengeräteschuppen oder Ställe gedient haben könnten.

Soweit bekannt betreiben die heutigen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Sternwarte dort keine Nutzviehhaltung mehr.

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Von Linden, Eichen und Wappenbäumen

Bergedorfer Zeitung 12. Juni 1924

Einer der Lindenbäume auf dem Bergedorfer Markplatz war verdorrt – die BZ vermutete eine undichte Gasleitung als Ursache und erwartete eine Ersatzpflanzung im Herbst, um die Baumgruppe wieder zu komplettieren.

 

Bergedorfer Zeitung, 28. Mai 1924

Über das Verdorren der Linde hatte die BZ bereits blumig berichtet und dabei betont, dass die „drei ragenden Linden“ auf dem Markt „getreue Abbilder der Wappenbäume, als stolze Hüter geschichtlicher Tradition“ seien, was die Notwendigkeit einer Lückenschließung offensichtlich machte.

Allerdings sind Zweifel angebracht: einige Jahre zuvor waren es laut BZ vier Linden, die den Markplatz zierten bzw. zieren sollten, denn sie waren „nicht übermäßig stattlich“ (siehe den Beitrag Der nicht kriegsgemäße Marktplatz) – das Stadtwappen erfuhr zwar im Laufe der Jahrhunderte manche Veränderung, aber in allen Varianten zeigte und zeigt es drei Bäume auf drei angedeuteten Hügeln. Zur Zeit der Pflanzung der vier Bäume und auch noch 1917 dachte man also nicht daran, durch sie das Stadtwappen zu symbolisieren. Wann und weshalb zwischen 1917 und 1924 die Baumzahl auf drei reduziert wurde, war der BZ nicht zu entnehmen.

Generell scheint die Geschichte der Bergedorfer Stadtsiegel und des Stadtwappens nicht ausrecherchiert, denn man findet unterschiedliche Angaben dazu. Im Internet gibt es bei bergedorf-info.de und bei Wikipedia (am Ende der Seite) Abbildungen von Siegeln und Wappen, aber man hätte sich dort schon mehr Sorgfalt bei den Datierungen und Darstellungen gewünscht.

Auch muss die Frage gestellt werden, ob im Bergedorfer Wappen wirklich Lindenbäume zu sehen sind. Das älteste erhaltene Stadtsiegel zeigt zwar drei Bäume, aber die Art ist nicht zu erkennen; Harald Richert (S. 43) vermutet „eher drei Weidenbäume“.

Die Abbildung des Siegels von 1885 bei Wikipedia und bergedorf-info.de zeigt einen beeindruckenden Wappenschild, in dem das Bergedorfer Wappen (Mitte unten) von dem Lübecker, dem „Beiderstädtischen“ und dem Hamburger Wappen umgeben ist; das Bergedorfer Wappen zeigt auf dieser Abbildung drei Eichen, und an jedem der Stämme ist ein weiteres Wappen montiert, nämlich ein herzoglich Sachsen-Lauenburgisches, ein Hamburgisches und ein „Beiderstädtisches“, summa summarum sieben Wappen auf einem Schild. Wer sich dieses genauer ansehen möchte, hat dazu online Gelegenheit, denn dieser auf einem Bett von Eichenzweigen ruhende Wappenschild ziert die Titelseite der „Geschichte der Stadt Bergedorf“ von Georg Staunau – unterhalb des Bergedorf-Wappens findet man die Buchstaben „O. S.“, das Zeichen des Illustrators des Buches Oskar Schwindrazheim. Was Wikipedia und bergedorf-info.de zeigen, ist zeitgenössische Kunst mit unter anderem dem Bergedorfer Stadtwappen.

Siegelmarke „Magistrat der Stadt Bergedorf“, undatiert (vor 1924), Durchmesser 4 cm

Harald Richert (a.a.O.) meint, dass dieses Wappen von 1885 „nie offiziell genehmigt“ wurde, weil es für den Dienstgebrauch ungeeignet erschien – es gibt allerdings (siehe Abbildung rechts) Siegelmarken des Magistrats, die eine Prägevariante zeigen, und das „Eiserne Wappen“ von 1915 griff die Vorlage von 1885 wieder auf.

Wappenklarheit herrschte definitiv von 1927 bis 1938: der Bergedorfer Grafiker Max Lobusch erstellte im Auftrag der Stadt ein schlichtes Wappen mit drei Eichen, zu sehen bei bergedorf-info.de und Wikipedia. Mit dem Groß-Hamburg-Gesetz verlor Bergedorf 1938 seine Eigenständigkeit und das Wappen seinen offiziellen Charakter. Die Wappenbäume (Eichen) findet man heute auf der Ostseite des Mohnhofs; laut Hamburger Baumkataster war das Pflanzjahr 1985, der mittlere Baum wurde 1991 ersetzt.

(Die Bergedorfer Zeitung erschien übrigens ab dem 11. Mai 1913 jahrzehntelang mit Bergedorf-Wappen im Kopf, an den Baumstämmen die montierten „historischen“ Schilde – die Blätter der Bäume könnten auf Linden hindeuten.)

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Dumme gesucht

Es ist unerklärlich, warum gerade im Juni 1924 so viele Anzeigen in der BZ erschienen, die alle mit der Kopfzeile „Dumme gesucht“ hätten beginnen können. Im Januar hatte es genau ein derartiges Inserat gegeben (BZ vom 16. Januar: „Lohnende Generalvertretung“), im März auch eines (BZ vom 26. März: „Aufsichtsratsposten durch Aktienübernahme … Erforderlich 5-10.000 Mark“), im Juni waren es sechs.

BZ, 4. Juni 1924

BZ 7. Juni 1924

Die beiden ersten waren vom „Invalidendank“ aufgegeben worden – ob das noch die die nach dem deutsch-französischen Krieg gegründete Organisation zur Unterstützung von Kriegsinvaliden war oder eine Nachfolgeorganisation, die den (guten) Namen für dubiose Zwecke nutzte, wurde nicht geklärt, aber: ohne Geld, ohne Fachkenntnisse, ohne Risiko, hingegen kein Tag ohne Geldeingänge, abgesichert über Jahre, Teilzeitjob für jeden – glaubwürdig klingt es nicht, schon weil jede Tätigkeitsbeschreibung fehlt.

Bergewdorfer Zeitung, 12. Juni 1924

BZ, 24. Juni 1924

Andere suchten Vertreter für sensationelle Neuheiten oder schrieben das zumindest in die Annonce, aber man musste schon Geld mitbringen, um einsteigen zu können; die Größe des Gebiets des Alleinvertriebs hing vermutlich von der Höhe des eingebrachten Vermögens ab. Vergleichsweise konkret die Angaben in einer Chiffre-Anzeige, die direkt bei der BZ aufgegeben worden war – zudem erweckte das Inserat durch die räumliche Begrenzung den Eindruck, dass die Lizenz für andere Regionen schon verkauft worden war, und außerdem sollte es Besichtigung und Vorführung des Produkts in Bergedorf geben (vermutlich kostete das aber Eintritt).

BZ, 14. Juni 1924

BZ, 26. Juni 1924

Wer aber nur sein Geld zur Verfügung stellen wollte, konnte als stiller Teilhaber von einer Erfindung mit Weltbedeutung profitieren und brauchte ansonsten nichts zu tun – das war eventuell ein Gegensatz zu dem „Direktorposten“, der besetzt werden sollte, notfalls auch ohne Kapital. Vielleicht wurde nur ein ehrenamtlicher Frühstücksdirektor gesucht.

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Mysterienspiele in Bergedorf

Bergedorfer Zeitung, 4. Juni 1924

Schon vor den Aufführungen der Haaß-Berkow-Spiele hatte die Bergedorfer Zeitung nur höchstes Lob für Gottfried Haaß-Berkow, „den eigentlichen Wiedererwecker der mittelalterlichen Volksspiele“, und seine Schauspieler, eine „auserwählte Schar von Jünglingen und Mädchen“ (BZ vom 2. Juni), und laut der begeisterten Theaterkritik wurden die Erwartungen in jeder Hinsicht erfüllt.

Man will dem BZ-Redakteur und Kritiker ja gar nicht unterstellen, dass er die Aufführung von Schröers „Spiel vom Sündenfall“ und Haaß-Berkows „Totentanz“ gar nicht miterlebt hat, aber die Präzision der theaterkundlichen Ausführungen und die Recherchetiefe legen die Vermutung nahe, dass er auf eine desbezügliche Darlegung aus dem Haaß-Berkow-Umkreis zurückgegriffen hat.

Bei der ersten der drei Aufführungen war der große Saal des Colosseums „gutbesetzt“,  beim dritten Abend („Das Zehn-Jungfrauen-Spiel“) lauschte „eine große Gemeinde“ – nur am Abend der Goethe-Spiele („Die Geschwister“ und „Die Laune des Verliebten“) „hätten [es] viel mehr sein müssen“, doch da gab es eine Konkurrenzveranstaltung in der Stadtschulaula: ein Liederabend zugunsten der Städtischen und Privaten Nothilfe(n) verzeichnete einen „überaus schlechten Besuch“ (BZ vom 5. und 6. Juni).

Die angegebenen Texte der Volksspiele sind in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg vorhanden.

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Klotzen statt kleckern beim Wohnungsbau?

Bergedorfer Zeitung, 17. Mai 1924

Klotzen beim Wohnungsbau, nicht kleckern – das war die Devise der neuen bürgerlich-rechten Mehrheit in Bergedorfs Stadtvertretung. Mindestens 58 Neubauwohnungen sollten die Not lindern, dafür seien un- und schlecht gepflasterte Straßen hinzunehmen. Die SPD lehnte dies ab: bei den Straßen dürfe nicht gekürzt werden, es müssten noch viel mehr Straßen gepflastert werden, und für die Finanzierung des Wohnungsbaus müsse man „von den Besitzenden Opfer“ verlangen (BZ vom 17. Mai).

Aber erst eine gute Woche später wurde zur Mittelverwendung Beschluss gefasst – und auf einmal waren alle, von weit rechts bis weit links, dafür, bei den Straßen zu sparen und das so verfügbare Geld, insgesamt 377.000 Mark, in den Neubau von Wohnungen zu stecken (BZ vom 28. Mai).

Bergedorfer Zeitung, 25. Juni 1924

Endgültig war dieser Beschluss aber nicht, denn der Rat der Stadt konstatierte, dass der Haushalt nicht ausgeglichen war, und so schlug er eine Herabsetzung des Wohnungsbautitels auf 250.000 Mark vor (BZ vom 25. Juni). Das akzeptierte die Stadtvertretung in der Sitzung am 27. Juni, nachdem ein SPD-Antrag auf weitere Herabsetzung der Position „Neubau von Wohnungen“ um 30.000 Mark abgelehnt worden war (BZ vom 28. Juni).

BZ, 11. Juni 1924

Bergedorfer Zeitung, 2. Juli 1924

Zu diesem Zeitpunkt war die Ausschreibung der Baumaßnahmen längst erfolgt, quasi im vorauseilenden Gehorsam des städtischen Bauamts, das damit aber konkrete Preisangaben erhielt. So konnte der Rat konkrete Festlegungen treffen: 36 Wohnungen für insgesamt 215.000 Mark sollten entstehen – die Ausgaben sollten also erneut gekürzt werden, vom beabsichtigten „Klotzen“ blieben nur „Klötzchen“.

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Die neue Straße in Ochsenwärder

Bergedorfer Zeitung, 2. Juni 1924

Große Hoffnungen verband man in Hamburg mit dem Bau dieser Straße, die eine weitere Nord-Süd-Verbindung in Ochsenwärder schaffen sollte: an ihr sollten sich Gemüsebauern ansiedeln, die ihre Produkte dann per Marschbahn nach Hamburg schicken würden.  Die Hoffnungen wurden größtenteils enttäuscht: noch heute gibt es kaum Anlieger an der 2.450 Meter langen Straße, in Teilbereichen immerhin Gartenbau. Der Bahnhof war zwar ab Mitte Juni 1924 gut erreichbar, aber der Bahnbetrieb war 1923 eingestellt worden (siehe den Beitrag zur Stilllegung). Als er im August 1924 wiederaufgenommen wurde (BZ vom 8. August 1924), gab es immer noch keine direkte Anbindung an Hamburg; alle Bahn-Beförderung von Personen und Gütern musste den Umweg über Bergedorf nehmen.

Die neue Straße hatte eine Pflasterung erhalten, aber die war nur drei Meter breit (BZ vom 27. Mai 1924). Wenn sich also zwei Fuhrwerke oder Lastkraftwagen begegneten, war ein Ausweichen auf den unbefestigten „Sommerweg“ neben der Fahrbahn unumgänglich, was bei aufgeweichtem Boden zu Problemen geführt haben dürfte. Die Baukosten waren übrigens von geplanten 980.000 Mark (im Sommer 1919, siehe Senatsantrag vom 22. August 1919, S. 521-525) über zusätzliche 127 Millionen Mark (BZ vom 12. März 1923) und weitere 68 Billionen Mark (BZ vom 18. Oktober 1923) gestiegen – die neuesten Nachforderungen waren da deutlich geringer, aber eben in Goldmark berechnet.

Bergedorfer Zeitung, 2. Oktober 1924

Als die neue Verbindung offiziell den Namen „Oortkatenweg“ erhielt (BZ vom 29. September 1924), war nicht jeder glücklich über die Schreibweise: vermutlich war es eine Zuschrift aus Ochsenwärder, die die BZ hier wiedergab, aber so eindeutig war und ist die Sache nicht, wie ein Blick ins Hamburgische Wörterbuch zeigt: das Doppel-O war durchaus gebräuchlich, und die Schreibweise mit Oo- ist auch heute u.a. in den Bezeichnungen von Bushaltestellen, Campingplätzen, Baggersee und des (wieder stillgelegten) Bahnhofs zu finden. Das Gasthaus „Zum Ortkathen“ fiel dem Hochwasserschutz zum Opfer (BZ vom 14. September 2015).

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Der Himmel über Bergedorf und der Luftverkehr

Bergedorfer Zeitung, 23. Mai 1924

Zur Beruhigung vorweg: Menschen kamen bei diesem Flugzeugabsturz nicht zu Schaden, nur ein Acker und ein Flugzeug. Der Unglücksort lag wenige hundert Meter hinter Bergedorfs Grenze zu Wentorf, nahe der Wentorfer Mühle von H. Manow (Bilder der Mühle zeigt die Präsentation 800 Jahre Wentorf. Geschichte im Überblick).

Ob es eine Maschine der Lloyd-Luftverkehr Sablatnig GmbH war (wie die BZ schrieb) oder eine der Nachfolgerfluglinie Deutsche Aero Lloyd AG, sei dahingestellt – Josef Sablatnig jedenfalls war ein österreichischer Luftfahrtpionier, wie bei der Universität Graz und Wikipedia nachzulesen ist.

Nähere Informationen über das bruchgelandete Flugzeug mit dem Luftfahrtkennzeichen „D 70“ konnten online nicht gefunden werden, und so bleibt offen, ob es repariert wurde.

Monate später sollte es dann ein geplantes Luftfahrt-Ereignis am Bergedorfer Himmel geben:

Bergedorfer Zeitung, 26. August 1924

Bergedorfer Zeitung, 29. August 1924

Man muss aber davon ausgehen, dass das Spektakel nicht stattfand, denn am Tage nach dem geplanten Fallschirmsprung meldete die BZ lediglich das Ergebnis des Fußballspiels (1:1, BZ vom 1. September) und auch an den folgenden Tagen war kein Bericht dazu zu finden, nicht einmal über die Zahl der vergebens Erschienenen.

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Die Landwirtschaftsausstellung und die Hamburger Universität

Haupteingang zur landwirtschaftlichen Ausstellung in Hamburg 1924 (Ansichtskarte)

Bergedorfer Zeitung, 24. Mai 1924

Unter den geschätzt 500.000 Besuchern der 30. Wanderausstellung der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft in Hamburg dürfte eine erkleckliche Zahl aus den Vierlanden und den Marschlanden gewesen sein, denn dort waren Landwirtschaft und Gemüsebau immer noch die Haupterwerbszweige. Die Verkehrsunternehmen waren jedenfalls auf einen Besucheransturm aus der ländlichen Nachbarschaft eingestellt: auf der Elbe fuhren die Lauenburger Dampfer und die „Fortuna II“ der Oberelbeschen Dampfschiffahrt-Gesellschaft eGmbH Sondertouren, und die Bergedorf-Geesthachter Eisenbahn sorgte durch zusätzliche Spätzüge ab Bergedorf nach Geesthacht und Zollenspieker dafür, dass die Menschen wieder nach Hause kamen (BZ vom 24. und 26. Mai). Die zu Hause Gebliebenen konnten sich mittels der ausführlichen BZ-Berichte zwischen dem 23. Mai und dem 2. Juni informieren.

Im Postamt (siehe Geländeplan und Text in der BZ vom 24. Mai, S. 9) auf dem Ausstellungsgelände gab es einen Sonderstempel, Pferde wurden bei Reit-, Fahr- und Springturnieren präsentiert und ggf. prämiert, der Hamburger Senat stiftete Preismedaillen, Kongresse wurden durchgeführt, Vorträge gehalten, ein „Dorfkino“ zeigte Filme zur Agrarwirtschaft, und natürlich gab es Möglichkeiten, sich mit Flüssigem und Festem zu stärken.

Bergedorfer Zeitung, 31. Mai 1924

Sogar die Universität Hamburg gehörte zu den Ausstellern – sie hatte damals einen Studiengang Landwirtschaft, dessen Prüfungsordnung zwei Wochen nach Ende der Messe veröffentlicht wurde (laut BZ vom 14. Juni). Ebenfalls im „Hamburger Haus“ war u.a. die Gemüseausstellung des Hamburger Landgebiets zu finden – ob Gemüsebauvereine des Landgebiets für ihre präsentierten Pflanzen und Waren ausgezeichnet wurden, war der BZ nicht zu entnehmen. Anders beim Pferdezuchtverein der Hamburger Marschen: er erhielt für seine vorgeführten Tiere drei Preise und eine förmliche Anerkennung (BZ vom 28. Mai).

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