Das Kircheninnere und der Zeitgeschmack

Bergedorfer Zeitung, 31. Juli 1925

Banausen? Berserker? Bilderstürmer? Wer war um 1890 herum im Innenraum der Bergedorfer Kirche St. Petri und Pauli so zu Werke gegangen, hatte Grabgewölbe zugeschüttet und „eine Anzahl farbiger Bilder mit alt- und neutestamentlichen Darstellungen von den Emporen entfernt“, nur weil die Gemälde nicht zur neuen Ausmalung der Kirche passten, sodass sie wegen ihrer Wertlosigkeit entsorgt werden konnten?

Nun – die von der BZ angeführte Renovierung um 1890 ließ sich nicht nachweisen; sie wird auch in dem umfangreichen Sammelband Olaf Matthes (Hg.), Kirche zwischen Dorf und Stadt (2002) nicht genannt, aber vielleicht ist nur die Jahresangabe falsch.

Umfangreichere Arbeiten im Kircheninneren hatte es Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts gegeben; 1880, 1897, 1910 und nun auch 1925, und manches war eher Umgestaltung im Geschmack der Zeit als eine schlichte Auffrischung, insbesondere in der Ausmalung: laut Pastor Behrmann (1921) (S. 45ff.) wurde 1880 eine „große Anzahl alter biblischer Darstellungen entfernt“, die Emporen wurden „nach Zeichnungen des Malers [Gustaf] Dorén mit nichts weniger als ansprechender Schablonenmalerei versehen.“ Ein Stückchen dieser Malerei Doréns sieht man auf einem Foto Wilhelm Weimars von 1906 – es zeigt „Jugendstil- und ägyptisierende Muster“ oberhalb der Kanzel (wiedergegeben in: Matthes (Hg.), S. 23). Behrmann war hocherfreut, dass in seiner Amtszeit als Pastor (seit 1911) die „geschmacklose Ornamentik“ Doréns beseitigt wurde; ihr folgte (1925/26) das Konzept Guido Maschkes, das laut Behrmann (1929) einen „überaus anheimelnden Eindruck“ schuf. Doch was Behrmann als „fein abgetönte Farbengebung“ bezeichnete, bemäkelte Jürgen Rabe, einer seiner Amtsnachfolger: „Die durchgehende Farbe war ein graugrüner Ton, wie in vielen anderen Hamburger Kirchen auch.“ (in Matthes: (Hg.), S. 114). Rabe freute sich dann über die 1956 begonnenen Renovierungsarbeiten des Innenraums – wiederum mit neuem Farbkonzept.

Bergedorfer Zeitung, 18. Mai 1897

Laut Behrmann war eine Reihe der (farbigen) Emporen-Bilder aus dem 17. Jahrhundert bereits 1897 zurückgekehrt (so auch in der BZ am 18. Mai 1897 zu lesen), wenn auch in einer „willkürlichen Anordnung“. Bei ihrer Entfernung 1880 hatte man hinter ihnen zwölf Holztafelbilder aus dem 16. Jahrhundert entdeckt (laut BZ geschah dies 1897). Von diesen war der Geistliche wenig begeistert und nannte sie abwertend eine „Anzahl … grau in grau gemalter Bildnisse“, die von heutigen Sachverständigen wie Charlotte Klack-Eitzen als Grisaille-Malerei wertgeschätzt werden (in: Matthes (Hg.), S. 132 ff.). Diese zwölf sind in der Sammlung des Museums für Bergedorf und die Vierlande untergekommen – weggeworfen wurde also keins.

Abbildungen des Kircheninneren finden sich in den genannten Büchern und auf der Internetseite von St. Petri und Pauli.

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