Die rätselhafte Eisenbahn

Ein Zug verlässt den Hamburger Hauptbahnhof um 7 Uhr und 28 Minuten, um nach mehreren Zwischenstopps vom Bergedorfer Staatsbahnhof um 8 Uhr und 16 Minuten Richtung Berlin abzudampfen, wo er (nach weiteren Zwischenhalten) um 7 Uhr und 21 Minuten eintrifft (laut Fahrplan). Rätselfrage: wie lange ist der Zug unterwegs: -7 Minuten oder 11 Stunden 53 Minuten?

Die Antwort ist klar, da schon vor hundert Jahren die Bahn an die Gesetze der Physik und der Zeit gebunden war: in den knapp 12 Stunden in diesem Zug konnte der Fahrgast viele, viele Bahnhöfe in Ruhe betrachten. (Die Fahrplanangaben sind im Beitrag Der ausgedünnte Bahnverkehr zu finden.)

Bergedorfer Zeitung, 25. Februar 1925

1925 gab es Bestrebungen, die Zeitrechnung (vom zweimal-12-Stunden-Tag) auf den 24-Stunden-Tag umzustellen: der obige Beispielzug stünde dann mit den Angaben 07:28 – 08:16 – 19:21 Uhr im Plan, doch dagegen regte sich Widerstand, auch von „Organisationen des Verkehrslebens“, die glaubten, dass bei Unklarheiten die Angabe von „V“ für Vormittag (heute: 00:00 bis 12:00 Uhr) und „N“ für Nachmittag (12:00 bis 24:00 Uhr) ausreiche, so wie die Post damals Briefe und Postkarten mit solchen Zeitangaben stempelte. Die Reichsbahn hingegen befürwortete die neue Zählweise, denn diese galt bereits in einer Reihe von Nachbarländern.

Ab dem 15. Mai 1927 praktizierte die Reichsbahn dann den 24-Stunden-Tag. Die Zifferblätter der Uhren blieben aber bei der sogenannten „Kleinen Uhr“ mit 12-Stunden-Anzeige und zwei Umdrehungen in 24 Stunden – das war technisch einfacher als die Umstellung der Uhrenbauweise auf die „Große Uhr“ mit einer 24-Stunden-Anzeige.

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Volkstrauertag oder Heldengedenktag?

Bergedorfer Zeitung, 26. Februar 1925

Sollte die Veranstaltung „zum Gedächtnis unserer gefallenen Helden“ sein, wie Bergedorfs Militärvereine sagten – oder ein „Allgemeiner Volkstrauertag“, so der Kirchenvorstand zu Sande – oder etwa eine „Heldengedenkfeier am Nationaltrauertag“, wie mehrere rechtsgerichtete Organisationen sie bezeichneten? Der Streit um das Gedenken dauerte fort, mit neuen Nuancierungen.

Zum ersten Male sollte im ganzen Deutschen Reich an ein- und demselben Tag, dem 1. März 1925, ein Volkstrauertag begangen werden, bei dessen Vorbereitung der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge die Federführung innehatte (BZ vom 17. und 22. Januar). Die Kirchen beteiligten sich wie in Sande und sammelten Geld zugunsten der Hinterbliebenen und der Kriegsgräberfürsorge, aber diesem Fokus und dieser Form des Gedenkens wollten sich rechtsgerichtete Vereine wie der Stahlhelm und Jung-Bergedorf nicht anschließen: sie riefen zur gleichen Stunde zu einer Heldengedenkfeier auf, bei der es primär um die Verehrung von Vorbildern ging, wie der Bericht der BZ zeigt (BZ vom 2. März 1925).

Nebenbei bemerkt: wie Mitglieder des Bergedorfer Offiziervereins, die auch einem Militärverein angehörten, das Dilemma der gleichzeitigen Veranstaltungen lösten, ist unbekannt.

Der Hamburger Senat unterstützte den Volkstrauertag durch die Anweisung, dass öffentliche Gebäude halbmast zu flaggen hätten. Er konnte sich aber „aus wirtschaftlichen Gründen“ nicht dazu durchringen, Lustbarkeiten für den 1. März zu untersagen (BZ vom 24. Februar), und so fanden in Bergedorf mehrere Tanzveranstaltungen, ein Kegelsportwerbetag sowie Filmvorführungen statt (Anzeigen in der BZ vom 27. Februar).

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Baumfrevel oder Baumpflege?

Bergedorfer Zeitung, 18. Februar 1925

Ein Bergedorfer ließ seiner Empörung im „Sprechsaal“ der BZ freien Lauf: die Bäume in der Wentorfer Straße würden nicht ausgelichtet, sondern durch unqualifizierte Arbeiter, die an den Bäumen herumsägten, geradezu „verstümmelt“.

Die Stadt verkaufte das abgeschnittene Holz „gegen sofortige Bezahlung und Abfuhr“ (Anzeige in der BZ vom 3. Januar 1925); sie hatte also durchaus ein Interesse an der Gewinnung größerer Holzmengen – aber konnte das ein solches Baumsägenmassaker rechtfertigen?

Bergedorfer Zeitung, 19. Februar 1925

Nichts als Nörgelei sei diese Kritik, replizierte bereits am nächsten Tag „ein Fachmann“: von Misshandlung könne keine Rede sein, es handle sich um notwendige Arbeiten zur Rettung der zuvor unfachmännisch bearbeiteten Bäume – jetzt sei ein „erfahrener und tüchtiger Gärtner“ tätig. Ins selbe Horn stießen auch andere Leserbriefschreiber: wegen der großen Bäume säßen die Anwohner im Sommer „am hellen Tage in tiefster Dämmerung“ (ebenfalls BZ vom 19. Februar), ein anderer äußerte sich recht radikal: „Runter mit den Bäumen, Sonne ins Haus.“ Die Hälfte aller Straßenbäume solle gefällt werden (BZ vom 20. Februar).

Ähnlich kontrovers wurde in Kirchwärder diskutiert: das alte Pastorat war abgebrochen und durch einen Neubau ersetzt worden; die alten Bäume wurden bearbeitet – nach Meinung des Kirchenvorstehers Julius Putfarken hatte man dort die Kastanien zwecks beabsichtigter Abtötung „geköpft“ (BZ vom 7. Februar), nach Ansicht von Pastor Grau war das Ziel, die Kastanien „mit den Jahren pyramidenförmig“ zu ziehen, also die Bäume zu erhalten. (BZ vom 10. Februar).

Bergedorfer Zeitung, 16. Februar 1925

Zu den Kirchwärder Pastoratsbäumen druckte die BZ binnen elf Tagen (7. bis 17. Februar) insgesamt acht Sprechsaal-Einsendungen. Bestechen ließ die Zeitung sich in dieser Sache nicht, wie die nebenstehende Notiz zu einem der Leserbriefe zeigt.

 

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Bergedorfs Feuerwehr mit Dampfspritze, ohne Heulsirene

Bergedorfer Zeitung, 13. Februar 1925

„Spätes“ Eintreffen der Dampfspritze am Brandort, „unvollkommene“ Alarmierung der Feuerwehr – es lässt sich nicht klären, ob diese in der Hauptversammlung des Bergedorfer Bürgervereins vorgebrachte Kritik berechtigt war – sicher ist aber, dass mit dem Feuerlöschwesen in Bergedorf Probleme gab, was auch aus einem weiteren Brand-Bericht hervorgeht aus dem Sommer hervorgeht (BZ vom 23. Juli).

 

Bergedorfer Zeitung, 31. Januar 1925

BZ, 31. Januar 1925

Die Alarmierung der Feuerwehrmänner erfolgte damals per Dampfpfeife, die vielleicht mit Dampfpfeifen von Lokomotiven oder Fabriken verwechselt oder vom gewachsenen (Verkehrs-)Lärm übertönt wurde. Nun also die Forderung nach einer „Heulsirene“ mit größerer Reichweite – eine solche war kürzlich in Sande getestet (BZ vom 31. Januar) und vielleicht ja sogar schon angeschafft worden. Mindestens ebenso wichtig war moderne Spritzentechnik: die vorhandene tragbare Handspritze war wenig leistungsfähig; Dampfmaschinen müssen erst aufgeheizt und auf Betriebsdruck gebracht werden – eine Motorspritze war sehr viel schneller einsatzbereit, wie die in mehreren Vier- und Marschländer Gemeinden vorhandenen Spritzen zeigten. Die Schnelligkeit des Einsatzes hing aber auch davon ab, dass die benötigten Zugpferde zur Verfügung standen (BZ vom 2. April) – bis zur „Automobilspritze“ blieb man auf Handzug und Vierbeiner angewiesen.

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Gerstenkaffee und der Hund im Ladengeschäft

Bergedorfer Zeitung, 7. Februar 1925

Wer ein neues Produkt etablieren will, muss dafür Werbung treiben, besonders dann, wenn es schon sehr ähnliche Produkte gibt. Nach dieser Devise ließ der Hersteller des Gerstenkaffees „Aguma“ seit Ende 1924 in dichter Folge Anzeigen in die BZ setzen, fast immer mit einem Bild und einem gereimten Vierzeiler, im niederdeutschen Sprachgebiet sogar in einer Art Plattdeutsch. Preiswert und gut sei Aguma, meinte Frau Groth in der Schlusszeile des Verses, und in der Tat war die Differenz zu Bohnenkaffee beachtlich: Java-Bohnenkaffee kostete 3,50 M das Pfund, was in der Preisspanne für Bohnenkaffee-Sorten von Kaiser’s Kaffee und Walter Kehls Kaffeegroßhandlung lag (Anzeigen in der BZ vom 4. Februar und 7. März). Für Aguma hingegen waren nur 50 Pfg pro Pfund zu zahlen (Anzeige vom 18. Februar: „fief Groschen kost‘ dat Paket“).

Ein anderer Gerstenkaffee war Kathreiners Malzkaffee, der ebenfalls 50 Pfg pro Pfund kostete (Anzeige vom 7. März). In einem Aufsatz von Uwe Spiekermann über Ersatzkaffees, insbesondere Quieta, fand ich den Hinweis auf einen Aufsatz in der Pharmazeutischen Zentralhalle, Jg. 64 (1923) Heft 48, S. 477-480: Wilhelm Meyer, Aguma-Gerstenkaffee und andere Kaffee-Ersatzstoffe (Ein Vergleich): demnach erhielt Aguma für den Geruch mit „sehr angenehm aromatisch“ die Bestnote, doch für alle Produkte galt: „Kaffeearoma äußerte sich nicht.“

Bergedorfer Zeitung, 4. Februar 1925

Die BZ druckte diese Aguma-Anzeige, obwohl die abgebildete Szene den Verstoß gegen ein polizeiliches Verbot zeigte: Hunde durften nicht in Kolonialwarenläden mitgebracht werden. Nicht recherchiert wurde, seit wann dies galt und ob sich die Katze dort legal aufhielt, z.B. zwecks Mäusefangs, und ob Katzen vom Betreten von Milchgeschäften ausgeschlossen waren.

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Die neuen Bahnuniformen: ohne Achselstücke und Degen

Bergedorfer Zeitung, 3. Februar 1925

Bergedorfer Zeitung, 6. Februar 1925

 

 

 

 

 

 

 

Die neuen (reichsweit einheitlichen) Uniformen der Eisenbahnbeamten waren schlichter gestaltet als ihre Vorgänger, denn „Achselstücke, Dienstauszeichungsschnüre, Degen usw.“ gab es nicht mehr, wohl aber eine Fülle von „Dienstzweigabzeichen“. Ob eine einheitliche äußere Kennzeichnung der offiziell auskunftserteilungsberechtigten Bahnmitarbeiter geholfen hätte, die Klagen über Defizite im Auskunftswesen „zum Verstummen zu bringen“, ist durchaus fraglich.

Bergedorfer Zeitung, 30. Dezember 1924

Kurz vor der neuen Dienstkleidung bei der Reichsbahn waren schon neue Dienstbezeichnungen eingeführt worden. Der hierarchisch Höherstehende hatte meist ein „ober“ in seinem Titel, aber warum dieses „ober“ mal in die Bezeichnung eingefügt wurde („Triebwagenoberschaffner“) und mal vorangestellt („Obertriebwagenführer“) wurde in der BZ nicht erläutert. Pensionierte Bahner aller Ränge erhielten übrigens das Recht, ihre frühere Amtsbezeichnung mit dem Zusatz „a.D.“ weiterzuführen (BZ vom 3. März).

BZ, 16. Januar 1925

Ob das auch auf die Ehefrau übertragen werden durfte und Frau Stüwe aus Lauenburg damit ggf. zur „Frau Oberweichenwärterin a.D.“ avancierte, wurde nicht recherchiert.

Abbildungen der damals neuen Uniformen wurden online nicht gefunden; die Print-Publikation Hartmut Schöttge, Eisenbahneruniformen der Deutschen Reichsbahn 1924 bis 1934, Delitzsch 2007, 26 S., wurde nicht eingesehen.

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Das Rauchen im Konzertsaal und anderswo

Bergedorfer Zeitung, 23. Januar 1925

Man weiß ja nie, ob Dorfbewohner sich angemessen benehmen können – deshalb wollte der Bergedorf-Sander Volkschor die Benimmregeln für sein Konzert in Zollenspieker schon im Vorfeld klarstellen: während des Konzerts sollte es keinen Getränkenachschub geben und: während des Konzerts durfte nicht geraucht werden. (Ob beides auch für eventuelle Konzertpausen galt, ist nicht bekannt.) Den nicht überragenden Besuch führte der BZ-Bericht allerdings auf „das herrschende schlechte Wetter“ (BZ vom 9. Februar) zurück und nicht auf einen Boykott durch Raucher und Trinker.

Seine weiteren Konzerte gab der Volkschor 1925 unter freiem Himmel bzw. in der Aula der Stadtschulen – und in Schulräumen durfte generell nicht geraucht werden, auch nicht im Zuhörerraum eines Gerichtssaals (BZ vom 28. März und 5. Juni). Das Rauchen im Walde war gleichfalls verboten, woran die Gemeinde Sande nach einem Feuer in den Tannen per Bekanntmachung erinnerte (BZ vom 19.Mai).

Ansonsten wurde das Tabakrauchen weitgehend toleriert, doch wurde es nicht mehr so positiv gesehen wie während des Weltkriegs (siehe den Beitrag zum Tabaktag). Die Berliner Ärztin Dr. Cordes stellte in einem Namensartikel über „Die Frau und das Rauchen“ fest, dass vierzig Jahre zuvor das Rauchen der Frau als „durchaus emanzipiert und unschicklich galt“, aber nun würde es „keinem noch so auf den Ruf achtenden Lokal … auffallen, deswegen eine Dame, wie einst, hinauszuweisen.“ (BZ vom 15. August)

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Pierrot und Pierrette: Die Maskenfeste

Bergedorfer Zeitung, 17. Januar 1925

BZ, 17. Januar 1925

Nicht nur die Ballsaison startete, sondern auch die Zeit der Maskenfeste, daneben der Bockbierfeste, wie sich aus einer Durchsicht des Anzeigenteils der Bergedorfer Zeitung vom Januar und Februar 1925 ergibt.

Die Veranstalter von Maskeraden waren fast ausschließlich Vereine, neben Unterhaltungs- sind hier Sport- und Gesangvereine zu nennen. In aller Regel waren die Feste (nach Zahlung des Eintrittsgelds) öffentlich zugänglich, doch manche Vereine beschränkten die Gäste auf solche, die durch Mitglieder „eingeführt“ wurden.

Wer teilnehmen wollte, musste „maskiert“ erscheinen – ob damit nur das Tragen einer Art Karnevalsmaske gemeint war oder eine Kostümierung, lässt sich hier nicht klären: der Sander Gesangverein Holsatia ließ „nur kostümierte Masken“ zu (BZ vom 6. Februar); die Bergedorfer Liedertafel stellte für ihre „Schwarz-Weiss-Redoute“ besondere Anforderungen: man hatte Zutritt nur in schwarz-weißem Kostüm oder entsprechender Abend- bzw. Gesellschaftskleidung (BZ vom 19. Januar).

BZ, 17. Januar 1925

BZ, 19. Januar 1925

Kostüme, ob Pierrette oder Damen-Pierrot oder andere (z.B. „Rote Teufelin“, BZ vom 26. Januar, „Sonnenblume“, BZ vom 16. Januar), konnten ansonsten gemietet werden, wie diverse Kleinanzeigen aus jenen Tagen belegen.

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Bergedorf, die Bahn und das Telefon

BZ, 9. Januar 1925

Bergedorfer Zeitung, 26. Mai 1925

Knappe Güter haben ihren Preis – das galt 1925 zum Beispiel für Telefonanschlüsse: man konnte einen nicht benötigten Anschluss verkaufen, und wer ein „Kontor“, also ein Büro, zu vermieten hatte, konnte für die Übernahme des Fernsprechers eine Abstandszahlung verlangen, sogar Telephon-Apparate (z.B. für Nebenanschlüsse) wurden auf dem freien Markt gehandelt (BZ vom 22. Mai 1925). Die simple Forderung der Wirtschaftlichen Vereinigung Bergedorf an die Reichsbahn, im Bergedorfer Staatsbahnhof ein öffentliches Telefon einzurichten (BZ vom 5. Januar 1925), blieb offenbar vorerst unerfüllt.

Bergedorfer Zeitung, 30. Januar 1925

Die Reichsbahn war aber kein Gegner des Telefonierens schlechthin: sie wollte 1925 sogar die Zugtelefonie einführen: die Schnellzüge auf den Hauptlinien sollten eine „Fernsprechzelle“ mit Sitz- und Schreibgelegenheit erhalten und der Apparat über Funk mit dem Telefonnetz verbunden werden (BZ vom 27. Februar 1925). Die angestellten Versuche auch aus dem fahrenden Zug heraus verliefen positiv, und schon im Sommer sollte auf der Strecke Hamburg – Berlin der Regelbetrieb aufgenommen werden (BZ vom 10. März 1925).

Bergedorfer Zeitung, 17. August 1925

So schnell ging es dann doch nicht – bei der Erstvorführung in einem Sonderzug mit Ehrengästen erwiesen sich die Fahrtgeräusche als sehr störend. Aber ohne Bergedorf wäre gar nichts gegangen: die Stadt wurde Standort einer der Zugvermittlungsstellen.

Am 7. Januar 1926 war es dann wirklich soweit, wie es auf der (illustrierten) privaten Seite eines Sammlers und bei Wikipedia heißt. Auf die Fernsprechzelle im Bahnhof mussten die Bergedorfer jedenfalls länger warten.

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Die langlebige Deichordnung Bergedorfs

Bergedorfer Zeitung, 3. Januar 1925

Ausgerechnet zum 200. Jubiläum der Bergedorfer Deichordnung wurde die Forderung laut, die Vorschrift „den veränderten rechtlichen und praktischen Verhältnissen“ anzupassen. Sie war 1725 nach größeren Hochwasserproblemen erlassen worden und galt seitdem unverändert. Sie bezog sich auf zwei Deiche am Schleusengraben, den westlich gelegenen Kampdeich und den östlich gelegenen Treideldeich – beide sind auf der Karte 1904 bezeichnet. Auf den heute verbliebenen Rest des Kampdeichs wurde bereits im Beitrag Die Deiche und das Wasser hingewiesen; vom Treideldeich ist nicht einmal die Bezeichnung als Verkehrsfläche bzw. Hochwasserschutzanlage geblieben.

Für das Verlangen nach einer Revision der Bergedorfer Deichordnung kann man durchaus Verständnis haben: als sie in Kraft trat, war Bergedorf noch beiderstädtischer Besitz, die Aufteilung des bergedorfischen Kamps an die alteingesessenen „46er“ war noch nicht erfolgt (siehe hierzu Geerd Dahms, Bergedorf. Altes neu entdeckt, S. 54ff.), und die dort erfolgte Industrialisierung in ferner Zukunft (siehe den Beitrag zum Kamp).

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts hatte die Industrie das Vieh vom Kamp verdrängt, und vor allem nach dem Ende des (Ersten) Weltkriegs nahm der Verkehr immens zu, was die im wesentlichen unveränderten Deiche aus dem 18. Jahrhundert überforderte: die schnelleren und schwereren Lastkraftwagen beschädigten die Deichkronen, und die Schiffschrauben der Schlepper auf dem Schleusengraben gefährdeten die Stabilität der Deichböschungen.

Angesichts dieser Lage beantragte der Stadtvertreter Rümcker, die Stadt solle die Unterhaltspflicht für den Kampdeich übernehmen. Das war sicher nicht ganz selbstlos: seine Stuhlrohrfabrik (Rümcker & Ude) lag zwischen Weidenbaumsweg und Kampdeich …

Bergedorfer Zeitung, 27. Januar 1925

Parallelität der Ereignisse: die Landherrenschaft arbeitete schon an einer neuen Deichordnung – vielleicht wurde Rümckers Antrag deshalb mit knapper Mehrheit abgelehnt (BZ vom 31. Januar 1925).

Aus Hamburger Sicht war die Deichordnung offenbar nicht dringend – man setzte dort andere Prioritäten und musste am Jahresende einräumen, dass das Vorhaben „wegen Arbeitsüberbürdung“ (BZ vom 21. Dezember 1925) noch nicht abgeschlossen war, und auch Jahre später war die alte Vorschrift noch in Kraft (siehe z.B. BZ vom 29. Mai 1931).

Die Deichordnung von 1725 ist online zugänglich, ebenso eine Schilderung der Probleme an den Bergedorfer Binnendeichen vor 1725 bis 1772: beides findet man in der Sammlung der hamburgischen Gesetze und Verfassungen … samt historischen Einleitungen. Der Eilfte Theil (S. 286-311).

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