Sportliches Bergedorf

Bergedorfer Zeitung, 16. Juni 1923

Endlich hatte auch die BT 60 ihren eigenen Sportplatz – und wie der Marienburgplatz von Spiel und Sport Bergedorf (SSB) lag der Platz nicht in Bergedorf, sondern auf lauenburgischem Gebiet in der Nähe des Selma-Anna-Otto-Heims (heute „Sternwartenpalais“) auf einem Teil der vom Fürsten Bismarck gepachteten Sandwiesen (BZ vom 14. Juni 1923).

Während sich SSB bei seinem Fest auf Leichtathletikwettkämpfe konzentrierte, gab es beim „Gauturnfest“ auf dem neuen Platz der BT 60 Mehrkämpfe, die sowohl turnerische als auch leichtathletische Disziplinen enthielten, wie aus dem Bericht über Ergebnisse hervorgeht (BZ vom 18. Juni 1923).

Bergedorfer Zeitung, 14. Juni 1923

Mit der Einweihung des Bismarckplatzes, bei der auch der damalige Chef des Hauses Bismarck sprach, konnte endlich das Turnfest des Hamburgischen Turngaus nach Bergedorf zurückkehren: über zwanzig Jahre hatte es im Schießtal stattgefunden, das aber wegen der Enge und der abschüssigen Lage „als Turnplatz wenig geeignet war“. Die Höhenlinien auf den Kartenausschnitten des Schießtals machen das nachvollziehbar.

Leider fanden beide Veranstaltungen bei nicht allzu gutem Wetter statt: am Nachmittag gab es Regen, bei der BT 60 wuchs er sich „zu einem Bindfadenregen aus“, sodass die Wettkämpfe abgebrochen werden mussten (BZ vom 18. Juni 1923). Offenbar fing der Geesthang mit dem Bismarckplatz den Niederschlag größtenteils ab, denn auf dem Marienburgplatz in der Billeniederung gab es nur „zeitweilig einsetzenden Regen“, der den Sport nicht beeinträchtigte (BZ vom 19. Juni 1923).

Das frühere Schießtal ist heute als Billtalstadion wieder eine Sportstätte. Der Bismarckplatz wurde aufgegeben – dort befindet sich heute der erweiterte Bergedorfer Friedhof.

Veröffentlicht unter Bergedorf 1923 | Schreib einen Kommentar

Die eiserne Waschfrau

Bergedorfer Zeitung, 18. Juni 1923

Bergedorfer Zeitung, 18. Juni 1923

Über die äußere Gestalt der „eisernen Waschfrau“ war nichts herauszufinden – eine menschliche Waschfrau musste vor hundert Jahren auf jeden Fall einigen Kraftaufwand treiben, um ihre Wäsche von allem Schmutz, Geruch etc. zu befreien. Die hier beworbene Maschine sollte ihr die Arbeit erleichtern: „Die schwächste Frau, ein Kind und jedermann kann damit waschen.“ (Ob mit „jedermann“ eigentlich „jeder Mann“ gemeint war?)

Das Funktionsprinzip der „eisernen Waschfrau“ wurde vermutlich bei der Vorführung in Hitschers Gesellschaftshaus erklärt, aber leider nicht in der BZ – deshalb soll hier auf einen Bericht der Badischen Landes-Zeitung, Mittagsblatt vom 14. Januar 1916 (S. 4), der über das Deutsche Zeitungsportal gefunden wurde, Bezug genommen werden: demnach mussten heißes Wasser und Seifenlauge eingefüllt werden – und nach genau fünf Minuten waren auf wundersame Weise die ebenfalls eingefüllten Textilien rein, und nach dem folgenden Spülen, dem vermutlich ein Wasserwechsel vorausging, waren „alle Wäschestücke … einwandfrei sauber.“ Als Beleg für das materialschonende Verfahren hatte der „Waschmeister“ einen Zwanzigmarkschein der Schmutzwäsche hinzugefügt und ihn am Ende gereinigt und unversehrt dem „überraschten, entwaffneten, begeisterten“ Hausfrauen-Publikum vorgeführt.

Wenn es denn funktionierte – ohne scharfes Waschmittel, ohne Handkontakt mit der Lauge, ohne Bürste, ohne Waschbrett – war dies sicher ein Fortschritt gegenüber den herkömmlichen Verfahren, wie sie vom Bayerischen Rundfunk zusammenfassend geschildert werden. Bis zum Waschvollautomaten des 21. Jahrhunderts war es ein langer Weg.

Veröffentlicht unter Bergedorf 1923 | Schreib einen Kommentar

Das Finanzamt im Kurhaus

Bergedorfer Zeitung, 7. Juni 1923

BZ, 7. Juni 1923

Wegen Umzugs wurde das Finanzamt Bergedorf für den Publikumsverkehr drei Tage lang geschlossen – die Kasse aber nur für zwei Tage, damit die Steuerzahler mit ihren fälligen Ablieferungen nicht allzu lange warten mussten. „Dringliche Passangelegenheiten“ wurden sogar an allen drei Tagen erledigt: wer ins Ausland reisen wollte, brauchte den „Unbedenklichkeitsvermerk“ des Finanzamts, und den bekam nur, wer keine Steuerschulden hatte (BZ vom 10. Juli 1922).

Kurhaus Bergedorf (Ansichtskarte gestempelt 1916) (Sammlung Söhnke Marquardt)

Das neue Domizil war das Kurhaus Bergedorf, wie auch auf dieser Ansichtskarte zu sehen – ob Bergedorfer Witzbolde den Wechsel von Krankenpflege zu Finanzamt mit Bemerkungen über das Schröpfen garnierten, ist nicht überliefert.

Bergedorfs Stadtverwaltung war jedenfalls erleichtert: 1920 war das neugeschaffene Finanzamt Bergedorf in das zweite Obergeschoss des Stadthauses eingezogen (siehe den Beitrag Reichsbehörde sucht Büroräume), doch die stark wachsende kommunale Administration benötigte diese Etage für ihr eigenes Personal, und es drohte die Abwanderung des Finanzamts Richtung Hamburg, „ja sogar nach Altona“ (BZ vom 20. Januar 1923).

Die Kurhaus-Lösung konnte dies verhindern, aber nur unter Bedingungen: Bergedorf musste drei Millionen Mark für Umbaumaßnahmen bereitstellen und sich „zur bevorzugten Unterbringung der Beamten des hiesigen Finanzamts“ verpflichten (BZ vom 17. Januar 1923). Die Hälfte des Geldes holte man sich vom Staat Hamburg zurück (BZ vom 9. April 1923) – die Wohnungsbeschaffung für die Finanzbeamten dürfte Probleme bereitet haben, wie dem Beitrag 22a-23 zu den Wohnungsproblemen zu entnehmen ist.

Über den Verbleib des Amts dürften sich auch die Steuerzahler in den Vierlanden, in Geesthacht und auf dem Ost-Krauel gefreut haben, da ihre Wege zum Finanzamt nur um wenige hundert Meter länger wurden. Ihre Gemeinden brauchten sich an den Kosten nicht zu beteiligen, da ihre finanziellen Schwierigkeiten noch größer waren als die Bergedorfs (BZ vom 9. April 1923).

Über das Kurhaus Bergedorf ist nur wenig bekannt: erstmals tauchte es mit der Angabe „Privat-Krankenpflege“ im Verzeichnis der Fernsprechteilnehmer 1909 auf, dann auch in den Adressbüchern bis 1923. Im Ersten Weltkrieg gab es eine Initiative, in dem Haus ein Lazarett einzurichten, die aber nicht zum Erfolg führte (siehe den Beitrag Kein Lazarett in Bergedorf). Es blieb also bei der allgemeinen Krankenpflege – wann genau und warum sie aufgegeben wurde, war der BZ nicht zu entnehmen.

Veröffentlicht unter Bergedorf 1923 | Schreib einen Kommentar

Der (oder die) Koffer mit Würsten

Bergedorfer Zeitung, 6. Juni 1923

Der Ausflug nach Boberg kam die Einbrecher teuer zu stehen: sie mussten unverrichteter Dinge wieder abziehen und dabei sogar ihren Koffer mit „zahlreichem Einbruchswerkzeug“ und „einigen Leberwürsten“ zurücklassen.

Bergedorfer Zeitung, 7. Juni 1923

Über Einbrecher und Diebe berichtete die BZ fast täglich – am folgenden Tag stand zu lesen, dass bei dem Bergedorfer Schlachter Eberhardt ein Loch in eine Fensterscheibe geschnitten wurde und durch das Loch „mehrere Würste“ aus der Auslage gestohlen wurden.

Bergedorfer Zeitung, 9. Juni 1923

Zwei Tage später wird der Schlachter erleichtert gewesen sein, denn er bekam seine Würste zurück, die ein Sander Polizist in einem Koffer verscheuchter Einbrecher gefunden hatte.

Merkwürdig an diesen Ereignissen ist nur, dass erst über den Wurstfund (in Boberg) und dann über den Wurstdiebstahl (in Bergedorf) berichtet wurde – vielleicht hatte ja das eine nichts mit dem anderen zu tun, vielleicht bestand aber ein Zusammenhang, und die Diebstahlsmeldung war nur in der Redaktion etwas liegengeblieben … letztlich ist es wurscht.

Veröffentlicht unter Bergedorf 1923 | Schreib einen Kommentar

Das Bergedorfer Ehrenmal für die Opfer des Krieges

Bergedorfer Zeitung, 1. Juni 1923

BZ, 1. Juni 1923

BZ, 2. Juni 1923

Es dürfte kein Zufall gewesen sein, dass Bergedorfs Schützen ihr Übungsschießen und die Schwimmer der Bergedorfer Turnerschaft ihre Eröffnung der Schwimmsaison zu genau der Stunde durchführten, in der der Magistrat die Weihe des Ehrenmales der Stadt Bergedorf vornahm, denn das Ehrenmal war umstritten – ein Teil der Vorgeschichte wurde bereits in den Beiträgen Streit um die Gefallenenehrung sowie Ehrenbuch und Baldachin geschildert, deshalb hier nur kurz skizziert: die „alten“ Kräfte wollten die gefallenen Helden ehren, die „neuen“ Stadtväter setzten die Inschrift „Den Opfern“ durch, aber andere wollten gar kein Ehrenmal, worauf am Ende dieses Beitrags eingegangen werden soll.

Ehrenmal auf dem Neuen Friedhof Bergedorf (Foto August 2020)

Relief mit Signatur „Wield“ (Foto August 2020)

 

 

 

 

 

 

 

Mit den Botschaften der Kriegerdenkmäler in Hamburg hat sich Kerstin Klingel detailliert befasst und festgestellt, dass das Bergedorfer Denkmal des Bildhauers Friedrich Wield eine Sonderstellung einnimmt: „Dieses Monument legt … den Fokus auf das Leid und die Trauer der Hinterbliebenen, der Frauen und Kinder, die ihre Toten beweinen und nun ohne sie weiterleben müssen. Hier geht es nicht um Propaganda für einen >heldenhaften Tod fürs Vaterland< oder um einen künstlerischen Widerspruch gegen den Versailler Vertrag: dieses Denkmal ist ein kriegskritisches Monument.“ (S. 59f.)

So interpretierten auch Bergedorfs Militärvereine das Ehrenmal, weshalb sie nicht zur Teilnahme an der Feier aufforderten (im Gegensatz zur Einweihung der kirchlichen Gefallenenehrung 1921), sondern das Ereignis schweigend übergingen. Schützen und Schwimmer gingen noch weiter und ermunterten mit ihren Parallelveranstaltungen zum Fernbleiben.

Auszug aus der Rede Bürgermeister Wiesners, Bergedorfer Zeitung, 4. Juni 1923

Insofern überrascht die Weiherede Bürgermeister Wiesners, der die Ehrung der Gefallenen in den Vordergrund stellte, bevor er auf die Symbolik des Denkmals einging: „Ein gebeugtes Weib trägt furchtbar schwer auf ihrem Rücken unendlich schwere Bürde.“ Zu den Kriegsopfern zählte er nicht nur die Soldaten, sondern auch Frauen und Kinder, doch seine Hoffnung, „dass es gelingen möge, spätere Kriege zu verhindern“, wurde bitter enttäuscht.

Das „unheldische“ Denkmal blieb umstritten. Das Denkmal der Militärvereine kam zwölf Jahre später in abgewandelter Form nach dem Entwurf eines Berliner Bildhauers Dammann doch noch (am Schillerufer) zur Verwirklichung, war „Unseren gefallenen Söhnen 1914 – 1918“ gewidmet und trug auf der Rückseite ein Zitat aus Hitlers „Mein Kampf“ (BZ vom 14. und 17. Juni 1935). Es wurde nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs beseitigt. Das Wieldsche Opfer-Ehrenmal erhielt als zusätzliche Inschrift an den Seiten des Sockels die Jahresangaben beider Kriege.

Die generelle Ablehnung des Ehrenmals kam aus verschiedenen Kreisen. Eine DDP-Versammlung votierte dafür, mit dem Geld auf städtischem Grund ein Heim für Kriegerwitwen zu schaffen (BZ vom 10. November 1921), die KPD forderte ähnlich wie die  Deutsche Friedensgesellschaft die Errichtung einer Kriegsopfer-Stiftung (BZ vom 12. Juli 1922), die Kriegsopferverbände wollten die Mittel zur Unterstützung der betroffenen Familien verwenden (BZ vom 5. September 1921, 20. Juli und 15. August 1922), die Militärvereine bevorzugten das eigene Denkmal und sammelten dafür auch Geld (BZ vom 19. Oktober 1922) – doch dann gelang dem Bürgermeister offenbar ein Meisterstück: er fing zunächst die Opferverbände und dann sogar die Militärvereine ein, wie die Anzeigen belegen:

Bergedorfer Zeitung, 27. Dezember 1922

Bergedorfer Zeitung, 22. Februar 1923

 

 

 

 

 

 

 

Der Erfolg des Aufrufs war nicht allzu groß: 2.336.466 Mark kamen zusammen (BZ vom 23. Mai 1923) – für die Ruhrspende wurde ein Ende April ein Zwischenstand von 7,6 Millionen Mark genannt (BZ vom 26. April 1923), worin aber eventuell Geld aus den Vierlanden enthalten war.

Veröffentlicht unter Bergedorf 1923 | Schreib einen Kommentar

Die Probleme der Kleinbahn BGE

Bergedorfer Zeitung, 31. Mai 1923

BZ, 31. Mai 1923

Es war die sechste Tariferhöhung des Jahres, die die Bergedorf-Geesthachter Eisenbahn hier bekanntgab – es sollte nicht die letzte sein. Aber die Fahrpreise waren nicht das einzige Problem der BGE: um Personal einzusparen, wurden die Schranken an der Holtenklinke aufgehoben.

Vermutlich waren die Schranken (auch an anderen Bahnübergängen in Bergedorf) nach dem Kriegsausbruch 1914 installiert worden. Waren vor dem Krieg 12 bis 14 Zugpaare täglich zwischen Bergedorf und Geesthacht unterwegs gewesen, so stieg der Verkehr rapide an und erreichte mit 69 Zugpaaren das Maximum am Ende des Krieges, wobei in diesen Zahlen die Güterzüge nicht enthalten sind. Wegen der starken Zunahme war die Gesamtstrecke zweigleisig ausgebaut worden, durch Neubau eines Verbindungsgleises konnten in Bergedorf Züge direkt von Hamburg Richtung Pulverfabrik Düneberg und Dynamitwerke Krümmel geführt werden – aber nach Kriegsende ging die Zugfrequenz auf etwa 16 Paare zurück, und dafür meinte man, auf die Schranken an der Holtenklinke verzichten zu können. Das zweite Gleis wurde ebenso zurückgebaut wie das Verbindungsgleis und eine Abzweigung von Besenhorst nach Düneberg-West (siehe hierzu Jürgen Opravil, S. 44-58).

BZ 4. August 1923

Mehrfach wurde der Betrieb wegen Kohlenmangels eingeschränkt und wurden Züge wegen schlechter Auslastung eingestellt (BZ vom 3. Februar, 18. Juni und 3. August), sodass der Fahrplan im Laufe des Jahres immer dünner wurde und die eisenbahnrechtliche Einstufung als Kleinbahn uneingeschränkt zutraf. Auch gab es Vandalismus an den Bahnanlagen (BZ vom 12. Februar), und die Fahrgäste verhielten sich nicht immer vorbildlich: in den Arbeiterzügen zur Marschbahn-Baustelle gab es tätliche Angriffe auf das Bahnpersonal (BZ vom 17. und 18. Mai).

Immerhin konnte für 1922 eine Dividende von fünf Prozent ausgezahlt werden – pro Aktie also 50 Mark (BZ vom 9. Juli; Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung in der BZ vom 27. Juli). Wer zehn Aktien sein eigen nennen konnte, hätte sich für die Dividende ein Rundstück kaufen können (BZ vom 20. Juli).

Veröffentlicht unter Bergedorf 1923 | Schreib einen Kommentar

Wohnungsprobleme

BZ, 29. Mai 1923

Es war eine Folge der Wohnungszwangswirtschaft, dass das Wohnungsamt Bergedorf das Belegungsrecht für Wohnungen in der Stadt Hamburg hatte – als Mieter kamen folglich nur Menschen in Frage, die „in Bergedorf wohnungsberechtigt“ waren und durch ihren Wegzug nach Hamburg die Knappheit in Bergedorf etwas abmilderten.

In Bergedorf fehlten über 700 Wohnungen (BZ vom 26. Mai), der Neubau war praktisch zum Erliegen gekommen: obwohl alle Mieter eine „Wohnungsbauabgabe“ von 10.000 % auf die Friedensmiete zahlen mussten, war von diesem Geld laut Bürgermeister Wiesner lediglich der Bau von fünf Kleinwohnungen zu finanzieren, außerdem Wohnungsteilungen, die Zwangseinquartierungen ermöglichen sollten. Weiterer vermietbarer Wohnraum sollte mit einer „Freimachungsprämie“ von bis zu einer Million Mark an „zusammenziehende oder nach auswärts verziehende Personen“ mobilisiert werden: man hoffte auf zehn derartige Fälle. (BZ vom 14. und 18. Mai, Wortlaut der Verordnung siehe BZ vom 9. Juni).

BZ, 19. Mai 1923

Immerhin: die Stadt Bergedorf wollte bauen, der Bau von Wohnungen wurde ausgeschrieben, leider in der Bekanntmachung nicht quantifiziert. Magistrat und Bürgervertretung beschlossen, „ein Doppelwohnhaus auf dem städtischen Grundstück am Gojenbergsweg“ zu errichten (BZ vom 12. Juni), das wohl auch realisiert wurde – der Bürgervertreter Hinrichs nannte dieses Gebäude abschätzig „eine elende Kate“ (BZ vom 1. September).

 

Veröffentlicht unter Bergedorf 1923 | Schreib einen Kommentar

Falschgeld und Falschmeldungen

Bergedorfer Zeitung, 4. Mai 1923

Bergedorfer Zeitung, 5. Mai 1923

 

 

 

Zunächst in der „Umgegend Bergedorfs“, am Tag danach tauchte in Bergedorf selbst Falschgeld auf: es kam aus dem von französischen Truppen besetzten Dortmund und war „aus dem Keller der dortigen Reichsbank“ entwendet worden. Die Scheine sahen offenbar echt aus, sie waren ja auch im Auftrag der Reichsbank hergestellt worden, aber an der Kontrollnummer ließ sich die Fälschung erkennen: sie war nachträglich in einer falschen Farbe aufgedruckt worden, und sie war nicht wasserfest. Man kann sicher davon ausgehen, dass nach Veröffentlichung dieser Meldungen jeder 50.000-Mark-Schein mit feuchtem Zeigefinger getestet wurde.

Bergedorfer Zeitung, 17. April 1923

Wer hinter der Sache steckte, war der BZ nicht eindeutig zu entnehmen, doch hatten französische Besatzungstruppen einige Wochen vorher in Mülheim an der Ruhr 20.000-Mark-Scheine in einer Druckerei beschlagnahmt, bevor sie an die Reichsbank abgeliefert wurden – und diese Noten waren dann in den Verkehr gelangt und wurden von der Reichsbank für ungültig erklärt. Hatte sich Frankreich womöglich erneut an deutschem Geld vergriffen? Der Verdacht lag nahe.

Bergedorfer Zeitung, 26. Mai 1923

Jedoch entpuppten sich die falschen Fuffzigtausender als echt, wie die BZ gegen Ende des Monats mitteilte: die Druckerei hatte gepfuscht, und es waren auch unbescholtene Bergedorfer in den Verdacht gekommen, sie würden mit Falschgeld bezahlen wollen – keine schöne Vorstellung!

Den Überblick über echtes Geld und „Blüten“ zu behalten, war eine durchaus anspruchsvolle Aufgabe, denn von vielen Scheinen gab es mindestens eine Falschgeldversion (BZ vom 31. Mai). wie zwei Meldungen zu 20.000-Mark-Noten zeigen:

Bergedorfer Zeitung, 17. Mai 1923

Bergedorfer Zeitung, 25. Juni 1923

 

 

 

 

 

Auf das Thema wird im zweiten Halbjahr zurückzukommen sein.

Veröffentlicht unter Bergedorf 1923 | Schreib einen Kommentar

Stradivari und Fahrräder in Kleinanzeigen

BZ, 14. Mai 1923

Vielleicht brauchte Herr Fiebiger Geld, und so bot er „preiswert“ eine Stradivari-Geige und ein teilmontiertes Fahrrad für Herren zu 85.000 Mark an. Was genau unter „preiswert“ zu verstehen war, blieb ebenso unklar wie die Echtheit des Musikinstruments, aber Bergedorfs Musikkenner werden eher am Fahrrad interessiert gewesen sein als an der Violine: die angegebene Adresse „Hinterm Graben“ zählte mit Sicherheit nicht zu den besseren Wohnlagen der Stadt, wo man vielleicht eher eine wertvolle Geige hätte erwarten können.

BZ, 22. Mai 1923

Auch eine andere Kleinanzeige jener Tage ließ stutzen: kleinere Gegenstände wie Uhren oder Broschen wurden häufiger einmal verloren, anderes wurde liegengelassen (Aktentasche, Schirm und Hut) – aber wie verliert man ein Fahrrad? Und warum passierte einige Wochen später auf der selben Strecke entlang der Dove-Elbe im beschaulichen Curslack dasselbe (BZ vom 29. Juni), diesmal mit dem Vermerk „abhandengekommen“? Eventuell standen die beiden Ereignisse in einem Zusammenhang mit einem vorangegangenen Besuch in Richard Eggers‘ Gastwirtschaft „Stadt Hamburg“, aber sicher ist das nicht.

Veröffentlicht unter Bergedorf 1923 | Schreib einen Kommentar

Verlängert, um stillgelegt zu werden: die Hamburger Marschbahn

Bergedorfer Zeitung, 16. Mai 1923

Die Sinnlosigkeit wurde um drei Kilometer verlängert: ab dem 1. Juni 1923 sollte die Hamburger Marschbahn nicht nur von Geesthacht bis Fünfhausen verkehren, sondern bis Ochsenwärder. Das eigentlich angestrebte Ziel, die Stadt Hamburg, wurde weiterhin nicht erreicht.

Die Hamburger Marschbahn sollte den Transport von frischem Gemüse aus den Vierlanden und den Marschlanden nach Hamburg erleichtern und beschleunigen, um die Versorgung der Stadtbevölkerung zu verbessern, aber der Weg in die Stadt erforderte riesige Umwege: ab Ochsenwärder mit der Marschbahn nach Osten bis Zollenspieker, von dort mit der Vierländer Eisenbahn bis Bergedorf und von dort mit der Reichsbahn nach Hamburg. Das war also weder schnell noch direkt und wegen der langen Strecke so teuer, dass es in Ochsenwärder hieß, der Gemüsebau sei „nicht mehr lohnend“, weshalb „eine ganze Anzahl Gemüsegärtner … Beschäftigung bei den Entwässerungsarbeiten und beim Bahnbau gefunden“ habe (BZ vom 30. Januar 1923).

Bergedorfer Zeitung, 3. Juni 1923

Dennoch: zur Betriebsaufnahme putzte sich Ochsenwärder heraus, denn man wurde ja nun an das deutsche Eisenbahnnetz angeschlossen, und besonders die Schulkinder werden sich gefreut haben: sie erhielten eine Freifahrt nach Fünfhausen und zurück, was für die meisten die erste Bahnfahrt ihres Lebens gewesen sein dürfte. Danach ging die Auslastung der Züge deutlich zurück.

Schließlich kam es, wie es kommen musste: der sowieso nicht üppige Fahrplan wurde ausgedünnt (BZ vom 22. August 1923), und zum 1. November wurde der Betrieb auf der ganzen Strecke von Geesthacht bis Ochsenwärder „wegen allzugroßer Unwirtschaftlichkeit“ eingestellt (BZ vom 30. Oktober 1923). Nur die Arbeiter- und Materialzüge für den Weiterbau (und die Entwässerungsarbeiten) verkehrten weiter, denn der „Lückenschluss“ sollte geschafft werden: von Billbrook aus war man bereits bis Moorfleet gelangt (BZ vom 28. März 1923), also bis an die Dove-Elbe, auch von Tatenberg aus näherte man sich der zu querenden Dove-Elbe – doch der Brückenschlag verzögerte sich: „Die Brücke ist zum Montieren fertig, liegt aber leider im französisch-besetzten Gebiet“ (BZ vom 27. November 1923).

Auf dem Projekt Hamburger Marschbahn lag schlicht kein Segen, auch wenn die Züge später wieder fuhren, sogar über die neue Brücke.

Veröffentlicht unter Bergedorf 1923 | Schreib einen Kommentar