Reichsbehörde sucht Büroräume

BZ, 5. Februar 1920

Welche Reichsbehörde hatte im Raum Bergedorf/Sande Raumbedarf, wollte sich aber nicht zu erkennen geben und schaltete eine Chiffre-Anzeige? Wäre es ein Geheimdienst gewesen, so hätte er sich aus Tarnungsgründen wohl nicht als Reichsbehörde bezeichnet (oder gerade deshalb doch?).

 

BZ, 13. Januar 1920

Dieser Annonce war eine andere vorausgegangen, in der das Stadtbauamt Bergedorf für eine Abteilung einer Reichsbehörde 150 Quadratmeter Büroräume suchte – die Vermutung scheint nicht abwegig, dass es sich um ein- und dieselbe Reichsbehörde handelte.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit ging es um ein Finanzamt bzw. eine Abteilung desselben. Mit der Erzbergerschen Finanz- und Steuerreform wurde 1919/1920 ein völlig neues Steuer- und Steuerverwaltungssystem mit Landesfinanzämtern und untergeordneten Finanzämtern eingeführt, und beinahe wären Bergedorf, Geesthacht, die Vierlande und andere Teile des Hamburger Staatsgebiets dem Landesfinanzamt Kiel unterstellt worden (Moorburg wäre zu Hannover gekommen): das Reichsfinanzministerium hatte bei der Abgrenzung der Landesfinanzämter offenbar die Stadt Hamburg als geschlossenes Gebiet anerkannt, aber alle nicht eingemeindeten Teile, worunter sich (wie z.B. Geesthacht) Exklaven befanden, per Federstrich anderen Finanzregionen zugewiesen. Ein Antrag Otto Stoltens in der Nationalversammlung konnte dies aber noch verhindern: das gesamte Gebiet des Staates Hamburg wurde dem Hamburger Landesfinanzamt „Unterelbe“ zugeschlagen, also auch Bergedorf, Geesthacht, die Gemeinde Ost-Krauel usw. (BZ vom 14. und 26. November 1919).

So bekam Bergedorf also ein Finanzamt und blieb steuerlich bei Hamburg. Den ersten Eintrag gab es im Hamburger Adressbuch für 1921, im Hamburger Adressbuch für 1922 wurden sogar fünfzehn Namen von Mitarbeitern aufgeführt. Der Sitz war in der Wentorfer Straße 13 – das war die Anschrift des Bergedorfer Stadthauses, das also eine Reichsbehörde als Mieter begrüßte, woraus man wiederum schließen kann, dass die Versuche, per Kleinanzeige eine „externe“ Lösung zu finden, gescheitert waren.

Seit November 2016 gibt es kein Finanzamt Hamburg-Bergedorf mehr; es ist im Finanzamt Hamburg-Ost aufgegangen, sodass weiterhin Steuern erhoben werden können.

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