Die Nöte der Bergedorfer Warteschule

Bergedorfer Zeitung, 5. Dezember 1917

Wie hätte es auch anders sein können – die Bergedorfer Warteschule litt wie alle anderen unter „der gewaltigen Steigerung der Preise für sämtliche Lebensmittel“, denn die (noch nicht schulpflichtigen) Kinder dort erhielten eine „Mittagspeise“, über die man hier leider nichts Näheres erfährt; 1914 war es eine Fleisch- oder Milchsuppe bzw. Reis mit Früchten gewesen. Schon 1914 lagen die Kosten für diese „Beköstigung“ bei wöchentlich 55 Pfennigen, was dem durchschnittlichen Schulgeld genau entsprach  (BZ vom 15. November 1914), und da das Schulgeld offenbar bis Oktober 1917 nicht erhöht worden war, kann man die Finanznöte der Einrichtung nachvollziehen: sie sah sich gezwungen, das Schulgeld auf eine Mark pro Woche zu erhöhen (für das zweite und dritte Kind die Hälfte), denn alle Reserven waren aufgebraucht: die Ausgaben pro Kind und Woche, die 1916 noch 1,51 Mark betragen hatten, hatten sich auf zwei Mark erhöht, und die Zahl der Kinder war weiter gestiegen auf nunmehr 75 im Wochendurchschnitt.

Wie in den Jahren vorher (BZ vom 11. November 1914, 30. November 1915 und 30. November 1916) war das Schulgeld die größte Einnahmequelle, gefolgt von Einnahmen aus Sammlungen und Jahresbeiträgen – der städtische Zuschuss belief sich in allen Jahren auf kümmerliche 400 Mark.

Nach dem Bericht Pastor Bluncks zielte die Warteschule auf die „Kinder unserer minderbemittelten Mitbürger“, aber sie war kostenpflichtig und deutlich teurer als die erste Klasse der Stadtschulen: für diese waren drei Mark im Quartal zu zahlen und es war sogar eine Befreiung möglich, wie im Beitrag Bergedorfs Schulen bereits ausgeführt wurde. Die Kinder der Ärmsten der Armen werden die Warteschule nicht besucht haben.

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Immer weniger Papier für Zeitung und Kragen

Bergedorfer Zeitung, 30. November 1917

Jede Zeitung erhielt von der „Kriegswirtschaftsstelle für das Deutsche Zeitungsgewerbe“ ein bestimmtes Papierkontingent zugewiesen, mit dem sie auszukommen hatte, und entsprechend wurden die Zeitungen im Laufe des Krieges dünner. Das knappe Papier war zudem teurer geworden, worauf die BZ zunächst mit einer Erhöhung der Anzeigenpreise reagiert hatte (siehe den Beitrag Kaffeeersatz …) und zum 1. Oktober 1917 die Heraufsetzung des Abonnementspreises um 10 Pfennig im Monat auf 90 Pfennig (BZ vom 12. September 1917) folgen ließ.

Wegen Papiermangels musste wiederholt der Abdruck des täglichen Fortsetzungsromans unterbleiben (BZ vom 26. September 1917), doch das tat dem Verkaufserfolg offenbar keinen Abbruch: 10.800 Abonnenten hatte die Zeitung (heute beträgt nach Verlagsangabe die Auflage 20.000, Sonnabends 25.000 Exemplare), und das war ein Problem: wenn die BZ ihren Umfang – meist nur noch ein Bogen mit vier Seiten, Sonnabends anderthalb oder zwei Bogen – beibehalten wollte, durfte sie ihre Auflage nicht steigern. So appellierte der Autor des Artikels, dass „Feldpost-Bezieher“ auf den Direktbezug verzichten und sich die Zeitung von ihrer Familie zusenden lassen möchten (was dem Verlag auch den aufwändigeren Einzelversand ersparen würde). 1915 hatte man noch für diese Abonnements geworben: „Im Feld des Morgens früh ist die Freude bei unseren Kriegern groß‘“, wenn sie die Bergedorfer Zeitung erhalten, hatte es z. B. am 2. August 1915 in einer großen Anzeige geheißen.

Bergedorf Zeitung, 18. Dezember 1917

Wie knapp Papier geworden war, ist auch aus dem Verbot von Papierservietten (BZ vom 10. August 1917) und der Zwangsbewirtschaftung (per Bezugsschein) von Papierkragen abzulesen (BZ vom 18. Dezember 1917). Die Verkleinerung der Fleischkarte ab 24. Dezember sollte „bei Annahme einer Ausgabe von 40 Millionen Karten in 4 Wochen 4,4 Millionen Quadratmeter“ Papiereinsparung bringen (BZ vom 6. Dezember 1917), und eine kleinere Karte passte ja gut zur Größe der Rationen, wenn sie auch für die Weihnachtswoche um 50 g auf 250 g (mit Knochen) erhöht wurden (BZ vom 18. Dezember 1917).

Allen Sparmaßnahmen zum Trotz erschien die Bergedorfer Zeitung am 3. Januar 1918 nur als halber Bogen: Papiermangel.

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Der allgegenwärtige Kritiker

Bergedorfer Zeitung, 26. November 1917

Was soll ein einzelner Theaterkritiker machen, wenn praktisch gleichzeitig zwei Aufführungen stattfinden? Vor diesem Dilemma stand ein Mitarbeiter der Bergedorfer Zeitung namens „-w.“ am 25. November 1917, als in Baumanns Gesellschaftshaus (Neue Straße 19) um 19:00 Uhr die „Bunte Bühne, Bergedorf“ mit dem Kölner Burlesken-Ensemble auftrat und im Colosseum (Neue Straße 21) um 19:30 Uhr das Stadttheater Bergedorf. Er musste zu beiden Ereignissen berichten, denn die Veranstalter hatten in der BZ inseriert, was ihnen einen moralischen Anspruch auf eine (positive) Rezension sicherte.

Also schrieb er auch über beide. Welches der Häuser er besuchte, ist den Texten nicht zu entnehmen, denn beide sind wahrlich detailarm – vielleicht verbrachte der Kritiker den Abend einfach im nächsten gastlichen Haus, dem Portici (Neue Straße 25) und befragte nach Ende der Vorführungen die Wirte der anderen beiden Häuser.

Bergedorfer Zeitung, 23. November 1917

Bergedorfer Zeitung, 23. November 1917

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Kurzkohl, Büntzelspinat, deutscher Tee und die Höchstpreise

Bergedorfer Zeitung, 24. November 1917

Wo ein Höchstpreis ist, da findet sich auch ein Weg zu seiner Umgehung, wie schon im Beitrag Kreativer Umgang mit Höchstpreisen zu lesen war. Bereits im Frühjahr 1917 hatte die BZ das  „unlautere Manöver“ angeprangert, dass ein Hersteller oder Erzeuger eines solchen Gutes dieses zunächst an einen Hausangehörigen (zum Erzeugerhöchstpreis) verkaufte, der es dann zum Großhandelshöchstpreis abgab (BZ vom 29. März 1917) – die Differenz konnte über 75 Prozent betragen, wie aus der unten wiedergegebenen Bekanntmachung zu errechnen ist.

Eine der Ideen des Herbstes war der „Kurzkohl“: kleingehackte Grünkohlstrünke mit etwas Blattwerk vermischt, verkauft zu „übermäßigen Preisen“. Die Empfehlung der Zeitung war, den Grünkohl selbst zu schneiden, denn aus „zarten, weichen Strunken“ lasse sich eine „schmackhafte Suppe“ zubereiten. Dass dies tatsächlich möglich ist, zeigt die Speiseordnung eines Armenhauses von 1708 (siehe den Aufsatz von Barbara Krug-Richter in Kulturhistorische Nahrungsmittelforschung, Festschrift für G. Wiegelmann, S. 188), und  Frage 10 des Quiz zum Kohl zu den 30. Dithmarscher Kohltagen der shz setzt „Kurzkohl“ und „Grünkohlsuppe“ gleich. Für die Vierlande berichtet Ernst Finder, dass dort der „kurze Kohl“ so fein sein sollte, „daß man ihn durch einen Strohhalm blasen konnte“ (S. 152). Es gab ihn als Morgengericht mit verschiedenen fleischlichen Beigaben.

Bergedorfer Zeitung, 24. November 1917 (gekürzt)

Erfindungsreichtum gab es auch beim Spinat: es wurden angeblich „erst jetzt während des Krieges“ entdeckte Sorten in den Handel gebracht, nämlich „Dolden- oder Pollspinat, auch Büntzelspinat genannt“. Für den Suchbegriff Doldenspinat geben mehrere Internetseiten an, dass es sich dabei um Giersch handelt und Giersch ähnlich wie Spinat zubereitet werden kann. Ob Büntzelspinat mit dem bei Ch. F. Hochstetter (S. 123f.) genannten Wasser-Bunzelkraut („in einigen Gegenden als Salat benützt“) oder Acker-Bunzelkraut identisch ist, war nicht zu klären; junge Rapspflanzen waren schon im Beitrag über Wildgemüse als Spinatersatz genannt worden – all dies zeigt, dass es sich nicht um Neuentdeckungen handelte, sondern eher um Wiederentdeckungen mit Neubezeichnungen, die zusätzliche Einnahmen versprachen.

Einen vergleichbaren Etikettenschwindel gab es beim „deutschen Tee“ aus einheimischen Kräutern. Zwar gab es hier nur „Richtpreise“, die den örtlichen Behörden Zuschläge ermöglichten (BZ vom 9. Juli 1917), aber wer über die Obergrenze hinauswollte, musste sich etwas einfallen lassen: Brombeer-, Himbeer- und Erdbeerblätter wurden als „Medizinaltee“ teurer verkauft, da sie ja angeblich Heilwirkung hatten und darum mehr waren als ein beliebiges Heißgetränk. Ein administratives Vorgehen gegen diese Praxis wie beim Spinat gab es aber offenbar nicht, sondern nur die redaktionelle Aufforderung: „Solchen Versuchen unberechtigter Preisforderung ist mit Entschiedenheit entgegenzutreten.“ (BZ vom 12. Dezember 1917).

 

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Der Butterklau bei der Bahn

Bergedorfer Zeitung, 19. November 1917

Die Bahnhofs- und Bahnkriminalität veranlasste die BZ innerhalb von vierzehn Tagen zu sieben Meldungen allein aus Hamburg und Umgebung, davon drei aus Bergedorf bzw. Sande, und immer ging es um Warendiebstahl. Das kann eigentlich kaum überraschen, denn wie im Beitrag zum Fuhrwesen zu lesen war, standen die beladenen Güterwaggons oft tagelang auf Abstellgleisen. Dort wurde dann in größerem Stil gestohlen, wie die Meldung zeigt, und auf dem Bahnhof Bergedorf-Süd war das „in letzter Zeit häufig“ der Fall gewesen.

Bergedorfer Zeitung, 14. November 1917

Lebensmittel waren (sicher nicht nur) im Raum Bergedorf begehrte Diebesgüter, wie die beiden anderen Meldungen zeigen, wobei Butter natürlich als höherwertiges Gut gegenüber Kartoffeln und Weißkohl bei den Dieben beliebter war, weil damit ein zigfacher Profit zu erlangen war. Zwar haftete die Bahnverwaltung für den Schaden, aber sie leistete den Ausgleich in Geld, nicht in Butter. Die Folge für Bergedorf und Sande war, dass die Rationen entsprechend gekürzt werden mussten, und die gestohlene Menge ist in Relation zur Wochenration von 30 Gramm (BZ vom 17. November 1917) zu sehen: zweihundert Pfund hätten 3.333 Bergedorfer versorgen sollen.

Bergedorfer Zeitung, 9. November 1917

Ob die Sander tatsächlich Lebensmitteltransporte begleiteten, stand nicht in der BZ. In Hamburg nahmen derartige „Güterberaubungen“ noch weiter zu, und Bergedorf blieb nicht verschont: ob der nächste Fall sich wirklich erst vier Monate später ereignete, als über den Diebstahl von diesmal drei Fässern Butter berichtet wurde (BZ vom 16. März 1918)?

Insgesamt hatte die Staatsbahn im Jahre 1917 Entschädigungsleistungen für gestohlene Fracht in Höhe von 57 Millionen Mark zu erbringen (BZ vom 16. März 1918) – die Verdopplung der Frachtsätze für Gepäckstücke und Expressgut ab dem 20. November 1917 wird nicht ausgereicht haben (BZ vom 20. November 1917), diese Ausgaben zu finanzieren.

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Volkskonzert mit Grog – und andere kulturelle Abende

Bergedorfer Zeitung, 17. November 1917

Der Musikdirektor Anton Mau wird enttäuscht gewesen sein: im 1.000 Personen fassenden Saal des Colosseums verloren sich bei seinem „1. Volkskonzert“ gerade 60 Besucher. Dabei genoss Mau in Bergedorf einen guten Ruf, siehe den Beitrag Ausdruckstanz in Bergedorf, und von den Darbietungen des Konzerts war der Kritiker der BZ ebenso wie das Publikum sehr angetan, auch wenn er wegen des „Garderobenzwangs“ gefroren hatte – der daher notwendige Grog half nur gegen die Kälte.

Der schwache Besuch kann sicher nicht auf einen überhöhten Eintrittspreis (eine Mark) zurückgeführt werden, eher auf die zahlreichen Konkurrenzangebote, für die in der BZ Anzeigen geschaltet wurden: im „Schloß-Café“ neben der Ernst-Mantius-Brücke gab es wie jeden Mittwoch, Sonnabend und Sonntag ein Künstlerkonzert; das Stadttheater bot außer den Sonntagsvorstellungen am 11. und 18. November eine Aufführung am Mittwoch (14.), die Hasse-Gesellschaft lud für den 11. November zu einem Konzert des Bandler-Quartetts und für den 20. zu einem Liederabend. Am 13. wurde eine Wohltätigkeitsveranstaltung zugunsten des Mädchenhorts des Frauenvereins wiederholt, am 18. gab es einen Lichtbildervortrag beim Volksunterhaltungsabend der Bücherhalle und parallel zu Maus Konzert lief der Teeabend des Frauenvereins mit einer „Anleitung zum Strumpfflicken“, was eher praktisch denkende und weniger kulturbeflissene Damen präferiert haben mögen. Und letztlich machte sich Mau selbst Konkurrenz, denn am 18. gab er ein Konzert im Holsteinischen Hof unmittelbar hinter der Grenze zu Sande.

Trotz des schlechten Starts setzte Mau seine Konzertreihe fort und stieß auf bessere Resonanz beim Publikum (BZ vom 28. November, 1. und 12. Dezember 1917). Darüber hinaus beteiligte er sich an Wohltätigkeitsveranstaltungen: am Bußtag (21.) gab er mit zwei anderen Musikern ein Kirchenkonzert „zum Besten der Bergedorfer Kriegskinder“.

Die Kulturfreunde in Bergedorf, wenn sie denn Geld hatten, können sich trotz des Weltkriegs nicht über einen Mangel an Veranstaltungen beklagt haben. Für die anderen blieben ja immer noch die beiden Kinos, aber auch die kosteten Eintritt.

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Die Lauenburger Dampfer

Bergedorfer Zeitung, 7. November 1917

Vor hundert Jahren kamen viele Geesthachter, Vierländer und Marschländer am schnellsten per Schiff nach Hamburg, meist mit einem der Raddampfer der „Lauenburger Dampfschiffe Theodor und Hugo Basedow, Lauenburg (Elbe) – Hamburg“, wie die 1861 gegründete Firma seit dem 1. Januar 1917 hieß. Diese Schiffe boten den großen Vorteil eines windunabhängigen Linienverkehrs mit festem Fahrplan, den die konkurrierenden Segel-Ewer nicht bieten konnten. Ewer waren wiederum nicht auf aufwändige Landungsbrücken angewiesen und hatten somit mehr Anlegestellen zur Verfügung – für die Landwirte und Gärtner, die Ware nach Hamburg bringen wollten, war dies ein beachtlicher Vorteil, und so konnten Ewer und Dampfer lange nebeneinander existieren, bis nach dem Ersten Weltkrieg der zunehmende Lkw-Transport und auch die Hamburger Marschbahn (ab 1928) sowie Omnibusse immer mehr Verkehr abzogen.

Bergedorfer Zeitung, 3. September 1917

Bergedorfer Zeitung, 30. Oktober 1917

Auf den Lauenburger Dampfern diente das Vorderdeck zur Aufnahme der Fracht, das Achterdeck nahm die Fahrgäste auf, wie auf mehreren Fotos in dem Heft von Theodora Basedow/Werner Hinsch (Die Familie Basedow und die Elbschiffahrt, Lauenburger Hefte zur Binnenschiffahrtsgeschichte 9 (2003)) zu sehen ist. Andere Bilder dort und die Fahrpläne hier zeigen, dass die Schiffe auch intensiv für den Ausflugsverkehr genutzt wurden (siehe hierzu den Beitrag To Pingsten, ach wie scheun …) und bis in den Herbst häufiger an Sonntagen fuhren als an Werktagen.

Dampfer Victoria am Zollenspieker (Ansichtskarte gelaufen 1912)

Die Lauenburger waren wirklich erfolgreich, wie die Größe der Flotte zeigt, und die geschäftstüchtigen Brüder Basedow übernahmen auch Wettbewerber und deren Schiffe, so die Raddampfer „Victoria“ der Victoria AG, Zollenspieker, und „Maiblume“ der Dove-Elbe Dampfschiffahrtsgesellschaft (siehe hierzu und zum Folgenden Basedow/Hinsch, ebd., S. 16, S. 20, und das z.T. bebilderte Schiffsregister bei Hans Rindt/Heinz Trost, S. 57ff.). Der auf der damals noch tideoffenen Dove-Elbe fahrende „Prinz Adalbert“, ein Schraubendampfer mit wohl größerem Tiefgang als ein Raddampfer, konnte „bei niedrigem Wasserstande“ von Hamburg aus nur bis Tatenberg fahren und nicht bis zur Ochsenwärder Kirchenbrücke, die vermutlich am Ende des sogenannten Schlickwegs lag, außendeichs quasi in Verlängerung des Eichholzfelder Deichs, wie auch Simone Vollstädt von ochsenwerder.de meint.

„Prinz Adalbert“ verlor nach Kriegsende den Adelstitel und hieß dann profan „Theodor & Hugo Basedow“, und auch der „Kaiser“ bekam mit „Hamburg“ einen neuen Namen. Der im BZ-Artikel genannte „Kaiser Wilhelm“ hieß übrigens „Kaiser Wilhelm II.“ und darf nicht mit dem heute in Lauenburg beheimateten Museums-Raddampfer „Kaiser Wilhelm“ verwechselt werden (siehe Heinz Trost und die Seite des Elbschifffahrtsmuseums Lauenburg).

Der Linienverkehr auf der Elbe endete 1961 – der 1925 gebaute große Seitenraddampfer „Hugo Basedow“ (Foto) wurde anschließend in die Niederlande verkauft, wo er nach mehrfachem Umbau (siehe Basedow/Hinsch, S. 51f.) heute in Nijmegen als katholisches Gemeindezentrum und Flussschifferkirche genutzt wird, wie u.a. auf elbdampfer-hamburg.de nachzulesen ist.

UPDATE 2022:
Die letzte Fahrt der Hugo Basedow zwischen Hamburg und Lauenburg kann man in einem kurzen NDR-Film sehen, auf den mich Söhnke Marquardt aufmerksam gemacht hat.

 

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Die Versorgung der Kriegsgefangenen

Bergedorfer Zeitung, 31. Oktober 1917

Es ist schon merkwürdig, wenn eine auf den  30. Oktober datierte Bekanntmachung erst am 31. publiziert wird und dabei schon seit dem 29. gelten soll. Vielleicht war der Hamburger Senat selbst davon überrascht worden, dass „Lebensmittel für die Kriegsgefangenen in Zukunft von der Militärverwaltung zur Verfügung gestellt“ werden sollten.

Man darf vermuten, dass dies gleichbedeutend war mit einer Kürzung der Rationen für die Kriegsgefangenen, aber die pauschalen Angaben „Krämerwaren, Kaffee und Tee sowie Fett“ ermöglichen keinen Vergleich mit der Zivilbevölkerung, wobei man sicher sein kann, dass es sich nur um Ersatzkaffee und „deutschen Tee“ aus deutschen Kräutern handelte.

Dass die Waren nur aus einem Geschäft in Bergedorf und je zweien in den Vierlanden und den Marschlanden zu beziehen waren, war für die liefernde Militärverwaltung sicher einfacher als wenn sie die Vielzahl der damals existierenden Kleinhändler hätte ausstatten müssen – für die Empfänger bedeutete dies angesichts der Verkehrsmittel und -infrastruktur einen erheblichen Mehraufwand.

Die Regelung betraf die „in der Landwirtschaft beschäftigten Kriegsgefangenen“, und da Landwirtschaft im Krieg in aller Regel die Nahrungsmittelproduktion als Gegenstand hatte, könnten die Auswirkungen nicht allzu schlimm gewesen sein, denn die Haushalte der „Selbstversorger“ waren nicht in vollem Umfang ablieferungspflichtig und hatten damit auch legal mehr Nahrungsmittel zur Verfügung, wovon die Gefangenen hoffentlich etwas abbekamen.

Bergedorfer Zeitung, 3. Februar 1917

Diese Vorschrift war übrigens bereits die dritte des Jahres, die nur Kriegsgefangene betraf: schon im Februar war angeordnet worden, dass an sie keine Zahlungen in Gold- oder größeren Silbermünzen geleistet werden durften, woraus ja folgt, dass sie „Lohn“ erhielten, wie die BZ auch am 27. April 1917 schrieb. Zur Lohnhöhe gab es in der BZ nur einmal eine Meldung, nach der Kriegsgefangene in Wentorf einen Mindestlohn von 1,80 Mark pro Woche erhielten, maximal 3 Mark (BZ vom 9. Juni 1915). Mehr als ein Taschengeld war das bestimmt nicht. Immerhin sollte die Ausbeutung auf sechs Tage in der Woche beschränkt sein: am 15. Oktober 1917 berichtete die Zeitung, dass die Landherrenschaften darauf aufmerksam machten, dass für Sonn- und Festtagsarbeit eine „entsprechende Ruhezeit“ in der Woche gewährt werden müsse. Ob das kontrolliert wurde?

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Von Pferden, Fuhrwerken und der Verwaltungsstruktur

Bergedorfer Zeitung, 3. November 1917

Massive Probleme beklagte (öffentlich!) das Fuhrgewerbe: zu wenig Pferde, zu wenig Futter, um den Transportanforderungen gerecht werden zu können. Viele Pferde waren zu Kriegszwecken eingezogen worden, die verbliebenen Tiere mussten also stärker belastet werden, und da sie aufgrund der schlechten Ernte verringerte Rationen des „Einheitsfutters“ erhielten und auch Heu und Stroh zu knapp waren, drohte das „Pferde-Material“ bald verbraucht zu sein.

Die hier für Sande genannte Zahl von „ungefähr 15“ Pferden überrascht allerdings, denn bei der Viehzählung am 1. September waren dort 49 Pferde gezählt worden (siehe den Beitrag 2.621 Stallhasen in Sande) – diese beachtliche Differenz war nicht aufzuklären. Man sollte deshalb aber nicht die anderen Angaben der Fuhrherren in Zweifel ziehen, denn die mehrtägige Sperrung des Bergedorfer Bahnhofs für Güterwaggons wegen des Mangels an Arbeitsgespannen wurde vom Magistrat bestätigt (BZ vom 8. November 1917), ebenso die Benachteiligung bei der Futterzuteilung.

Ursache für diese Benachteiligung war die Verwaltungsstruktur des Staates Hamburg: in der Stadt Hamburg, dem Kommunalverband Hamburg I, konnten Fuhrbetriebe eine „Futterzulage“ erhalten, die der Kommunalverband Hamburg II, zu dem die Landherrenschaften (also auch Bergedorf) gehörten, nicht erhielt. In der Erwiderung auf die Fuhrherren forderte der Magistrat Bergedorfs, dass „endlich die Benachteiligung Bergedorfs, die wirtschaftlich durchaus ungerechtfertigt ist, ein Ende nimmt“: in der Versorgung mit Gegenständen des täglichen Bedarfs sollte wie in Bremen kein Unterschied zwischen Großstadt und Landgebiet gemacht werden, was der Hamburger Senat zwar im Juni 1916 beschlossen hatte, aber eben nicht einhielt. Proteste bei Landherrenschaft und Kriegsamt zeitigten keinen Erfolg (ebenfalls BZ vom 8. November 1917).

Bergedorfer Zeitung, 8. November 1917

Die Einschränkung der Müllabfuhr in Bergedorf auf einmal wöchentlich brachte eine geringe Entlastung, aber es gab sie immerhin weiter. Die Geesthachter Dampfbäckerei von E. Hackmack dagegen konnte „wegen Einschränkung des Fuhrwerkes“ ihren Brotwagen gar nicht mehr in die Sachsenwald- und andere Dörfer fahren lassen (BZ vom 6. November 1917).

Ob das „Einheitsfutter“ für die Pferde nicht nur knapper, sondern auch teurer wurde? Jedenfalls erhöhten die Fuhrherren von Bergedorf-Sande 1917 gleich zweimal ihre Frachttarife, und das nicht zu knapp.

Bergedorfer Zeitung, 26. Juni 1917

Bergedorfer Zeitung, 17. November 1917

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Frauenwahlrecht und Frauenwelten

Bergedorfer Zeitung, 30. Oktober 1917

Bergedorfer Zeitung, 1. November 1917

 

Das Frauenwahlrecht war in Bergedorf offenbar kein Thema, weder im Jahresbericht des Frauenvereins noch in der „öffentlichen politischen Frauen-Versammlung“, zu der Wilhelm Wiesner eingeladen hatte und bei der Johanna Reitze über „Kriegszeit – Frauenpflichten – Frauenrechte“ sprach (Anzeige in der BZ vom 28. Oktober 1917). Die Ortsgruppe Bergedorf des Vereins für Frauenstimmrecht entfaltete nach den Meldungen und Anzeigen in der BZ keinerlei Initiativen im Sinne des Vereinszwecks, sondern beschränkte sich darauf, die Kriegshilfe und ähnliche Aktivitäten zu unterstützen, und nahm z.B. Anmeldungen für einen Kriegskochkursus entgegen (BZ vom 8. August und 22. November 1914, 18. Februar und 25. März 1915).

In Hamburg dagegen spielten die Frauen in der Wahlrechtsdebatte zumindest eine Nebenrolle: im Juni 1917 hatte der Stadtbund Hamburgischer Frauenvereine, dem auch der Bergedorfer Frauenverein angehörte (siehe den Beitrag Die Frauen und der Vaterländische Hilfsdienst), zusammen mit dem Bund Hamburgischer Hausfrauen eine Petition hierzu eingereicht; eine weitere Eingabe des Hamburg-Altonaer Vereins für Frauenstimmrecht und eine Resolution der SPD-Landesorganisation kamen in der folgenden Bürgerschaftssitzung auf den Tisch. Alle Eingaben wurden der fünfzehnköpfigen „Senats- und Bürgerschaftskommission zur Vorbereitung einer Änderung des Wahlgesetzes für die Wahlen zur Bürgerschaft“ überwiesen (Stenographische Berichte über die Sitzungen der Bürgerschaft zu Hamburg im Jahre 1917, S. 192, S. 213f., S. 242). Der Bericht der Kommission stellte lapidar fest, dass ein Vorschlag zur Gewährung des Bürgerrechts an Frauen keine Annahme fand (Verhandlungen zwischen Senat und Bürgerschaft im Jahre 1918, S. 882) – doch als die Vorlage die Parlamentssitzung am 6. November 1918 erreichte (Stenographische Berichte … 1918, S. 646), wurde sie vertagt und schließlich von der Revolution überholt.

Die oben wiedergegebenen Artikel sind aber aus anderem Grunde lesenswert, denn sie zeigen zwei Frauenwelten in Bergedorf: die Damen des Frauenvereins waren primär in der Wohltätigkeit aktiv, hier als „Kriegsarbeit“ bezeichnet, und konnten über 30.000 Mark Spenden verbuchen. In der von dem Sozialdemokraten Wilhelm Wiesner organisierten Frauenversammlung mit der ebenfalls der SPD angehörenden Johanna Reitze (BZ vom 2. August 1917) traf sich ein anderer Kreis, der materielle Sorgen hatte: weil die staatliche Unterstützung der „Kriegerfrauen“ (bzw. der Kriegerwitwen und -waisen) und ihrer Familien nicht ausreichte, mussten die Frauen arbeiten, doch wurde ihnen dann die Angehörigenunterstützung gekürzt, sodass sie aufgrund des Lebensmittelwuchers  immer noch Not litten. Die Forderung der Versammlung nach Umverteilung der Kriegsgewinne kann da nicht überraschen.

 

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