Volkskonzert mit Grog – und andere kulturelle Abende

Bergedorfer Zeitung, 17. November 1917

Der Musikdirektor Anton Mau wird enttäuscht gewesen sein: im 1.000 Personen fassenden Saal des Colosseums verloren sich bei seinem „1. Volkskonzert“ gerade 60 Besucher. Dabei genoss Mau in Bergedorf einen guten Ruf, siehe den Beitrag Ausdruckstanz in Bergedorf, und von den Darbietungen des Konzerts war der Kritiker der BZ ebenso wie das Publikum sehr angetan, auch wenn er wegen des „Garderobenzwangs“ gefroren hatte – der daher notwendige Grog half nur gegen die Kälte.

Der schwache Besuch kann sicher nicht auf einen überhöhten Eintrittspreis (eine Mark) zurückgeführt werden, eher auf die zahlreichen Konkurrenzangebote, für die in der BZ Anzeigen geschaltet wurden: im „Schloß-Café“ neben der Ernst-Mantius-Brücke gab es wie jeden Mittwoch, Sonnabend und Sonntag ein Künstlerkonzert; das Stadttheater bot außer den Sonntagsvorstellungen am 11. und 18. November eine Aufführung am Mittwoch (14.), die Hasse-Gesellschaft lud für den 11. November zu einem Konzert des Bandler-Quartetts und für den 20. zu einem Liederabend. Am 13. wurde eine Wohltätigkeitsveranstaltung zugunsten des Mädchenhorts des Frauenvereins wiederholt, am 18. gab es einen Lichtbildervortrag beim Volksunterhaltungsabend der Bücherhalle und parallel zu Maus Konzert lief der Teeabend des Frauenvereins mit einer „Anleitung zum Strumpfflicken“, was eher praktisch denkende und weniger kulturbeflissene Damen präferiert haben mögen. Und letztlich machte sich Mau selbst Konkurrenz, denn am 18. gab er ein Konzert im Holsteinischen Hof unmittelbar hinter der Grenze zu Sande.

Trotz des schlechten Starts setzte Mau seine Konzertreihe fort und stieß auf bessere Resonanz beim Publikum (BZ vom 28. November, 1. und 12. Dezember 1917). Darüber hinaus beteiligte er sich an Wohltätigkeitsveranstaltungen: am Bußtag (21.) gab er mit zwei anderen Musikern ein Kirchenkonzert „zum Besten der Bergedorfer Kriegskinder“.

Die Kulturfreunde in Bergedorf, wenn sie denn Geld hatten, können sich trotz des Weltkriegs nicht über einen Mangel an Veranstaltungen beklagt haben. Für die anderen blieben ja immer noch die beiden Kinos, aber auch die kosteten Eintritt.

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