Natürlich war auch Kaffee knapp – wie hätte es anders sein können, schließlich wurde und wird in Deutschland kein Kaffee angebaut, und Importe waren stark beeinträchtigt. Da war es nicht erstaunlich, dass man Ersatzstoffe mobilisierte, denn die gab es aus heimischem Anbau. Schon vor dem Krieg hatte es z.B. Zichorienkaffee und andere kaffeeähnliche Getränke gegeben, die nun eine wahre Hochkonjunktur erlebten. Größter Hersteller war die Firma Heinrich Franck Söhne, aber auch Unternehmen, die bis dahin ausschließlich als Kaffeeimporteure und -röster tätig gewesen waren, stellten sich schnell auf die neuen Rahmenbedingungen ein – beispielhaft sei die Hamburger Firma J.J.Darboven genannt, die einen „durchaus schmackhaften Mix aus Getreide, Zichorien, Milokorn,
Zuckerrübenschnitzeln und gerösteten Feigen“ produzierte, der leicht verändert als „Koff“ auch im Zweiten Weltkrieg in den Handel kam (siehe den historischen Überblick auf der Internetsite von J.J. Darboven http://www.darboven.com/de-DE/Home/J_J_Darboven/Die_Idee ). Über Kaffee allgemein und seine Ersatzmittel erfährt man mehr im Hamburger Kaffeemuseum Burg.
Und auch dieser Markt wurde reguliert, wie aus dem Zeitungsartikel hervorgeht: Mischungsverhältnisse und Höchstpreise wurden festgesetzt, und reiner Bohnenkaffee durfte nur bei Abnahme der gleichen Menge an Kaffee-Ersatzmitteln abgegeben werden (siehe BZ vom 15. Mai 1916), aber immerhin in separaten Tüten. Doch gemahlen sollten nun nur noch Fertigmischungen in den Handel gelangen: der Höchstpreis für zehnprozentigen Mischkaffee lag mit 0,92 Mark pro Pfund deutlich unter dem Preis, der einige Wochen vorher dem Krämer Claus Albers in Kirchwärder-Howe mit 1,60 Mark pro Pfund in Rechnung gestellt worden war – der Verkaufspreis durfte 1,85 Mark nicht überschreiten.
Derartige auf Albers ausgestellte Rechnungen liegen für den Zeitraum August 1916 bis Mai 1917 vor; in Rechnung gestellt wurden ihm insgesamt 40 Pfund Mischkaffee (mit 10 bzw. 25 Prozent Kaffeebohnen) und 139 Pfund „koffeinfrei“ (Einkaufspreis 47 Pfennige, Verkaufspreis ca. 54 Pfennige), bezeichnet als Surrogat, Macafeno, Malzkaffee oder „Frankkaffee“.
Für Freunde des Koffeins, das der in Billwärder geborene Chemiker Friedlieb Ferdinand Runge 1819 als die anregende Substanz im Kaffee entdeckt hatte, waren das schlechte Nachrichten. Ein Ausweichen auf (teureren) Tee wurde durch entsprechende Regulierungen ebenfalls erschwert (siehe BZ vom 23. Mai 1916).
Auch Papier war Mangelware: von nun an sollte es in Sande Fisch nur noch auf die Hand geben, wenn man das Einwickelpapier nicht mitbrachte – Ausdruck des herrschenden Papiermangels und der damit einhergehenden Teuerung, worüber sich der Großverbraucher Bergedorfer Zeitung mehrfach beklagt hatte (siehe BZ vom 11. Februar, 15. März, 26. Mai und 28. Juni 1916): alle verbliebenen Zeitungen mussten ihren Umfang reduzieren, viele erhöhten ihre Verkaufspreise – aber die BZ setzte lediglich die Anzeigenpreise herauf (siehe BZ vom 27. März 1916).
Ein Grund für diese „Papierlage“ könnte auch darin gelegen haben, dass ein weiterer Nutzungszweck gefunden worden war: aus Zellstoff- oder Papiergarnen hergestellte Waren, die ebenso wie die nur auf Bezugsschein erhältlichen Web-, Wirk- und Strickwaren „Preisbeschränkungen“ unterlagen (siehe BZ vom 17. Juni 1916; zur Verwendung von Papier und Papiergarnen in der Textilindustrie siehe die Dissertation von Paul Drexler aus dem Jahr 1919).
An Kartoffeln sollte im Winter 1916/17 aber kein Mangel herrschen: 65.000 Zentner mecklenburgische Erdäpfel waren der Stadt „überwiesen“, d.h. zugeteilt. Wenn man unterstellt, dass diese Menge vom Oktober bis zur nächsten Ernte, also bis Ende Juli 1917 (303 Tage), bemessen war, bedeutete dies bei 15.740 „anwesenden Personen“ (so das Ergebnis der Volkszählung vom Dezember 1916, siehe BZ vom 16. Dezember 1916), dass jeder Bergedorfer täglich 1 Pfund Kartoffeln bekommen sollte, auch die Schwerarbeiter hätten weiter eine Zulage erhalten können, wenn man unvermeidliche Verluste bei der Lagerung über so einen langen Zeitraum außer Betracht lässt. Immerhin: im Herbst 1915 hatten sich die Vorräte einschließlich geplanter Ankäufe auf nur 20.440 Zentner belaufen, wie im Beitrag Kartoffeln, Gefrierfleisch und Veggie Days nachzulesen ist, sodass man 1916/17 offenbar besser dastand.