Das Frauenwahlrecht war in Bergedorf offenbar kein Thema, weder im Jahresbericht des Frauenvereins noch in der „öffentlichen politischen Frauen-Versammlung“, zu der Wilhelm Wiesner eingeladen hatte und bei der Johanna Reitze über „Kriegszeit – Frauenpflichten – Frauenrechte“ sprach (Anzeige in der BZ vom 28. Oktober 1917). Die Ortsgruppe Bergedorf des Vereins für Frauenstimmrecht entfaltete nach den Meldungen und Anzeigen in der BZ keinerlei Initiativen im Sinne des Vereinszwecks, sondern beschränkte sich darauf, die Kriegshilfe und ähnliche Aktivitäten zu unterstützen, und nahm z.B. Anmeldungen für einen Kriegskochkursus entgegen (BZ vom 8. August und 22. November 1914, 18. Februar und 25. März 1915).
In Hamburg dagegen spielten die Frauen in der Wahlrechtsdebatte zumindest eine Nebenrolle: im Juni 1917 hatte der Stadtbund Hamburgischer Frauenvereine, dem auch der Bergedorfer Frauenverein angehörte (siehe den Beitrag Die Frauen und der Vaterländische Hilfsdienst), zusammen mit dem Bund Hamburgischer Hausfrauen eine Petition hierzu eingereicht; eine weitere Eingabe des Hamburg-Altonaer Vereins für Frauenstimmrecht und eine Resolution der SPD-Landesorganisation kamen in der folgenden Bürgerschaftssitzung auf den Tisch. Alle Eingaben wurden der fünfzehnköpfigen „Senats- und Bürgerschaftskommission zur Vorbereitung einer Änderung des Wahlgesetzes für die Wahlen zur Bürgerschaft“ überwiesen (Stenographische Berichte über die Sitzungen der Bürgerschaft zu Hamburg im Jahre 1917, S. 192, S. 213f., S. 242). Der Bericht der Kommission stellte lapidar fest, dass ein Vorschlag zur Gewährung des Bürgerrechts an Frauen keine Annahme fand (Verhandlungen zwischen Senat und Bürgerschaft im Jahre 1918, S. 882) – doch als die Vorlage die Parlamentssitzung am 6. November 1918 erreichte (Stenographische Berichte … 1918, S. 646), wurde sie vertagt und schließlich von der Revolution überholt.
Die oben wiedergegebenen Artikel sind aber aus anderem Grunde lesenswert, denn sie zeigen zwei Frauenwelten in Bergedorf: die Damen des Frauenvereins waren primär in der Wohltätigkeit aktiv, hier als „Kriegsarbeit“ bezeichnet, und konnten über 30.000 Mark Spenden verbuchen. In der von dem Sozialdemokraten Wilhelm Wiesner organisierten Frauenversammlung mit der ebenfalls der SPD angehörenden Johanna Reitze (BZ vom 2. August 1917) traf sich ein anderer Kreis, der materielle Sorgen hatte: weil die staatliche Unterstützung der „Kriegerfrauen“ (bzw. der Kriegerwitwen und -waisen) und ihrer Familien nicht ausreichte, mussten die Frauen arbeiten, doch wurde ihnen dann die Angehörigenunterstützung gekürzt, sodass sie aufgrund des Lebensmittelwuchers immer noch Not litten. Die Forderung der Versammlung nach Umverteilung der Kriegsgewinne kann da nicht überraschen.