Krebssuppe statt Cheeseburger auf dem Frühjahrsmarkt

Bergedorfer Zeitung, 4. Mai 1925

Nostalgie pur: der „beschauliche Krammarkt der Urgroßväterzeit“ war zum „Riesenrummelplatz“ geworden, schrieb die BZ am 4. Mai 1925 über den „stark amerikanisierten“ Bergedorfer Frühjahrsmarkt und trauerte dem „früheren Zauber“ nach.

Zumindest der Speisezettel der Gastronomen ließ keine Änderung erkennen: schon 1875 warb Schefe’s Salon für „Beefsteak und Krebssuppe“ (Bergedorfer Zeitung und Anzeiger vom 24. April 1875) – in den folgenden Jahrzehnten inserierten immer mehr Lokale und boten vor allem Krebssuppe an; 1925 nannten acht Wirte diese Spezialität (BZ vom 2. Mai 1925). Bei einer tiefgreifenden Amerikanisierung hätte man eigentlich Cheeseburger, Hot Dogs und dergleichen erwarten müssen; „heiße Wiener“ unterlagen sicher keinem transatlantischen Einfluss.

Die Entwicklung hin zum Vergnügungsmarkt mit „Welt-Attraktionen“ hatte auch schon im 19. Jahrhundert eingesetzt: „Auf dem Krammarkt waren nicht sehr viele Verkaufsbuden, wogegen die Gelegenheit zu Vergnügungen um so reichlicher geboten war und auch in ausgedehntester Weise benutzt wurde. Fünf Caroussels … waren immer voll besetzt“ (BZ vom 29. April 1884). Neu war 1925 vielleicht der diskriminierend so bezeichnete „Negerboxer“.

Zu dem ursprünglichen Markt-Montag war längst der Sonntag hinzugekommen. Die räumliche Ausdehnung („Riesenrummelplatz“) hatte in der Tat stattgefunden: der Bergedorfer Marktplatz hatte schon längst nicht mehr ausgereicht, die Fläche war auf die Hauptstraße ausgedehnt worden; dann (BZ vom 1. Mai 1884) verlagerte sich der Kram- und Vergnügungsmarkt immer mehr Richtung Portici und Neue Straße, 1929 weiter zum heutigen Standort Frascati-Platz (BZ vom 20. April 1929). Der Viehmarkt, der immer mehr an Bedeutung verlor, blieb, weiter auf den Montag beschränkt, auf dem Brink bzw. Mohnhof.

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