Der Schwindel mit Sparbrennern

Bergedorfer Zeitung, 18. Oktober 1924

Immer wieder pries das Gaswerk Bergedorf die Vorzüge: mit Gas konnte man z. B. Essen zubereiten, Badewasser erwärmen und Plätteisen auf Temperatur bringen, es war sauberer als Kohle, man konnte bequem heizen (BZ vom 27. September) – und das alles bei sinkenden Preisen: hatte ein Kubikmeter Gas im Dezember 1923 noch 25 (Gold-)Pfennig gekostet, so gab es ihn ab dem 1. Oktober für 20 Pfennig und ab dem 1. Dezember für 18 Pfennig (BZ vom 29. September und 29- November), was die Gaskunden bestimmt freute.

 

BZ, 29. März 1924

Bergedorfer Zeitung, 9. Dezember 1924

Eine weitere Ersparnis sollten sogenannte „Sparbrenner“ ermöglichen, für die in der BZ geworben wurde und die von Hausierern angepriesen wurden, aber das Gaswerk lehnte diese wiederholt strikt ab: „Wir warnen vor dem Ankauf der angebotenen wertlosen Apparate“ – wirklich brauchbare Gassparer gebe es nur beim Gaswerk selbst zu kaufen (BZ vom 6. September). Ob das alles zutraf oder ob das Gaswerk eher eigennützig als altruistisch argumentierte?

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Verlorene Uhren und verlorene Begriffe

Manche Begriffe verschwinden im Laufe der Zeit aus dem Alltagsleben – an einige von ihnen sei hier erinnert.

BZ, 26. Januar 1924

BZ, 29. September 1924

Es kann wohl nur beim Transport einer größeren Uhr vorkommen, dass ein Perpendikel, heute würde man Pendel sagen, verlorengeht. Ob es sich bei der Uhr um einen Regulator (Auktionsobjekt, BZ vom 5. April 1924) handelte, also eine besonders genau gehende Uhr, kann nicht gesagt werden. Edith Ohlys Damenuhr war sicher zu klein für ein Perpendikel, aber als eine Tula-Uhr, also eine Niello-Arbeit, dürfte sie schon zu den besseren Produkten gezählt haben.

BZ, 10. Oktober 1924

BZ, 12. Juli 1924

Der Begriff Forke wird heute wohl ausschließlich für landwirtschaftliches Gerät genutzt; für den zum Essbesteck gehörenden Gegenstand hat sich das Wort Gabel durchgesetzt; Alpaka bezeichnet hier nicht die südamerikanische Kamelart, sondern wie Britannia eine Metalllegierung. Über Carl Sievers‘ Geschäftsausstattung weiß man nichts – man kann aber davon ausgehen, dass Tonbank und Reol vorhanden waren: die Tonbank war keine geologische Formation, sondern der Ladentisch/der Verkaufstresen, und im Reol wurden in den verschiedenen Fächern die Waren gelagert. Während Wikipedia unter Reol eine heutige japanische Tonkünstlerin vorstellt, findet man im Hamburgischen Wörterbuch unter „Reaal“ die zutreffende Erklärung des Hier und Damals.

BZ, 16. Juni 1924

Ebenfalls nur mit Hilfe des Hamburgischen Wörterbuchs kann man herausfinden, was Bohnenschächte waren: Stangen, an denen Bohnen emporranken.

 

BZ, 15. Dezember 1924

Hinsichtlich der „Hexe“ führt Wikipedia die Suchenden auf Abwege – erst die Eingabe von „Kochhexe“ führt zu der zutreffenden Erklärung: es ging nicht um Hexenhandel oder um das bekannte Grimmsche Märchen, sondern um einen einfachen Herd aus Eisenblech.

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Von Mardern und Hühnern

Bergedorfer Zeitung, 2. Februar 1924

Ein Marder ist laut Digitalem Wörterbuch der deutschen Sprache ein „mittelgroßes oder kleines braunes Raubtier, meist mit sehr gestrecktem, reich und fein behaartem Körper, das als diebisch gilt, weil es auch Geflügel erbeutet“ – vor 100 Jahren bezeichnete die BZ Fahrraddiebe, also zweibeinige Räuber, die vor allem im Schutz der Dunkelheit operierten, als Fahrradmarder (siehe z.B. BZ vom 12. April). Geht man nach den Zeitungsmeldungen des Jahres, so traten nur menschliche Marder in Erscheinung, keine tierischen.

BZ, 13. Mai 1924

BZ, 4. Oktober 1924

Die „Marder“ aller Arten waren aber nicht die einzigen, die Hühnern nachstellten: auf dem Lande war es nicht unüblich, Hühner frei laufen zu lassen – doch wenn das Federvieh Grundstücksgrenzen ignorierte, konnte es in Gefahr geraten, wobei – siehe Anzeige links – ein „gerichtliches“ Vorgehen gegen den Halter die mildere Variante war, was die als nicht hochintelligent angesehenen Tiere nicht zu Verhaltensänderungen bewogen haben dürfte. Das Erschießen von grenzüberschreitendem Geflügel – siehe Anzeige rechts – war eine Radikallösung, deren Rechtmäßigkeit zu bezweifeln ist.

Bergedorfer Zeitung, 4. Dezember 1924

Ihres Lebens zunächst einigermaßen sicher sein konnten diejenigen Hühner, die bei der alljährlichen Ausstellung des Bergedorfer Geflügelzüchtervereins prämiert wurden, immerhin erhielten ca. 40 von ihnen Ehrenpreise (BZ vom 8. Dezember). Das Deutsche Reichshuhn war nicht unter den Ausgezeichneten, wohl aber „goldhalsige deutsche Zwerge“, worüber hier nicht philosophiert werden soll.

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Die Sander Probleme mit dem Bahnhof Bergedorf

Bergedorfer Zeitung, 26. März 1914

Bergedorfer Zeitung, 9. April 1924

Obwohl der Bahnhof teilweise auf preußischem Gebiet lag, also in Sande, hieß er nicht „Bergedorf-Sande“, sondern schlicht „Bergedorf“ – für die Sander ein schon Jahrzehnte währendes Ärgernis: man fühlte sich diskriminiert. Noch mehr als die Stationsbezeichnung störte aber, dass es von Sande aus keinen Zugang zu den Bahngleisen gab: man musste den Umweg über die Holstenstraße nehmen, und der war alles andere als beliebt. Oft musste man an den geschlossenen Bahnschranken warten, und wer nicht warten wollte oder konnte, musste den anrüchigen Fußgängertunnel unter den Bahngleisen nehmen.

Bahnschranke an der Holstenstraße – rechts davon der Niedergang zum Fußgängertunnel

Bahnschranken an der Holstenstraße – rechts davon der Niedergang zum Fußgängertunnel, im Vordergrund eines der Bahngleise

 

 

 

 

 

 

 

Bergedorfer Zeitung, 2. August 1924

Dieses Anliegens nahm sich auch Bergedorfs „Wirtschaftliche Vereinigung zur Förderung von Industrie, Großhandel und Verkehr“ an, unterstützt vom Bürgerverein und der Gemeindevertretung Sandes (BZ vom 4. September und 15. Oktober). Mit einer Eingabe zur Früherlegung eines Güterzugs hatte der Verband Erfolg gehabt (siehe den Beitrag zum Verkehrshindernis Reichsbahn), aber bei den aktuellen Anliegen zeigte sich die Bahn unnachgiebig.

Bergedorfer Zeitung, 27. September 1924

Damit wollte sich die Vereinigung nicht zufriedengeben: sie schrieb nun an das Reichsverkehrsministerium als Aufsichtsbehörde der Reichsbahn: der volkswirtschaftliche Nutzen dieses neuen Ausgangs überwiege „die fiskalischen Bedenken hinsichtlich der Baukosten bei weitem“. Die Antwort war enttäuschend: nach den gesetzlichen Bestimmungen stehe dem Ministerium eine Einflußnahme auf derartige bauliche Maßnahmen nicht zu (BZ vom 16. Februar 1925).

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Die ungeliebte Fortbildungsschule

Bergedorfer Zeitung, 2. Dezember 1924

Die 1919 eingeführte Fortbildungsschulpflicht stieß in den Dörfern um Bergedorf weiterhin auf verbreitete Ablehnung bis hin zum Boykott. Die Curslacker Gemeindevertretung zum Beispiel hielt „die Wiedereinführung des Fortbildungsschulunterrichts in der bisherigen Weise … für völlig zwecklos“ (BZ vom 30. September 1924): Verstöße gegen die Schulpflicht konnten nicht sanktioniert werden, und der Unterricht wurde von den Dorfschullehrern erteilt, nicht von Fachlehrern, brachte den Jugendlichen und den Betrieben also keinen fachlichen Nutzen.

Nun sollte ein neuer Versuch gestartet werden, mit reduzierter Stundentafel, zunächst beschränkt auf einen Schülerjahrgang, nur in den Wintermonaten, erteilt durch „führende Praktiker“ im Obst- und Gemüsebau, die als hauptamtliche Kräfte allerdings „Wanderunterricht“ geben sollten, also von Schule zu Schule wandern – mit einem solchen System habe man bei der weiblichen Jugend im Koch- und Nähunterricht gute Erfahrungen gemacht.

Die Einführung des neuen Modells in modifizierter Form ging in den Vierlanden schneller voran als in den Marschlanden, und statt zahlreicher „einklassiger und einstufiger Zwergschulen“ sollte es wenige größere Fachschulen geben, auch für den Hauswirtschafts- und Kochunterricht der Mädchen (BZ vom 19. September und 7. Dezember 1925).

Im städtischen Bereich war die Lage etwas anders: dort forderte die Wirtschaftliche Vereinigung, also der örtliche Arbeitgeberverband, den Fortbildungsunterricht außerhalb der Arbeitszeit zu ermöglichen (BZ vom 26. Juni 1924), also abends und/oder sonntags. Dazu kam es aber nicht.

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Die Promi-Hochzeit in Sande

Bergedorfer Zeitung, 5. April 1924

Wahrscheinlich war die Schauspielerin Fern Andra bekannter als ihr Bräutigam, der Profi-Boxer Kurt Prenzel – auch in Sande, obwohl Prenzel von dort stammte. „Viele Schaulustige“ hatten sich beim Sander Standesamt eingefunden, um sie oder ihn oder beide zu sehen, aber ein Medienereignis war es nicht: das Hamburger Fremdenblatt vom 7. April meldete in knappen Worten die Eheschließung und beförderte Prenzel dabei zu einem „Hamburger Jung“; ähnlich wortarm am selben Tage die Wilhelmsburger Zeitung, die Prenzel zum Mittelgewichtsringer machte (beide Blätter im Portal Hamburger Zeitungen Digital). Die anderen Hamburger Zeitungen übergingen das Event.

1925 übernahm Prenzel eine größere Rolle im Film „und es lockt ein Ruf aus sündiger Welt“ (Hauptrolle: Fern Andra) – das reicht eigentlich nicht, ihn als neuen Filmstar zu bezeichnen (so aber Helen Barr), denn weitere große Rollen konnten nicht nachgewiesen werden. Auch in seinem eigentlichen Beruf des Preisboxers lief nicht alles wie gewünscht: 1925 wollte er seine Frau vor einem tollwütigen Hund beschützen, wurde dabei selbst gebissen und lange außer Gefecht gesetzt, wie es auf einer Seite der Hoosier State Chronicles heißt (u.a. dort auch Fotos).

Lange bestand die Ehe nicht: 1927 meldete die Magdeburger Volksstimme, dass Prenzel wegen „ehewidrigen Verhaltens“ Andras (die dieses bestritt) die Scheidung einreichte. Der geschiedene Prenzel kehrte nicht nach Sande zurück: er emigrierte in die USA und boxte weiter, wie man auf einer Liste seiner Kämpfe sieht.

 

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Lyrische Blüten aus Bergedorf

Über die Jahre hin hatte die BZ Gedichte von „Felicitas“ veröffentlicht, u.a. „Sehnsucht“ und „Heimatglockenklang“ (BZ vom 12. Juli und 7. August 1923) – das Pseudonym, das auf eine Dichterin hindeutete, wurde 1924 gelüftet: Felicitas war der in Bergedorf am Reinbeker Weg wohnende siebzigjährige Hamburger Kaufmann Hinrich Schnitger.

Bergedorfer Zeitung, 29. Januar 1924

Bergedorfer Zeitung, 28. Februar 1924 – weitere Gedichte Schnitgers in der BZ vom 28. Juni, 12. Juli und 17. September 1924

Mit dem Verkaufserlös seines Buches wollte Schnitger „die Not der armen Kinder Bergedorfs“ lindern, und obwohl der Preis mit 10 Mark nicht gering war, ging der Verkauf flott: schon Ende März waren 43 von 50 Exemplaren verkauft, und Pastor Behrmann quittierte den entsprechenden Spendeneingang (BZ vom 15. Januar, 14. und 25. März 1924). Schnitger finanzierte übrigens die Herstellung des Buches (bei Konrad Hanf in Hamburg) komplett aus eigener Tasche.

Schnitger fand offenbar Gefallen an Dichtung und Publikation, denn insgesamt erschienen vier Bände seiner „Blumen vom Lebenswege“ – der erste Band ist in Hamburg nur in der Bibliothek des Museums für Bergedorf und die Vierlande vorhanden.

Bergedorfer Zeitung, 17. Dezember 1924

Noch ein weiterer Bergedorfer publizierte 1924 eigene Gedichte: Alfred Staningk, laut Adressbuch Lehrer von Beruf, wohnhaft Brauerstraße. Sein „Weg zur Freude“ erschien sogar im Bergedorfer Schafferverlag Carl Weißleder (Weißleder hatte offenbar sein Geschäftsfeld (Hypnotismus und dergleichen) erweitert und verlegte jetzt auch Bücher aus diesem Bereich). Ein Gedicht Staningks druckte die BZ nicht, aber doch eine Leseempfehlung in der Rubrik Literarisches: „Das Buch eines Ringenden, der durch Leid und Verzagtheit den Weg zu sonnigen Höhen gefunden hat.“

Unter den weiteren BZ-Hinweisen auf „Literarisches“ findet man z.B. Plattdeutsches von Otto Garber und Paul Wriede (BZ vom 18. und 11. Oktober), historisierende Hamburg-Romane (BZ vom 28. November und 9. Dezember) oder Heimatführer (BZ vom 15. Juli und 8. Dezember). Literaturfreunde konnten sich mit den Fortsetzungsromanen in der Zeitung (z.B. Johann Brüdt, Der lateinische Bauer) zerstreuen, doch Freunde der literarischen Avantgarde wurden in der BZ nicht fündig.

 

 

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Der Bürgerschaftswahlkampf 1924

Bergedorfer Zeitung, 16. Oktober 1924 (Schluss eines Berichts über eine SPD-Versammlung)

Der Bürgerschaftswahlkampf im Oktober 1924 verlief in der Landherrenschaft Bergedorf wohl friedlich – anders als bei den vorangegangenen Wahlen zur Bürgervertretung im Februar und zum Reichstag im April desselben Jahres. Zwar ist die BZ der letzten dreizehn Oktobertage (und fast des ganzen Novembers) 1924 nicht erhalten geblieben, aber die durchgesehenen Hamburger Tageszeitungen (Hamburger Fremdenblatt, Hamburgischer Correspondent, Hamburger Volkszeitung, alle im Portal Hamburger Zeitungen Digital) aus diesem Zeitraum schrieben in ihren Berichten aus Bergedorf nichts über besondere Vorkommnisse.

Bergedorfer Zeitung, 16. Oktober 1924 (Schluss eines Berichts über eine DNVP-Versammlung)

Zwei Ereignisse sind aber einer Erwähnung wert: laut Hamburger Echo hatte die DNVP in der BZ eine Anzeige geschaltet, die Reichsbanner-Angehörige „wegen Veranstaltungsstörung“ explizit von ihren Versammlungen ausschloss – doch hiervon distanzierten sich die Bergedorfer Deutschnationalen: an ihrem Abend im Colosseum nahmen auch Reichsbannerleute teil, und alles verlief ruhig und in geordneten Bahnen (Hamburger Echo vom 25. Oktober). Über gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen SPD-Reichsbanner-Gruppen und KPD-Plakatklebern in der Nacht vor der Wahl in „allen Stadtteilen“ berichtete exklusiv die Hamburger Volkszeitung (27. Oktober), die sich ansonsten mehrfach über geringe Beteiligung an Veranstaltungen anderer Parteien mokierte (20. und 21. Oktober).

Bergedorfer Zeitung, 16. Oktober 1924 (Schluss eines Berichts über eine DNVP-Versammlung)

Nahezu jede Wahlveranstaltung im Raum Bergedorf war auch von politischen Gegnern besucht, die oft selbst Kandidaten waren, „den anderen“ nicht das politische Feld überlassen wollten und/oder darauf hofften, in der Diskussion unentschlossene Wählerinnen und Wähler überzeugen zu können. Die Motive im einzelnen lassen sich nicht ergründen: an einer Veranstaltung des „Völkisch-Sozialen Blocks“ nahmen SPD- wie KPD-Anhänger teil – man beschimpfte sich gegenseitig, aber es blieb alles friedlich (Hamburger Echo vom 24. Oktober).

Bergedorfer Zeitung, 16. Oktober 1924 (Schluss eines Berichts über eine DNVP-Versammlung)

Für die Kandidaten bedeutete diese Art der Wahlkampfführung, dass sie sich mal in diesem, mal in jenem Lokal trafen, mal war der eine Veranstalter und Redner, der andere Diskutant, mal umgekehrt. Einmalig war wohl (durch einen Fehler des Wirts) die „Doppelvermietung“ eines Saals in Kirchwärder-Seefeld an DVP und DNVP, doch auch hier blieb ein Konflikt aus: „Auf dem Wege gütlicher Verständigung gingen beide Versammlungen ineinander über“ (BZ vom 14. Oktober), was auch den erschienenen Gegnern lange Wege ersparte.

Die Wahlergebnisse sind online einzusehen in den Statistischen Mitteilungen über den hamburgischen Staat Nr. 15.

 

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Wulstreifen und Langsamradeln

Bergedorfer Zeitung, 18. Oktober 1924

Bergedorfs führender Fahrradverein, der national und international erfolgreiche RV Sport, wird wohl die Nase gerümpft oder zumindest herablassend milde gelächelt haben über die Vereinsmeisterschaft des Curslacker Radfahrervereins von 1895.

Beim Rennen der Männer über 12,3 km erfolgte der Start zeitlich gestaffelt, je nach Art der Bereifung. Der objektiv schnellste Fahrer muss B. Wobbe gewesen sein, der in Gruppe zwei oder drei (Draht- bzw. Schlauchreifen) gestartet war und den Sieger A. Buhk (Wulstreifen) fast eingeholt hätte. In welchem Ausmaß die Platzierungen vom Reifen- und Fahrradmaterial beeinflusst waren, weiß man nicht. Wobbe wird jedenfalls nicht glücklich darüber gewesen sein, dass er trotz der schnellsten Zeit sich nicht mit dem Meistertitel schmücken durfte.

Die Männer absolvierten ihr Rennen mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 32 km/h – die Siegerin des Damenrennens kam nur auf ca. 1,65 km/h – die elf anderen Damen waren schneller, aber Ziel des Wettbewerbs war das Langsamfahren, bei dem der Boden nicht mit dem Fuß berührt werden durfte – und einhundert Meter per Fahrrad in über dreieinhalb Minuten zu radeln dürfte nicht einfach gewesen sein.

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Vom Tretrad zur motorisierten Streife – die Polizei wird moderner

Bergedorfer Zeitung, 15. Oktober 1924

Die Beschwerden über den motorisierten Verkehr rissen nicht ab. Die Überschreitung der innerörtlichen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h führte wiederholt zu schweren Unfällen; Lärm, Qualm und Gestank der Motorräder („Chausseeflöhe“, BZ vom 14. Juni 1924) nervten die Menschen – aber nun wollte die Polizei dagegen vorgehen, mit „weit höheren Strafen und Fahrscheinentziehung in größerem Umfang als bisher“, mit Motorrad- und Kraftwagenstreifen statt mit polizeilichem „Straßendienst zu Fuß oder auf dem Tretrad“.

Ob diese Kräfte auch in Bergedorf zum Einsatz kamen, war der BZ nicht zu entnehmen. Die Forderung des BZ-Redakteurs Hanns Lotz, das Maximaltempo in der Stadt zu halbieren (BZ vom 14. Juni 1924), wurde in einem Teilbereich umgesetzt: in dem ost-westlichen Hauptstraßenzug Holstenstraße – Große Straße – Sachsenstraße durfte ab Herbst sogar nur noch mit 12 km/h gefahren werden (BZ 27. Dezember 1924). Ob (und ggf. wie lange) dieses Tempolimit nach Ende von Pflasterungsarbeiten bestehen blieb, ist offen.

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