Am Sonntag zum Friseur?

 

Bergedorfer Zeitung, 17. April 1925

Friseursalons für Damen blieben an Sonn- und Feiertagen geschlossen, nur am Oster- und am Pfingstsonntag sowie am 25. Dezember durften sich Damen professionell die Haare richten lassen.

 

 

Bergedorfer Zeitung, 12. August 1925

 

Wenn dagegen Männer glaubten, nicht unrasiert oder unfrisiert über den Sonntag kommen zu können, hatten sie am Vormittag die Gelegenheit, sich (zu einem erhöhten Preis) behandeln zu lassen.

Bergedorfer Zeitung, 3. März 1925

Über die Sinnhaftigkeit dieser Ungleichbehandlung von Friseuren und Friseurinnen bzw. Kunden und Kundinnen liegen keine Erkenntnisse vor. Das Verbot des Geschäftsbetriebs im Damen-Friseur-Gewerbe an den genannten Tagen galt in Hamburg und Bergedorf gleichermaßen, und es wurde offenbar auch durchgesetzt, wie das hier wiedergegebene Urteil des Amtsgerichts Hamburg belegt.

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Die Jubelfeiern für den umstrittenen Schulleiter

Bergedorfer Zeitung, 9. April 1925

„Zehn Jahre Hansaschule“ ist ja eingängiger als „Die Hansaschule während des ersten Jahrzehnts … im neuen Schulgebäude“, aber die Formulierung der BZ ist schlicht falsch und auch von journalistischer Verkürzung nicht gedeckt, denn die Schule war 1883 gegründet worden. Eigentlicher Anlass (auch wenn es nirgends laut gesagt wurde) für die 1925 erschienene 80seitige Schrift war das 25jährige Jubiläum Ferdinand Ohlys als Direktor. Die Schrift, vorgeblich über die Schule in den Jahren 1914/15 bis 1924/25, lässt über den Verfasser Ferdinand Ohly wohl genau so viel erkennen: er und „seine“ Schule waren geistig dem Kaiserreich verhaftet, was ihnen auf der einen Seite viele Freunde einbrachte, auf der anderen aber entschiedene Gegner (siehe z.B. den Beitrag zur Elternratswahl 1924).

Die 25. Wiederkehr des Tages von Ohlys Amtsübernahme wurde in Bergedorf groß gefeiert, und die Berichte der BZ waren ausführlich: den Festrednern in der Aula wurde breiter Raum zur Würdigung des von den Schülern „verehrten Direktors“ gewährt, die Wiedergabe der Reden und ehrenden Worte nahm fast eine ganze Seite ein (BZ vom 27. März). Trotz miserablen Wetters wurde der Fackelzug durch das Villenviertel (mit Reden auf dem Schulhof, BZ vom 28. März) zur „eindrucksvollen Kundgebung“. Den Abschluss bildete dann ein Festabend im Colosseum mit diversen Aufführungen und weiteren Reden – dort war der Saal „mit Tannengrün, schwarz-weiß-roten Fahnengehängen sowie mit der Schulfahne“ geschmückt (BZ vom 30. März).

Dass in diesem Flaggenmeer die Reichsfarben schwarz-rot-gold fehlten, war sicher kein Zufall, siehe den Beitrag zum Streit um die Flaggenfarben, und zur Feier in der Schule hatte man die Hamburger Farben gehisst – Ohly war ja Landesbeamter.

Als ehemaligem Frontkämpfer und als Ehrenvorsitzendem des Militärvereins Germania sowie als bei der DNVP engagierter Bergedorfer (siehe den Beitrag zur Bergedorfer Bilderstürmerei) erwies ihm der Militärverein ebenso die Ehre wie der rechtsstehende Bürgervertreter Eugen Clauß für seine Fraktion; für die ehemalige Jugendkompanie 51 und Jung-Bergedorf lobte Dr. Machleidt den Jubilar als „Erwecker nationalen Geistes in der Jugend“.

Bergedorfs Bürgermeister Wilhelm Wiesner war vermutlich weder unter den Rednern noch unter den Teilnehmern, was nicht überrascht, denn der Sozialdemokrat Wiesner war mit dem Deutschnationalen Ohly immer wieder heftig aneinandergeraten, wie in diesem Blog u.a. im Beitrag über Das Personalkarussell in der Stadtvertretung zu lesen ist.

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Keine Weicheier fürs Gesinde – Osterwasser für die Schönheit

Bergedorfer Zeitung, 14. April 1925

Der Zuschrift nach gab es für das „Gesinde“ auf Vierländer Bauernhöfen zu Ostern hartgekochte Eier in beachtlicher Zahl, streng hierarchisch abgestuft und nichts für menschliche Weicheier – aber war das vor hundert Jahren wirklich noch so?

Belege sind kaum zu finden – lediglich bei dem Volkskundler Ernst Finder, Die Vierlande, Band 2, S. 199, wird diese (Un-)Sitte beschrieben, wobei nicht klar ist, ob er die Gegenwart (frühes 20. Jahrhundert) oder die Vergangenheit (19. Jahrhundert) darstellt: auf manchen Höfen durfte jeder „nach Können und Vermögen essen … Bei solchem Eieressen hat mancher, um als fixer Kerl zu gelten, unter Schädigung seiner Gesundheit dreißig Eier und mehr, die ersten sogar mit der Schale gegessen. Todesfälle infolge solcher Unmäßigkeit sind mehrfach bezeugt.“

Die Bergedorfer Zeitung berichtete zwar immer wieder über Osterbräuche, doch bis auf eine Ausnahme (s.u.) ohne jeden Bezug zu ihrem Verbreitungsgebiet: sie übernahm wohl Texte, deren Herkunft nicht recherchiert wurde, die aber katholischen Gegenden entstammten: die Weihung von Palmzweigen (BZ vom 4. April 1925) ist ein bis heute praktizierter katholischer Brauch; für protestantische Gebiete wurden keine Belege gefunden (vgl. Finder, a.a.O., S. 196).

Bergedorfer Zeitung, 11. April 1925

Das „Osterwasser“ wiederum wurde wohl deutschlandweit geschöpft, wenn auch mit kleinen Unterschieden. Zwar stand in der BZ zu lesen, dass das Wasser aus einem nach Osten fließendem Quell geschöpft werden musste – einen solchen Quell gab und gibt es in ganz Vierlanden nicht, dennoch wurde dort Wasser vor Sonnenaufgang schweigend geschöpft. Legt man die Darstellungen in der BZ über die Jahrzehnte nebeneinander, so sollte das von Mädchen und Frauen gewonnene Wasser mal die Schönheit erhalten, mal zur Schönheit verhelfen, mal sollte es heilkräftig sein; mancherorts beteiligten sich auch Burschen und es durfte immerhin gesungen werden (BZ vom 16. April 1892, 16. April 1905, 27. März 1910 und 19. April 1914; siehe auch Finder, a.a.O., S. 199f.). Allerdings hatte Johann Friedrich Voigt in den Mitteilungen des Vereins für Hamburgische Geschichte, [1. Bd,] 2.1880, S. 31, schon Jahrzehnte vorher konstatiert: „Der Glaube an die Heilkraft des am Ostersonntag vor Sonnenaufgang in aller Stille geschöpften Wassers scheint in der Umgegend Hamburgs fast vollständig verschwunden zu sein.“

Bergedorfer Zeitung, 16. April 1938

Nichtsdestotrotz: 1938 schrieb die BZ, dass in Geesthacht Osterwasser „auch heutzutage noch von Bewohnern mit dem festen Glauben an dessen Wirksamkeit geholt wird.“ Doch die weitere Schilderung des Rituals ist im Präteritum geschrieben: man „begab sich“ an die Elbe oder eine Quelle, denn das Wasser „sollte Glück ins Haus bringen und war auch heilsam für die Augen und gegen Hautausschlag; ferner sollte es das ganze Jahr frisch bleiben.“ (BZ vom 16. April 1938) Das war also kein Augenzeugenbericht.

 

 

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Der deutsche Waldlaufmeister mit der Bowle

Bergedorfer Zeitung, 3. April 1925

Die deutschen Meisterschaften waren bereits der dritte große Waldlauf des Jahres in Bergedorf; im März waren hier die Hamburger und die norddeutschen Titel vergeben worden, im Gegensatz zum Vorjahr ohne Glatteis (siehe den Beitrag Waldlauf mit Hindernissen).

Die Bergedorfer Sportler mussten sich bei dem Lauf zur deutschen Meisterschaft auf das Zuschauen beschränken, sie hatten sich nicht für das Teilnehmerfeld qualifizieren können – überhaupt wurde in der BZ bei den Rennen im März nur ein einziger Bergedorfer namentlich genannt, der Jugendliche Richter, der Hamburger Vizemeister wurde. Alle anderen waren wohl unter „ferner liefen“, wurden aber nicht erwähnt (BZ vom 9. und 20. März).

Bergedorfer Zeitung, 6. April 1925 (gekürzt)

Für Bergedorf war es dennoch ein Großereignis – ob es „internationale Bedeutung“ hatte, sei dahingestellt – Stadt und Bürger hissten die Flaggen, viele Bürger gaben dem „Zug der Sportjünger“ das Geleit, Marschmusik ertönte, man harrte am Start und auf der Strecke des sportlichen Ereignisses, und man befolgte wohl den Appell: „Die Rennleitung ersucht die Zuschauer dringend, den Läufern auf allen Wegen bereitwilligst Platz zu machen“ (BZ vom 4. April). Störungsmeldungen gab es keine, und der Läufer Graßmann aus Vielau (nahe Zwickau) konnte sich nicht nur über seine Titelverteidigung freuen, sondern auch über den vom Rat der Stadt Bergedorf gestifteten Ehrenpreis, eine Bowle. Die bot sich dann bestimmt für eine Waldmeisterbowle an.

Bergedorfer Zeitung, 6. April 1925

Ebenfalls am 5. April wurden die nordwestdeutschen Meisterschaften im Geländelauf ausgetragen (in Elmshorn) – der Sieger gehörte zu einem Männerturnverein, also zur Deutschen Turnerschaft – die Bergedorfer Rennen hingegen trug die Konkurrenz aus: Spiel und Sport Bergedorf e.V. war Mitglied im Norddeutschen Fußballverband, und dieser wieder gehörte zur Deutschen Sportbehörde für Leichtathletik.

 

 

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Der Handel mit Kirchenplätzen

BZ, 31. Januar 1925

Wer früher in den Vierlanden ein Grundstück erwarb, übernahm damit nicht nur die Pflicht zur Deichunterhaltung und -verteidigung, sondern auch einen festen Platz oder eine Bank in der Kirche, und viele Grundeigentümer machten ihre Plätze durch Namensschilder kenntlich, meist mit Intarsien versehen (siehe hierzu in der Aufsatzsammlung Vierlande – Band 1 die Ausführungen auf S. 153 und S. 184). Diese Schilder konnten durchaus irreführend sein: wenn z.B. ein Timmann sein Haus (mit Deichabschnitt und Kirchenplatz) an einen Wulff verkaufte, dann übernahm Wulff ggf. auch das Namensschild und kümmerte sich nicht weiter um die Diskrepanz.

BZ, 24. Februar 1925

Wann genau aus diesem „Dreiklang“ von Grundbesitz – Deichpflichten – Kirchenplatz der Kirchenplatz ausschied, ist wohl nicht recherchiert – in Neuengamme ging es 1925 jedenfalls um die Sitze in der Kirche: bei einer Art Generalrevision der Bänke und des Kirchenregisters sollte Klarheit geschaffen werden – und wenn sich Besitzer nicht meldeten oder ihre Besitzansprüche nicht belegen konnten, fielen ihre Plätze an die Kirche.

 

BZ, 25. März 1925

Wenn ein Bankeigner eben dieses nicht länger sein wollte, konnte er Plätze an die Kirche zurückgeben – oder er konnte versuchen, sie freihändig zu verkaufen. Aber bei weit über einhundert freigewordenen Plätzen dürfte ein eventueller Erlös eher schmal gewesen sein.

 

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Die Füße am Boden, den Blick zum Himmel – Weiterbildung in Bergedorf

Bergedorfer Zeitung, 21. März 1925

Man kann durchaus fragen, warum die Berufsschule Bergedorf Unterrichtskurse für die Allgemeinheit, also nicht nur ihre Schülerinnen und Schüler, anbot: wäre das nicht Aufgabe der Volkshochschule (VHS) gewesen?

Aber 1924/1925 funktionierte die VHS offenbar mehr schlecht als recht: laut Inseraten sollte es Deutschunterricht geben; andere Kurse sollten „demnächst“ bekanntgemacht werden (BZ vom 26. September 1924), doch über diese war in der BZ nichts zu finden, und die Anmeldungen für die Deutschkurse tröpfelten so spärlich, dass nach Anmeldeschluss erneut für die Teilnahme geworben wurde (BZ vom 11. Oktober 1924).

Die Stadtväter setzten 1925 also verstärkt auf die Berufsschule, die bodenständig-praktisch allen Bildungswilligen Wissen vermitteln sollte (was die Volkshochschule 1919 geleistet hatte) und auch städtisches Geld für den Kauf von Schreibmaschinen erhielt (BZ vom 26. November 1925).

Bergedorfer Zeitung, 9. Januar 1925

Die VHS richtete dann Anfang 1925 den Blick auf Höheres: drei Abende mit Dr. Kruse von der Sternwarte Bergedorf fanden in der Aula der Stadtschulen statt (Anzeigen in der BZ vom 9. und 24. Januar sowie 3. Februar 1925).

Wie intensiv und wie zahlreich die verschiedenen Angebote genutzt wurden, ist nicht bekannt. Der Ausgabenansatz für „Volksbildungszwecke“ im städtischen Haushalt wurde jedenfalls von 10.000 Mark auf 15.000 Mark erhöht (BZ vom 25. März 1925) und später sogar noch um 2.000 Mark aufgestockt (BZ vom 20. November 1925).

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Ein „Toller-Abend“ in Bergedorf

Bergedorfer Zeitung, 13. März 1925

Ausgerechnet in der 1925 konservativen bis reaktionären Bergedorfer Zeitung machte die Sozialistische Arbeiterjugend (SAJ) Bergedorf-Sande Werbung für ihren Theaterabend mit drei Stücken des Revolutionärs und Dramatikers Ernst Toller – ob BZ-Leserinnen oder -Leser dann unter den Zuschauern waren, ist unbekannt, denn einen Bericht über die Aufführung brachte die BZ nicht, was wiederum nicht wirklich überrascht.

Auch gleichaltrige Gegner der SAJ werden der Veranstaltung ferngeblieben sein – hätten „Jung-Bergedorf“ und der ähnlich ausgerichtete „Niedersachsenring“ teilgenommen, wären Auseinandersetzungen wohl kaum ausgeblieben, und darüber hätte die BZ sicher etwas geschrieben. Nur einmal wurde eine Schlägerei „zwischen jungen Leuten von ‚Jung-Bergedorf‘ und jungen Leuten aus der Feld- bezw. Bergstraße“ gemeldet (BZ vom 28. Oktober) – man darf vermuten, dass letztere SAJler waren.

Die SAJ tauchte 1925 noch zweimal in der BZ auf: einmal in einem Artikel über eine SAJ-Kundgebung mit Arbeiterkampfliedern, zwei Reden zur Bedeutung der sozialistischen Jugendbewegung und abschließendem Fackelzug nach Sande (BZ vom 11. Mai) sowie in einem Bericht über eine „ausgezeichnete“ Vorführung von Volkstänzen bei der Gartenbauausstellung (BZ vom 7. September). Sehr viel mehr Zeitungszeilen erhielt die Gegenseite (BZ vom 17. März, 9. April, 30. Juni, 21. September und 9. November), mit der die BZ unverhohlen sympathisierte.

Zur Entwicklung der örtlichen SAJ siehe die Schilderungen bei Alfred Dreckmann, zu Jung-Bergedorf siehe Jürgen Klein.

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Schulkarussell mit Baracke

Bergedorfer Zeitung, 12. März 1925

Bergedorfer Zeitung, 12. März 1925

Was heute der Pavillon, war vor hundert Jahren die Baracke: eine Notlösung zur schnellen Schaffung dringend benötigten Schulraums. Das Bergedorfer Schulkarussell kam auch nicht ohne Baracke(n) aus. 1925 mussten zwei Klassen der Luisenschule in eine Baracke ausgelagert werden, die ursprünglich für Hansaschüler errichtet worden war, als diese Schule noch an der Wentorfer Straße lag. Diese Baracke zog nun quasi der Hansaschule hinterher: sie wurde hinter dem Schulgebäude (seit 1914 an der Bismarckstraße) wieder errichtet, wodurch zwei Mädchenklassen der Luisenschule den für sie separierten Bereich des Hansa-Gebäudes, den sogenannten „Gänsestall“, verlassen konnten und die Hansaschule wieder übernehmen konnte (Zur Hansaschule siehe die historische Darstellung von Wolfgang Böge und Günter Hartmann, S. 18, sowie Ferdinand Ohly, S. 61, und BZ vom 21. Juni 1926).

Das Stadthaus wiederum war bis 1914 von der Hansaschule genutzt worden – die Schulbaracken nahmen zeitweise die Hilfsschule und auch Verwaltungseinrichtungen auf, z.B. fand dort 1920 die städtische Kartoffelausgabe statt. Das Stadthaus sollte umziehen in die ehemals Messtorfsche Villa nach Umbau zum Rathaus, und damit konnte das Stadthaus-Gebäude die Berufsschule und (in einem Anbau) die Hilfsschule aufnehmen, was wiederum die für die Volksschulen erforderlichen Räume freimachte, denn auch dort gab es Platzbedarf.

Erst 1931 konnte die Luisenschule, die mehrere Jahre lang auch eine „Filiale“ am Reinbeker Weg hatte, alle unter einem Dach vereinen (Hierzu die knappe Selbstdarstellung der Luisenschule und den Beitrag zum Lyzeum für Bergedorf). Damit stand das Karussell endlich still.

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Düngemittel auf Pump

Bergedorfer Zeitung, 4. März 1925

Der Senat wollte den Teufelskreislauf durchbrechen: den Gemüsebauern fehlte das Geld zum Kauf von Dünger. Ohne Düngung würde es nur geringe Erträge geben, die nicht ausreichen würden, um die Bevölkerung mit günstigen Nahrungsmitteln zu versorgen. Also sollte den Bauern über den Staatshaushalt die Aufnahme relativ günstiger Kredite für Düngemittel ermöglicht werden, und Hamburgs Landespolitik hoffte, dass die Gemüsegärtner die Kredite im Herbst aus der größeren Ernte und den entsprechend höheren Erlösen würden zurückzahlen können.

Das Programm wurde mehrfach überzeichnet, aber glücklich waren weder die kleinen noch die großen Landwirte, denn gleichzeitig lag dem Landesparlament ein Antrag des Senats auf Erhebung einer Infrastrukturabgabe vor: die Grundeigentümer der Vier- und Marschlande, also fast ausschließlich Bauern und Gärtner, sollten zu den Kosten für die Ent- und Bewässerungsanlagen, den Straßen- und Wegebau sowie den Bau der Marschbahn herangezogen werden. 30 Goldmark pro Hektar waren vorgesehen, eine „Erdrosselungssteuer“, wie die BZ ebenfalls am 4. März aus einer Protestversammlung von Bauern zitierte, denn der Markt sei „mit ausländischem Gemüse überschwemmt“ und Preiserhöhungen seien deshalb nicht möglich. Auch sei die Abgabe ungerecht, denn einige Gemeinden hätten von den Maßnahmen keinerlei Vorteile.

Der Protest war nicht vergebens: zwar wurde die Abgabe beschlossen, aber der Zahlungsbeginn wurde hinausgeschoben und die Beiträge sollten erst gestuft erhoben werden, Moorfleet und Allermöhe sollten sogar aufgrund der gemeindlichen Vorleistungen ganz befreit werden (BZ vom 29. Juni, 4. und 16. Juli sowie 21. November).

Der Düngemittel-Teufelskreislauf ging übrigens weiter; als sich abzeichnete, dass viele Kreditnehmer nicht fristgemäß würden zurückzahlen können, sprang die Hamburger Feuerkasse als Kreditgeber ein, die aber Sicherheit forderte, entweder über die Eintragung einer Hypothek oder über eine Bürgschaft der Raiffeisenbank (BZ vom 29. Oktober).

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Ein neuer Stern an Bergedorfs Musikhimmel

BZ, 2. März 1925

BZ, 3. März 1925

Wegen der Trauerfeiern für den verstorbenen Reichspräsidenten Friedrich Ebert durften am 4. März 1925 keine „Lustbarkeiten“ stattfinden (BZ vom 3. März). Davon war auch Otto Stöterau betroffen: er musste seinen Klavierabend in der Hamburger Musikhalle um einen Tag verschieben.

 

Bergedorfer Zeitung, 6. März 1925

Es war dies die Premiere des jungen Künstlers auf großer Bühne – „-tz.“ (Hanns Lotz), Redakteur und Konzertkritiker der BZ, war sehr angetan und machte Stöterau zu einem „seit langem hochgeschätzten einheimischen Pianisten“, also zu einem Bergedorfer. Laut Bergedorfer Personenlexikon (S. 195 f.) war er zwar erst 1924 nach Bergedorf gezogen, hatte aber als Student am Hamburger Konservatorium schon 1923 im „Waldhaus“ an der Bille jeden Mittwoch konzertiert (BZ vom 28. Mai 1923). Offenbar fand er Gefallen an Bergedorf, denn er blieb (trotz mehrfachen Wohnungswechsels) hier über zwei Jahrzehnte wohnen und nahm als künstlerischer Leiter der Hasse-Gesellschaft prägenden Einfluss auf die örtliche Musikszene: als Dirigent, als Pianist und auch als Chorleiter und Organisator. Nach seiner Bergedorfer Zeit wurde er Professor an der Hamburger Musikhochschule; die auf ihn zurückgehende Otto-Stöterau-Stiftung fördert bis heute u.a. Studierende der Musik.

Bergedorfer Zeitung, 15. Dezember 1924

In der Frühphase seiner Bergedorfer Zeit rief er zusammen mit Emil Leichsenring (Hamburg) und Amandus Drevs (Neuengamme) eine „Musikschule Bergedorf“ ins Leben, und er konzertierte mit ihnen mehrmals in den Folgejahren in Bergedorf, Geesthacht und Hamburg, auch bei Wohltätigkeitsabenden von Vereinen. Der musikalisch bedeutendste der drei war unbezweifelbar Stöterau, der 1925 eine offenbar rasante Entwicklung durchlief: bescheinigte ihm die BZ am 6. März 1925, dass seine Persönlichkeit noch nicht „die volle Reife“ erlangt habe und das geniale, hinreißende ‚Etwas‘ fehle, so konstatierte sie wenige Tage später in einer anderen Konzertkritik, dass Stöterau dort „seine reife Kunst“ gezeigt habe (BZ vom 16. März 1925) – ein wahrlich kometenhafter Aufstieg.

Prof. Dr. Wolfgang Hochstein, der Vorsitzende der Hasse-Gesellschaft und auch der Stöterau-Stiftung, erforscht derzeit die Jahre 1910 bis 1950 der Geschichte der Hasse-Gesellschaft – in seiner Publikation wird Stöteraus Wirken mit Sicherheit ausführlicher dargestellt werden. Dankenswerterweise hat er mir zu diesem Text mehrere Hinweise gegeben, die ich gern aufgegriffen habe.

 

 

 

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