„Ein Künstler, Pädagoge und Kunstschriftsteller zwischen Tradition und Reform“, so heißt es im Untertitel der Dissertation von Anna-Sophie Laug über Oskar Schwindrazheim, der zu seinen Lebzeiten im Raum Bergedorf und Vierlanden immer wieder präsent war. Auch in Sande: der dortige „Ausschuß für freies Bildungswesen“ lud ihn zu einem Vortrag mit dem Titel „Kiek övern Diek“ über „das verständnisvolle Sehen in der Natur“ (BZ vom 22. und 26. April 1920). Seine fünf Kunst-Wanderbücher enthielten Blankoseiten für eigene Bemerkungen und Skizzen.
Eines seiner Werke kann in Bergedorf außerhalb coronabedingter Schließzeiten im Bergedorfer Schloss besichtigt werden: er schuf 1901 die Entwürfe für die Intarsien der Wandvertäfelung des Landherrenzimmers (Laug, S. 73).
1901 war auch das Gründungsjahr des „Vereins für Vierländer Kunst und Heimatkunde“, der von Schwindrazheim zusammen mit dem Altengammer Pastor Holtz initiiert wurde. Der Erstgenannte gestaltete auch das Titelblatt für die Vereinsveröffentlichungen – das Jahrbuch 1908 (online-Link zum Titelblatt) blieb leider das einzige.
Der Veranstaltungsort – Baumanns Gesellschaftshaus in Bergedorf – war kein einmaliger „Ausflug“ des Vereins, denn in Bergedorf hatte er eine eigene Ortsgruppe unter Gustav Gläsz (Laug, S. 201), der auch Vorsitzender der Museumskommission des Bergedorfer Bürgervereins war (Bergedorfer Personenlexikon, S. 75-76).
Die satzungsmäßigen Ziele des Vereins sind im nebenstehenden Artikel kurz beschrieben, und insbesondere in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg gab es zahlreiche Initiativen des Vereins; dabei „ging es ganz besonders um Möbel mit Intarsien, Vorträge und Ausfahrten, Möbelwettbewerbe, Vierländer Stickerei und Tracht, aber auch im Liedgut, Dichtung, die plattdeutsche Sprache und Volksbrauch“, wie Werner Schröder in einem Aufsatz schreibt (S. 226). Ein wichtiges Arbeitsfeld war auch die Architektur: der Vereinsvorsitzende Pastor Holtz ließ 1902 das Altengammer Pastorat nach Plänen des Architekten Hugo Groothoff errichten, das Elemente des Vierländer Bauernhauses aufnahm und für den „Neu-Vierländer Stil“ prägend wurde: alle Bahnhöfe der Vierländer Eisenbahn und eine Reihe weiterer Häuser in den Vierlanden wurden so gebaut – mehrere Fotografien, u.a. des Neuengammer Pastorats (mit Bauplänen und Erläuterungen), finden sich in dem genannten Jahrbuch.
Der Verein wollte also nicht einfach bewahren, sondern weiterentwickeln, was an dem Wettbewerb für Wohnzimmer-Möbel verdeutlicht werden kann: Schröder hat in seinem Aufsatz die „Banktruhe mit Lehne“ abgebildet (S. 225), für die sein Großvater Julius Putfarken den ersten Preis erhielt: ein Sitzmöbel in einer für die Vierlande neuen Form, aber mit Intarsien in der Tradition des örtlichen Tischlerhandwerks. Auch Schwindrazheim beteiligte sich, u.a. mit einer Vierländer Stollentruhe (abgebildet bei Laug, S. 333). Und sogar ein „Vierländer Dorf“ entwarf Schwindrazheim; allerdings als Kinderspielzeug aus Holz, mit Figuren in Vierländer Tracht, der Dove-Elbe mit Brücke und Ewer, Deichen und der Neuengammer Kirche (abgebildet bei Laug, S. 101). Ein Exemplar des Ensembles befindet sich im Altonaer Museum, leider nur im Magazin.
Der Verein für Vierländer Kunst und Heimatkunde hatte seine Blütezeit in den Jahren vor 1914; die Arbeit wurde zwar nach dem Krieg fortgesetzt (siehe dazu auch den Beitrag zur 500-Jahrfeier Vierlandens), erreichte aber nicht mehr die frühere Wirkung. Mit dem Tod des Vorsitzenden Pastor Holtz im Jahr 1933 verschied auch der Verein (Schröder, ebd.).