Die „Gewichts-Schweinegilde von 1856 zu Bergedorf“ bot eine Art Versicherung auf Gegenseitigkeit: kam ein versichertes Schwein zu Schaden, erhielt der betroffene Besitzer eine Entschädigung, sofern er seine monatlichen Beiträge entrichtet hatte. Die Gilde war ein Zusammenschluss von Menschen, die ein oder zwei Schweine im Stall hinter dem Haus hielten und sie dort mästeten, damit die Tiere eines Tages der Ernährung der Familie zugeführt werden konnten.
Solange die Preise stabil blieben, war die Einrichtung sinnvoll, denn das Risiko wurde verteilt: man zahlte vielleicht ein-zwei Jahre ein, und wenn z.B. ein Schwein notgeschlachtet werden musste, erlitt man zumindest keinen Totalverlust.
Dieses Modell hatte die Hyperinflation der Vorjahre natürlich nicht überstanden: durch die Inflation waren die eingezahlten Mitgliedsbeiträge schneller entwertet worden als die Beiträge erhöht werden konnten. Es kosteten im Januar 1923 die kleinsten auf dem monatlichen Bergedorfer Schweinemarkt gehandelten Ferkel (vier bis sechs Wochen alt) 15.000 bis 20.000 Mark (BZ vom 15. Januar 1923), im Oktober 1923 dann 5 bis 7 Milliarden Mark (BZ vom 15. Oktober 1923); nach der Währungsumstellung stiegen die Preise nur noch mäßig, von 15 bis 18 Goldmark (BZ vom 19. November 1923) auf 15 bis 20 Goldmark (BZ vom 21. Januar 1924), was ungefähr den Vorkriegspreisen entsprach (BZ vom 20. Januar 1914) und den genannten Beitrag pro Schwein von 1 Mark im Monat realistisch erscheinen lässt.
Die Mitglieder der Gilde waren vermutlich zumeist Arbeiter oder Handwerker; zumindest auf die Mandatsträger traf das zu, wie sich aus den Namen und Anschriften ergibt, die in der BZ vom 30. Juli 1924 aufgeführt waren und die mit dem Hamburger Adreßbuch für 1924 abgeglichen wurden. Demnach wurden weiterhin Schweine im städtischen Raum gehalten und gehandelt, wobei der Handel nicht nur beim städtischen Schweinemarkt auf dem Brink stattfand, sondern auch bei Händlern in der Neuen Straße, in der Brunnenstraße, am Kuhberg („bei der Kirche“) und jedes Wochenende beim Gasthof zur Sonne an der Ecke Holstenstraße/Kampstraße (siehe die Karte 1904 und diverse Anzeigen in der BZ vom Februar 1924).
Die Gerüche in der Stadt werden damals andere gewesen sein als heute.