Vandalismus – oder mehr?

Bergedorfer Zeitung, 6. März 1923

Bergedorfer Zeitung, 8. März 1923

 

 

 

 

War es wirklich nur „blinde Zerstörungswut lichtscheuer Elemente“, die sich an dem Toilettenhäuschen und dem Schaufenster der sozialdemokratischen Buchhandlung ausgetobt hatten? Sicher scheint das nicht.

BZ, 19. März 1923

Die Verunreinigungen und abgerissenen Holzverkleidungen in der Bedürfnisanstalt wird man als Vandalismus einstufen können, der vielleicht hätte unterbunden werden können, wenn es wie 1921 geplant Wärterin und Wärter gegeben hätte (siehe den Beitrag Der Neubau der Bedürfnisanstalt mit Bootsvermietung), doch Bürgermeister Wiesner lehnte diese Aufsicht ab: die „Anstellung eines Wärters [würde] unerschwingliche Kosten verursachen“ (BZ vom 24. März 1923). So blieb es dabei, dass man seine Bedürfnisse bis 17 Uhr erledigen musste – da wurde geschlossen.

Aber nicht nur Vandalen waren am Werk, sondern auch Diebe, die Bleirohre der Wasserleitungen herausrissen und mitnahmen, und das könnte sich durchaus gelohnt haben: ein Bergedorfer Altmetallhändler bot in diesen Wochen 1.000 Mark pro Kilogramm Blei (Anzeigen in der BZ vom 1. und 17. März 1923), und da er für andere Metalle wie Kupfer und Messing noch deutlich mehr zahlen wollte, dürften die Ersatzrohre ebenfalls aus Blei bestanden haben.

Aus dem eingeworfenen Schaufenster der Buchhandlung des Bergedorf-Sander Volksblatts dagegen wurde nichts gestohlen – da liegt es nahe, politischen oder auch unpolitischen Vandalismus zu vermuten. Das neue Fenster kam die Stadt teuer zu stehen: das Volksblatt zahlte vereinbarungsgemäß der Stadt die Prämie für eine Glasversicherung, doch die sparsame Stadt hatte dem Versicherungsunternehmen gekündigt und musste nun selbst einspringen: 460.000 Mark sollte sie dies kosten, aber für den Glasbruch hoffte man, 180.000 Mark zu erzielen, außerdem beteiligte sich das Volksblatt freiwillig mit 60.000 Mark. Und es wurde nicht wieder eine große Scheibe eingesetzt, sondern eine „mit Scheibeneinteilung“ (BZ vom 19. und 28. März 1923). Dafür wurden Sparsamkeitsgründe angeführt – vielleicht befürchtete man auch weitere Steinwürfe.

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Heringe und Makrelen unverpackt

In Bergedorfs Küchen hatte die Herings- und Makrelensaison begonnen: Ende Februar waren die ersten Verkaufsangebote in der BZ erschienen, zuerst am 22. Februar, im März inserierten mehrere Händler aus Bergedorf, Sande und auch Zollenspieker.

Bergedorfer Zeitung, 1. März 1923

BZ, 1. März 1923

 

 

 

 

Einige Fischverkäufer wollten sich in der Zeitung nicht auf einen festen Preis festlegen, sondern sich nach dem „billigsten Tagespreis“ richten. Friedrich Holst dagegen gab seine Preise immer in der BZ bekannt. Auch wies er darauf hin, dass das Verpackungsmaterial seitens der Kundschaft zu stellen war, was bereits im Weltkrieg der Fall gewesen war (wie im Beitrag Fisch auf die Hand geschildert).

Bergedorfer Zeitung, 8. März 1923

Damit hatte er einen nicht ganz unbedeutenden Kostenfaktor auf die Käufer abgewälzt, wie man aus einer anderen Anzeige erschließen kann: schon für alte Zeitungen wurden in diesen Wochen 300 Mark pro Kilogramm gezahlt, fischverpackungstaugliches Papier dürfte noch um einiges teurer gewesen sein. Ob die anderen Fischhändler das Papier draufgaben ist unbekannt – wenn sie es taten, werden sie es mitgewogen haben. Ebenso unbekannt ist, wie viele Kunden ressourcenschonende Mehrwegbehälter benutzt haben.

 

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Sande: Wassermesser auf Pump

Wie soll man gerecht Gebühren für den Wasserverbrauch erheben, wenn nicht gemessen wird, wer wieviel verbraucht? Diesem Problem wollte die Gemeinde Sande nun begegnen: es sollten Wasserzähler installiert werden.

Bergedorfer Zeitung, 27. Februar 1923

Zunächst war beabsichtigt, eine Kommunalanleihe zur Finanzierung aufzunehmen, doch als die Gemeindevertreter hörten, dass auf die benötigten 20 Millionen Mark jährliche Zinsen von etwa 50% erhoben werden würden, lehnten sie das Vorhaben ab (BZ vom 30. Januar 1923). Dann aber ersann man zur nächsten Sitzung der Gemeindevertreter den Plan, das Geld durch eine „innere Anleihe“ zu beschaffen: die Bürger sollten quasi in Vorkasse treten und dafür 12% Zinsen pro Jahr erhalten.

Bergedorfer Zeitung, 10. März 1923

In den Augen des Gemeindevorstehers war das eine „gute, sichere Geldanlage“, denn „für die Sicherheit haftet die ganze Gemeinde“, über deren sonstigen Schuldenstand allerdings aus der BZ nichts zu erfahren war. Die Anzeige hatte Erfolg, obwohl die Stadt Wandsbek Investoren bessere Konditionen (mit flexiblem Zinssatz von einem bis drei Prozent über dem Reichsbankdiskontsatz) bot (BZ vom 19. März): bis Ende Mai waren für Sande 21 Millionen Mark gezeichnet, und der Einbau der Wasserzähler begann (BZ vom 30. Mai 1923).

 

BZ, 28. Juni 1923

Bis zum Einbau der Wassermesser wurde nach einem Pauschalsystem gezahlt, das neben einer Grundgebühr die Zahl der Räume als Bemessungsgrundlage hatte (BZ vom 30. September 1922). Jetzt erfolgte die Umstellung auf die verbrauchte Menge zuzüglich Grundgebühr, aber nur für einen Teil der Sander Bevölkerung war das wirklich gerecht, denn pro Haus gab es (wie in Bergedorf) nur einen Zähler; in einem Mehrfamilienhaus musste der Vermieter die Verteilung des zu zahlenden Betrags auf die einzelnen Mietparteien regeln, wobei im Konfliktfall letztlich die Gemeinde die Festlegung vornahm (BZ vom 30. März 1923).

Ob die erhofften Einsparungen inflationsbereinigt erzielt wurden, ist unbekannt. Preisdämpfend könnte die Umstellung auf einen Rohölmotor der Firma Jastram zum Betrieb der Pumpenanlage gewirkt haben (BZ vom 30. März 1923).

 

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Die Wiedereinrichtung einer Volksküche

Bergedorfer Zeitung, 24. Februar 1923

Während des Krieges hatten Bergedorfs Volksküchen täglich bis zu 5.000 Portionen Essen ausgegeben (siehe den Beitrag zur Gleichheit der Volksküchen) – die 1923 geschaffene Volksküche konnte nur einen Bruchteil dessen leisten.

Auf Antrag der SPD hatten Magistrat und Bürgervertretung Bergedorfs beschlossen, „besonders im Interesse der notleidenden Rentner schnellstens die Wiedereinrichtung einer Volksküche“ voranzutreiben (BZ vom 20. Januar 1923), was sich aber als gar nicht so einfach erwies: im Sommer 1919 waren nicht nur die letzten der vier Volksküchen geschlossen worden (siehe den Beitrag zum Ende der Kriegsküchen), sondern die Stadt hatte auch die dort verwendeten Kochkessel verkauft (Ausschreibung in der BZ vom 2. August 1919) – lediglich die Fortbildungsschule verfügte in der Haushaltungsschule über einen Teil der erforderlichen Ausstattung, und deshalb sollte dort gekocht werden.

Ob für die Speisung wirklich nur „vorläufig 129 Personen in Frage“ kamen, kann bezweifelt werden, aber die Kapazität der Küche reichte nicht einmal für diese: 30 Portionen am Tag wollte und konnte die Schule zubereiten. Die Stadt bewilligte 1,17 Millionen Mark für Lebensmittel und 124.000 Mark für Kochtöpfe, was gerade für zwei Monate reichte, dann mussten weitere Millionen nachbewilligt werden. In den Monaten April und Mai waren 1.680 Portionen ausgegeben worden (BZ vom 15. und 16. Juni) – wenn tatsächlich 129 Empfänger versorgt wurden, dann bekam jeder nur zweimal die Woche ein Essen.

Mehr als eine Minderung der Not konnte damit nicht erreicht werden, und für die Erwerbslosen nicht einmal das: sie mussten mit den Zahlungen der Erwerbslosenfürsorge zurechtkommen.

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Die konkurrierenden Spendensammlungen

Die Sammler für wohltätige Zwecke konnten sich praktisch die Klinke in die Hand geben, in Sande wie in Bergedorf – es fehlte Vielen an Vielem, und so gab es außer der Bitte um Zuwendungen für ein Kindererholungsheim und für die Ruhrgebietspende weitere Aktionen.

Bergedorfer Zeitung, 22. Januar 1923

Etwas aus der Reihe fiel dabei der Spendenappell der Hasse-Gesellschaft in Bergedorf, die das Oratorium „Arminius“ von Max Bruch zur Aufführung bringen wollte. Die Auswahl des „zeitgemäßen“ Stückes war aufgrund der Ruhrbesetzung durch Frankreich und Belgien getroffen worden, denn das Werk Bruchs handelt von dem Cheruskerfürsten Arminius, der in der sogenannten Schlacht im Teutoburger Wald, der Varusschlacht, die Römer, also eine Fremdherrschaft, besiegte. Die Beschaffung der Noten überforderte aber die chronisch klamme Kasse des Vereins, und da sollten Bergedorfs Musikfreunde helfen.

BZ, 27. Januar 1923

Bergedorfer Zeitung, 30. Januar 1923

In Sande benötigte die Erlöserkirche Geld: für die Heizung der Kirche gab es ein Wohltätigkeits-konzert, und eine Haussammlung sollte Mittel für die Kriegsgedenktafeln erbringen – beides im Februar.

BZ, 8. Februar 1923

Bergedorfer Zeitung, 21. Februar 1921

Wenige Tage danach rief der Wohlfahrtsausschuss der (politischen) Gemeinde Sande zu Spenden für „das notleidende Alter“ auf, die „Altershilfe Sande“ warb wiederholt um Überweisungen (z.B. BZ vom 15. Januar, 14. und 20. Februar), und der Vaterländische Frauenverein veranstaltete für den selben Zweck einen unterhaltsamen Abend mit Tombola.

Bergedorfer Zeitung, 22. Februar 1923

In Bergedorf standen die Sammelbemühungen zugunsten von Kriegshinterbliebenen, Kriegsbeschädigten und Waisen im Vordergrund: der Stadt war es gelungen, ein breites Spektrum an Unterstützern – von den Gewerkschaften bis zu den Militärvereinen – zu gewinnen. Die Altershilfe fand aber auch Förderer:

Bergedorfer Zeitung, 29. Januar 1923

 

 

 

 

 

Bergedorfer Zeitung, 27. Februar 1923

(Karl Bohnsack, Zeichenlehrer an der Hansaschule, hatte zuvor an der deutschen Schule in der Sowjetrepublik Georgien gelehrt, BZ vom 9. März 1923.)

 

 

Für den selben Personenkreis sammelte auch der Bergedorfer Rentnerbund, der wiederholt Anzeigen in die Zeitung setzen ließ (z.B. 22. Januar 1923) und der auch zu den Empfängern einer großen Sammelaktion des Landwirtschaftlichen Vereins der Hamburger Marsch gehörte (Bericht in der BZ vom 16. Januar 1923).

Alle diese Aktionen konnten die Not der Rentner aber nur lindern, nicht beseitigen.

 

 

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Arbeitszeit für Bergedorfs Volksvertreter verlängert

Bergedorfer Zeitung, 14. Februar 1923

Bergedorfs Bürgervertretung war 1919 für vier Jahre gewählt worden, doch die fällige Neuwahl wurde verschoben, und das ist schon ungewöhnlich. Aber nicht nur in Bergedorf war das so, sondern auch in der damals hamburgischen Stadt Cuxhaven und in allen hamburgischen Landgemeinden, denn nach einem Gesetz von 1922 sollte zunächst eine neue Landgemeinde- und Städteordnung beschlossen und dann auf dieser neuen Grundlage gewählt werden.

Aber eine Kommunalreform ist kein einfaches Vorhaben: der Senat hatte im Februar 1922 seinen Entwurf vorgelegt, und die Bürgerschaft beriet gründlich und nicht allzu schnell. Natürlich hätte man durch ein „Notgesetz“, das der Bergedorfer Bürgerverein forderte (BZ vom 23. Januar 1923), die Wahl im Frühjahr 1923 durchführen können, also nach vier Jahren, aber das schien dem Senat „nicht tunlich“, d.h. nicht ratsam, wegen der „eingetretenen allgemeinen Beunruhigung“ durch die Ruhrbesetzung: man befürchtete offenbar größere Änderungen des Wahlverhaltens mit Verschiebungen der politischen Kräfteverhältnisse in den kommunalen Parlamenten.

Angepeilt wurden folglich Wahlen im Herbst 1923, aber die neue Landgemeindeordnung und die neue Städteordnung waren da immer noch nicht fertig: erst kurz vor Weihnachten wurden sie beschlossen (BZ vom 22. Dezember). Der Wahltag wurde in der Folge auf den 2. März 1924 festgesetzt, und das klappte dann auch (BZ vom 3. März 1924).

Bergedorfer Zeitung, 15. Februar 1923

Den Nachbarn in Sande erging es nicht anders: auch in ganz Preußen wurde die Wahl mehrfach verschoben (BZ vom 15. Februar und 21. September 1923); dort fand sie sogar erst am 4. Mai 1924 statt (BZ vom 6. Mai 1924).

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Die Ruhrgebietspende

Bergedorfer Zeitung, 12. Februar 1923

Der Ortsausschuss Bergedorf-Sande des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbunds (ADGB) beschloss mit großer Mehrheit, sich an der vom Reichspräsidenten initiierten Spendensammlung für die Bevölkerung des besetzten Ruhrgebiets nicht zu beteiligen.

Bei dieser Aktion wurde von den Arbeitnehmern die freiwillige Abführung eines Stundenlohns erwartet, die Arbeitgeber sollten das Vierfache des Sammlungsergebnisses ihres Betriebs darauflegen. Warum der ADGB Bergedorf-Sande sich verweigerte, berichtete die BZ leider nicht; ein Kompromissantrag – freiwillige Spenden ohne Beteiligung der Firmen – wurde von der Mehrheit der örtlichen ADGB-Gewerkschaften beschlossen, aber auch das ging einer Minderheit zu weit.

Das Ortskartell Hamburg des ADGB hingegen gehörte zu den Unterzeichnern des  Spendenaufrufs des Hamburger Wirtschaftsrats, der Kammern, des Arbeiterrats Groß-Hamburg, zahlreicher Wirtschaftsverbände und Arbeitnehmerorganisationen (BZ vom 29. Januar), und so überrascht die Haltung der Bergedorfer Gewerkschaftler.

Bergedorfer Zeitung, 14. Februar 1923

An der vom Magistrat Bergedorfs einberufenen Versammlung von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen nahm der lokale ADGB seinem Beschluss entsprechend nicht teil, was Bürgermeister Wiesner ausdrücklich bedauerte. Wiesner kündigte an, dass sich das städtische Elektrizitätswerk und das Wasserwerk beteiligen und die Spenden durch die Werke vervierfacht würden; offenbar waren in diesen Betrieben die ADGB-Gewerkschaften zur Mitarbeit bereit. Die Aufstockung bezog sich aber nicht auf die anderen Mitarbeiter der Stadt, wie aus einem späteren Bericht hervorgeht (BZ vom 24. Februar).

Bergedorfer Zeitung, 15. Februar 1923

Wiesners Plan für die „Ruhrgebietsspende Bergedorf“ fand breite Zustimmung bei den Verbänden, wie aus der Liste der Unterzeichner des Aufrufs hervorgeht (BZ vom 15. Februar), und im August konnten Geldeingänge von bis dahin 16,8 Millionen Mark vermeldet werden (BZ vom 8. August). Es ließ sich nicht klären, wieviel davon auf die hier beschriebene Aktion bzw. die Sammellisten des ADGB entfiel, denn es gab auch zahlreiche Wohltätigkeits-veranstaltungen von Vereinen und Lokalen, worüber sich nicht zuletzt die Wirte gefreut haben werden.

 

 

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Der Schulstreik für den beliebten Lehrer

Bergedorfer Zeitung, 12. Februar 1923

BZ, 16. Februar 1923

Der alte Konflikt zwischen Sozialdemokraten und Bürgerlichen lebte wieder auf, obwohl zwei Hauptbeteiligte nicht mehr dabei waren: die Provinzregierung in Schleswig hatte erst Rektor Dau und dann den Lehrer Schnack versetzt (siehe den Beitrag Schulstreik statt Schulfrieden in Sande). Doch eine „Achtzehnerkommission“ verlangte die Rückversetzung des den „Kindern liebgewordenen Lehrers Schnack“ und offenbar auch eine Neuwahl des Elternbeirats der Knabenschule, und als die Regierung ein Ultimatum verstreichen ließ, rief die Kommission zu einem weiteren Schulstreik auf.

Vor allem hinter den Kulissen wurde aber offenbar verhandelt, und nach einem Monat Schulstreik zeigte sich die Regierung gesprächsbereit (BZ vom 17. März). Ein erstes Teilergebnis war, dass es gemäß dem Antrag des (sozialdemokratischen) Amtsvorstehers Krell keine Bestrafung der Streik-Eltern wegen Verstoßes gegen die Schulpflicht gab (BZ vom 24. April). Der Durchbruch gelang im September, als die Regierung sich im Sinne der Achtzehnerkommission mit den Elternbeiräten von Knaben- und Mädchenschule einigte: die Elternbeiratswahl an der Knabenschule war ungültig, der alte SPD-dominierte Beirat wurde wieder eingesetzt und im September sollte eine Neuwahl stattfinden (BZ vom 12. September).

Wahlvorsteher für diese Wahl wurde der Schulhausmeister Amtage (BZ vom 15. September), was die Sozialdemokraten sicher zufriedenstellte, und es traten zwei Gruppierungen an: die eine wurde von dem Mitglied der Achtzehnerkommission Schönemann angeführt, die andere von dem Unternehmer Bentin (BZ vom 22. September) – das Wahlergebnis wurde nicht vermeldet, denn die Wahl wurde verschoben, warum auch immer (BZ vom 21. Januar 1924). Das dürfte den Sozialdemokraten auch recht gewesen sein, denn so stellten sie wieder die Mehrheit im Beirat, ohne sich dem Risiko einer Wahl auszusetzen.

Bergedorfer Zeitung, 25. Juni 1923

Zwischenzeitlich hatte die Achtzehnerkommission vor Gericht gestanden, und die sechzehn identifizierten Mitglieder waren zu Geldstrafen verdonnert worden – zwei der Anführer waren Amtage und Schönemann gewesen.

Es könnte danach in den Schulen ruhiger geworden sein, denn eine Reihe von Lehrern hatte Sande „infolge der bisherigen unruhigen Schulverhältnisse“ verlassen (BZ vom 7. Februar und 16. April), und auf einen kommissarischen Rektor Tüxen (BZ vom 11. Januar) folgte ein früher in Sande tätiger Lehrer Thies (BZ vom 9. Juni). In der Gemeinde gingen die Kämpfe weiter, wobei die Sozialdemokraten kräftig nachtraten: dem unbotmäßigen Bentin wurde die bereits zugesagte Übertragung einer Kiesgrube (BZ vom 6. und 8. September) durch die Gemeindevertretung verweigert (BZ vom 10. Oktober).

Und Lehrer Schnack? Er war ja wegen einer falschen Behauptung über seinen Rektor Dau vom Amtsgericht verurteilt worden; seine Berufung wurde ebenso abgelehnt wie die von ihm beantragte Revision (BZ vom 23. Januar und 10. Juli). Seine Rückkehr an die Sander Knabenschule wurde nicht gemeldet; seine Wohnung in Sande behielt er laut Hamburger Adressbuch weiter.

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Ein Abend im Zeichen des Zahns

Bergedorfer Zeitung, 1. Februar 1923

Lag es an dem „lehrreichen Vortrag“ oder an dem darauf folgenden Unterhaltungsteil, dass der Elternabend der Schule am Birkenhain so gut besucht wurde? Ohne die plattdeutschen Rezitationen oder die Beiträge der Kinder und des Chors geringschätzen zu wollen: das Thema Zahnpflege war zweifellos das wichtigere.

Der Vortragende, Dr. Lichtwark, war Zahnarzt und Leiter der Zahnpflege-Kommission der Hamburgischen Oberschulbehörde, wie die BZ zwei Tage später ergänzend und korrigierend mitteilte – es war also ein Mann vom Fach, der den Eltern (und Kindern) „die Vorteile einer regelmäßigen Zahnpflege darlegen“ wollte, und um die Zähne war es nicht gut bestellt.

Schon Jahre vorher hatte der Bergedorfer Zahnarzt Herlach die Ausbreitung von Karies beklagt: „Die Statistiken über die Beschaffenheit der Zähne bei den Schulkindern reden eine beredte, wenn auch traurige Sprache. Sind doch in den Schulen nur etwa fünf Prozent Kinder mit einem normalen Gebisse vorhanden.“ Vor allem die „Kinder der minderbemittelten Bevölkerung“ seien betroffen, und er forderte die Einrichtung einer Schulzahnklinik nach Berlin-Neuköllner Vorbild (BZ vom 18. April 1914).

So wirklich schnell ging es aber nicht damit: die Allgemeine Ortskrankenkasse hatte 1917 eine Zahnklinik eröffnet, in der nur die Kinder der Versicherten behandelt wurden: die Kinder stellten 262 von 2799 Patienten des Jahres, über eine eigene Schulzahnklinik verhandelte die AOK mit den Behörden (BZ vom 16. Februar 1918). Über Zahn- und Mundkrankheiten, besonders Karies, hielt ein Zahnarzt der AOK einen öffentlichen Vortrag, doch der Besuch ließ sehr zu wünschen übrig (BZ vom 25. Februar 1918). Allzu großes Interesse bestand bei der Bevölkerung also nicht.

Erst 1920 handelte die Stadt: Bürgermeister Wiesner „machte … Mitteilung, daß die Stadt für schulärztliche Untersuchung und Zahnbehandlung Mittel zur Verfügung gestellt habe. Mit der Untersuchung der Kinder ist Dr. Bohne betraut worden.“ (BZ vom 11. September 1920) Sande zog 1921 nach (BZ vom 2. Juni 1921). Dr. Bohne war übrigens Allgemeinarzt, kein Zahnarzt, aber immerhin …

Bergedorfer Zeitung, 5. Juli 1922

Geht man nach den Anzeigen in der BZ, spielten Zahnpflegemittel praktisch keine Rolle in Bergedorf: die hier gezeigte Annonce war  die letzte bis zum 14. April 1923, auch kein anderer Hersteller inserierte. Wichtiger als gesunde Zähne waren offenbar andere Cremes und dergleichen: Werbung für Hautpflege fand sich kontinuierlich mehrmals pro Woche, und die größten Anzeigen gab es für ein Schuhpflegemittel.

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Die lästigen Nachkommastellen

Bergedorfer Zeitung, 5. Februar 1923

Das machte das Leben der Behördenbediensteten etwas einfacher: sie brauchten von da an Pfennigbeträge nicht mehr zu berechnen – außer bei den ihnen zustehenden Gehältern und Löhnen. Das machte den Geldverkehr (bar und unbar) zweifellos leichter; die Höhe der dadurch erreichten Einsparungen ist unbekannt.

Bergedorfer Zeitung, 12. März 1923

Auch die Setzer sollten entlastet werden: Nachkommabeträge gab es kaum noch, und dann machte auch der „Pfennigstrich“ keinen Sinn mehr, folglich konnte er wegfallen. Ein einleuchtender Vorschlag: als die Stadt Bergedorf ihre neue Begräbnisordnung bekanntmachte (BZ vom 27. Februar), wurde nach allen genannten Beträgen das ,– gesetzt, insgesamt 44mal. Während die Stadt dann recht zügig den Pfennigstrich aus ihren Bekanntmachungen strich, hielt die Bergedorfer Ortskohlenstelle noch bis zur Jahresmitte daran fest. Inserierende Firmen hatten sich zu diesem Zeitpunkt zumeist schon umgestellt.

Im Zuge der andauernden Inflation kamen Komma und Nachkommastellen später wieder zu Ehren. Nominal ging es dann aber nicht um Pfennigbeträge.

 

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