Die Ruhrbesetzung und Bergedorf

Es war ein einschneidendes Ereignis: wegen deutscher Rückstände bei Reparationslieferungen besetzte französisches und belgisches Militär das Ruhrgebiet (zur Ruhrbesetzung siehe die knappe Online-Darstellung des lemo). Die Folgen brachten Deutschland an den Rand des völligen Zusammenbruchs, was im Laufe des Jahres an den Entwicklungen in Bergedorf verdeutlicht werden soll.

Bergedorfer Zeitung, 12. Januar 1923

Bergedorfer Zeitung, 12. Januar 1923

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Natürlich beteiligte sich Bergedorf an dem von der Reichsregierung angesetzten nationalen Trauertag am 14. Februar, und wie andernorts auch gab es hier getrennte Veranstaltungen: die eine um 10 Uhr in der evangelischen Kirche St. Petri und Pauli, die andere sollte ab 9:30 Uhr auf dem Schulhof der Brinkschule stattfinden. Die Militärvereine hatten per Annonce zur Teilnahme am Trauergottesdienst aufgefordert (BZ vom 13. Januar); die Mitglieder und Freunde von SPD und den Gewerkschaften ADGB und Afa-Kartell trafen sich schließlich (wohl wegen des Wetters) in der Turnhalle der Brinkschule zu einer Protestkundgebung, bei der man sich von den „auf Völkerverhetzung gestimmten sogenannten nationalen Parteien“ distanzierte.

BZ, 12. Januar 1923

BZ, 12. Januar 1923

Der Verordnung entsprechend wurden unterhaltende Veranstaltungen auf andere Tage verschoben. Das Bergedorfer Hansa-Kino änderte sein Programm: statt des amerikanischen Films „Die Bankräuber von Massachusetts“ gab es „der Würde des National-Trauertages entsprechend“ eine Verfilmung von Shakespeares Drama „Hamlet“ (BZ vom 12. und 13. Januar).

Danach ging erst einmal alles wieder seinen gewohnten unterhaltsamen Gang: zahlreiche Vereine luden zu Tanzkränzchen, Ball, Buntem Abend und Maskerade (Anzeigen in der BZ vom 15. bis 18. Januar).

 

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Der idyllische Blickgraben

Der Blickgraben. Lithographie von Bruno Karberg (Privatbesitz)

Bergedorfs Blickgraben war ein bei Fotografen und Künstlern beliebtes Motiv. Idyllisch, fast verwunschen wirkt er in den meisten Darstellungen, mit altersschiefen Fachwerkhäusern bis ans Wasser heran und auch balkonartig in die Wasserfläche hineinragend. Auch der in Curslack geborene Grafiker Bruno Karberg hielt ihn im Bild fest, wie die ansonsten selten zu sehende (undatierte) Lithographie zeigt.

Fotografien des Blickgrabens wurden bereits in früheren Beiträgen gezeigt, in Der Blickgraben und Der verschlammte Blickgraben. Allen Abbildungen ist gemeinsam, dass sie einen wassergefüllten Graben zeigen und das Aroma, das von ihm ausging, nicht wiedergeben.

 

Bergedorfer Zeitung, 5. Januar 1923

Wenn wegen Bauarbeiten (z.B. an der Ernst-Mantius-Brücke) das Wasser der Bille durch das Öffnen des Serrahnwehrs abgelassen wurde, fiel natürlich das Wasser im Billbassin, in den Schlossgräben und letztlich auch im Blickgraben.

Bergedorfer Zeitung, 9. Januar 1923

Und so erblickte (und roch) die Öffentlichkeit nicht nur den Schlamm, der den Grund bedeckte, sondern auch manches, was Menschen hier entsorgt hatten, sodass sich „ein höchst naturalistisches Tohuwabohu von allerlei altem Gerümpel … und Abfällen aller Art“ zeigte. Das entsprach durchaus der Bergedorfer Tradition der Abfallentsorgung, wie sie schon Heinrich Dräger mit Überschussproduktion praktiziert hatte (siehe den Beitrag Die Neue Straße – Die „Keimzelle“ der Drägerwerke).

Ob die Gelegenheit zur „gründlichen Reinigung“ des Grabens genutzt wurde, muss bezweifelt werden. Und mit wieder auf Normalniveau gestiegenem Wasserstand war das Idyll ja anscheinend wiederhergestellt.

 

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Einstürzende Sielbauten

Wenn ein Siel, d.h. ein unterirdisch verlaufendes Rohr o.ä., einstürzt, entsteht an der Erdoberfläche in aller Regel ein Loch, und einstürzende Sielbauten gab es nicht nur in Bergedorf, sondern auch in den Marschgebieten.

Über das nicht glimpflich verlaufene Sielunglück in Bergedorf wurde bereits in dem Beitrag Das große Loch in der Brauerstraße berichtet – fünf Jahre später wurde dem geschädigten Fuhrwerksbesitzer vom Reichsgericht letztinstanzlich Schadensersatz zugesprochen, da die Stadt es unterlassen hatte, nach vorangegangenen Pflastereinstürzen das Abwassersiel zu kontrollieren und ggf. zu sanieren (BZ vom 1. Juni 1923).

Bergedorfer Zeitung, 5. Januar 1923

Ein anderer Sieleinsturz drohte in der Marsch: in Reitbrook war das alte Deichsiel zusammengefallen, und somit drohte ein Deichbruch an der Gose-Elbe, durch den bei Sturmflut der Polder mit Reitbrook und Neuengamme unter Wasser gesetzt worden wäre.

Exkurs zum Thema Deichsiel:
Ein Deichsiel ist eigentlich eine einfache Konstruktion, damals meist aus Holz und schlicht die Gesetze der Physik nutzend: durch eine hölzerne Kammer, die den Deich in seinem unteren Bereich quert, kann Wasser fließen, und eine Klappe öffnet bzw. schließt sich je nachdem, von welcher Seite der Wasserdruck höher ist. Das funktioniert also automatisch, benötigt keine Energie und keine Menschen, die im Bedarfsfall die Klappe betätigen. (Gute Darstellungen in Text und Bild findet man auf hier verlinkten Seiten von museen-nord.de und haselau-online.de.) Allerdings: steht außendeichs das Wasser höher als binnendeichs, ist die Ableitung natürlich nicht möglich.

Bergedorfer Zeitung, 11. März 1920

Meldungen über eingestürzte Deichsiele gab es immer wieder aus den Vierlanden und den Marschlanden, sodass sich die Landherrenschaft mehrfach genötigt sah, die Eigentümer (wohl meist die Gemeinden bzw. die Deichverbände) an die Instandhaltung der Anlagen, tunlichst nicht in der Hochwassersaison, zu erinnern.

 

 

BZ, 7. August 1923

Die Instandhaltung hatten die Reitbrooker verschlampt, zudem das neue Siel zu nahe an das alte gebaut, sodass hier aufwändige Arbeiten erforderlich waren: zunächst wurde der Hinterdeich für den Durchgangsverkehr gesperrt, im August dann wurde der Deich aufgegraben, und damit war keinerlei Verkehr mehr möglich. Man kann davon ausgehen, dass alles rechtzeitig erledigt wurde, denn eine Meldung über einen Deichbruch gab es nicht. Die in den frühen 1920er Jahren begonnenen Maßnahmen zur Binnenentwässerung durch ein neues System mit Hauptgräben und Pumpwerken (siehe den Beitrag zur  Entwässerung der Marschgebiete) kamen hier aber noch nicht zum Tragen.

 

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Die Versicherung der Bestattungskosten

Bergedorfer Zeitung, 2. Januar 1923

BZ, 3. Januar 1923

Die traditionellen Sterbekassen in und um Bergedorf wie die „Totenlade Liebe und Friede v. 1678“ und die „Bergedorfer Sterbekasse von 1869“ gerieten 1922/1923 in Existenznöte – sie waren nicht inflationstauglich, und so kam es in jener Zeit zu einer ganzen Reihe von Neugründungen.

Die „alten“ Sterbekassen verlangten relativ niedrige Beiträge: Mitglieder zahlten viele Jahre hindurch ihren Obolus, und im Todesfall wurde dann an die Hinterbliebenen ein Sterbegeld ausgezahlt, das jedenfalls einen Großteil der Beisetzungskosten abdeckte – die „neuen“ setzten auf eine Umlagefinanzierung: war ein Mitglied verstorben, mussten alle anderen Mitglieder zusammenlegen und so die Kosten für den Sarg übernehmen.

60.000 Mark waren im Februar 1923 für einen einfachen Sarg aufzuwenden (BZ vom 3. Februar 1923) – als die Bergedorfer Sterbekasse von 1869 ihre Liquidation beschloss, hatte sie bei ca. 500 Mitgliedern ein Vereinsvermögen von 30.748,08 Mark; das auszuzahlende Sterbegeld betrug maximal 300 Mark, „zurzeit fast ein Nichts“ (BZ vom 29. März 1923).

Aus allen hamburgischen Gemeinden um Bergedorf herum wurden im ersten Quartal 1923 Neugründungen vermeldet, nicht aber aus der Stadt Bergedorf selbst – hier wollte man einen anderen Weg gehen.

Bergedorfer Zeitung, 5. Februar 1923

Der hier wiedergegebene Antrag der SPD-Abgeordneten an Magistrat und Bürgervertretung forderte für Bedürftige eine „unentgeltliche Totenbestattung in einfachster und würdigster Weise“ und wurde auch so beschlossen (BZ vom 19. und 24. Februar). Die Gebühren für die anderen Bestattungsformen wurden gegenüber Ende 1922 z.T. mehr als verzehnfacht (Bekanntmachungen in der BZ vom 19. Dezember 1922 und 27. Februar 1923): im Dezember 1922 mussten für die schlichteste Variante 540 Mark gezahlt werden, ab 26. Februar 1923 waren es 3.500 Mark, und nach den 15 weiteren Erhöhungen bis November belief sich der Betrag auf über 36 Milliarden Mark (diverse Ausgaben der BZ 1923, zuletzt vom 10. November 1923).

Nicht nur Bergedorf, sondern auch Curslack hatte zumindest einen Teil der Kosten vor der Inflation schützen wollen, indem Sargholz auf Vorrat gekauft worden war. Beide Gemeinden hatten dafür zwei Millionen Mark zur Verfügung gestellt (BZ vom 14. und 24. Februar 1923). Ob sie damit auskamen wurde nicht berichtet.

 

 

 

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Grüne Weihnachten, Silvesterglocken und die Ohrwascheln

Bergedorfer Zeitung, 27. Dezember 1922 (gekürzt)

Wer 1922 auf weiße Weihnachten gehofft hatte, sah sich enttäuscht – die gab es erst ein Jahr später (BZ vom 24. Dezember 1923), aber das konnte man ja nicht vorhersehen …

Schlittenfahren und Eislaufen fielen also den relativ milden Temperaturen zum Opfer, doch das „geradezu frühlingsmäßig milde Lüftchen“ war ein „unsichtbarer Kohlengutschein“, wie der Autor der nachweihnachtlichen Betrachtung weiter schrieb; es hatte also auch sein Gutes, dass es nicht kälter war, und die Kinder holten sich draußen keine „blaugefrorenen Näschen und Ohrwascheln“.

Das damals wie heute in Bergedorf und Umgebung ungebräuchliche Wort „Ohrwascheln“ hat wohl manche Leser stutzen lassen, doch konnte man die Bedeutung leicht aus dem Kontext erschließen. In die Bayrische Wikipedia konnte man vor hundert Jahren nicht hineinklicken. Die Verwendung  des Wortes lässt aber darauf schließen, dass es den BZ-Redakteur Hanns Lotz aus dem Süden Deutschlands an die Bille verschlagen hatte.

Bergedorfer Zeitung, 30. Dezember 1922 (gekürzt)

Drei Tage darauf musste Lotz dann den Jahreswechsel thematisieren: „Ein besinnlicher Rückblick ist es stets bei hoch und niedrig, arm und reich, jung und alt. … Ja, es war ein hartes, schweres Jahr, voll von Entsagungen und Not, ein Jahr voll Kummer und Sorgen ums tägliche Brot, das uns hart mitnahm … Liegt hinter uns ein Jahr voll anscheinend nutzloser Arbeit, Mühe und Qual, das uns fast verzweifeln ließ, so ruft der volle Klang der Silvesterglocken den deutschen Menschen heute zu: Nicht verzagen, nicht erlahmen, habt Vertrauen, habt Geduld! Hinter viel tausend Toren wartet das Glück doch unverloren!“ Zunächst aber sollte „kühlere Witterung“ an einem „trüben, regnerischen und kalten Neujahrstag“ eintreten.

Tatsächlich war das Wetter am 1. Januar besser – Hanns Lotz titelte: „Sonniger Neujahrsbeginn“ (BZ vom 2. Januar 1923).

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Schulstreik statt Schulfrieden in Sande

BZ, 20. Dezember 1922

Dicke Luft an der Knabenschule – Eltern hatte zu einem Schulstreik aufgerufen, d.h. sie schickten ihre Söhne nicht zur Schule. Es gab andererseits Eltern, „die mit dem Streik nicht sympathisieren“, und der Elternbeirat forderte zum Schulbesuch auf, da der Unterricht am 21. Dezember wieder stattfinden sollte – am 20. Dezember hatte der Hausmeister (einem Beschluss des Schulausschusses der Gemeindevertretung entsprechend) die Öffnung der Schule verweigert, sodass kein Unterricht stattfinden konnte. Für den 21. Dezember verfügte dann aber der Landrat, dass die Schule geöffnet zu sein hätte (BZ vom 29. Dezember 1922). Am 22. Dezember begannen die Weihnachtsferien.

Die hier erkennbare Spaltung beschränkte sich nicht auf die Elternschaft, sie erstreckte sich auch auf das Lehrerkollegium, der Hausmeister war involviert, und natürlich hatte das Ganze eine Vorgeschichte, die durchaus politischer Natur war.

Die der SPD angehörenden Lehrer der Knabenschule und ein Großteil der Eltern wollten den „alten“ Rektor Dau loswerden, mit dem es seit 1919 offenbar ebenso heftig wie häufig Konflikte gab. Dau wiederum stellte gegen Hans Schnack, einen seiner Lehrer, Strafantrag wegen einer falschen Behauptung über eine politische Äußerung Daus, und das Amtsgericht Reinbek verurteilte den Lehrer zu einer Geldstrafe (BZ vom 6. und 8. Juli sowie 25. Oktober 1922).

Im Sommer waren die Elternbeiräte neu gewählt worden, und daraus resultierte der nächste Konflikt: der Wahlvorstand hatte für die Wahl die „bürgerliche“ Liste für die Knabenschule nicht zugelassen – das aber war ein Formfehler, der zur Aufhebung der Wahl führte. Zur somit fälligen neuen Wahl im November unterließ es dann die SPD, eine Kandidatenliste einzureichen – somit war die bürgerliche Liste gewählt, wogegen wieder die SPD protestierte (BZ vom 3. und 25. November sowie 22. Dezember 1922), und es kam zum Streik.

BZ, 29. Dezember 1922

Der Beschluss dazu und zu weiteren Forderungen wurde in Elternversammlungen getroffen, zu denen der abgesetzte Elternrat eingeladen hatte, und über Weihnachten entspannte sich die Lage: Rektor Dau ging nach Schleswig (freiwillig? unfreiwillig?) und Lehrer Schnack wurde nach Altona versetzt, der Streik wurde nach den Ferien nicht fortgeführt (BZ vom 4., 11. und 12. Januar 1923). Ob das genügte, einen Schulfrieden herzustellen oder zumindest einen Waffenstillstand, womöglich nur eine Feuerpause,  ist hier nicht zu klären. Die tieferliegenden Konflikte zwischen den Vertretern der „alten“ und der „neuen“ Ordnung in Sande bestanden jedenfalls fort.

 

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Der Torlattendiebstahl

BZ, 23. Dezember 1922

Zwar endet manches Fußballspiel torlos, also 0:0, aber es darf nicht torlos angepfiffen werden: es müssen zwei Tore von 2,44 m Höhe und 7,32 m Breite vorhanden sein. Und da stand die Bergedorfer Turnerschaft von 1860 vor einem Problem, denn ihre Torlatten auf dem Frascatiplatz waren kurz vor Weihnachten geklaut worden. (Hoffnung auf Wiederbeschaffung des Diebesguts hatten die Sportler offenbar nicht, denn die Belohnung war nur auf die Ermittlung des Diebes ausgesetzt.)

Zwei Spiele waren für den 24. Dezember auf dem Frascatiplatz angesetzt – ob sie durchgeführt werden konnten, war der BZ nicht zu entnehmen. Ein Ausweichen auf einen anderen Platz war unmöglich, denn alle Plätze waren am frühen Heiligabend belegt, wie dem Sportteil der BZ vom selben Tage zu entnehmen war. Da aber für Silvester und Neujahr weitere Spiele auf dem „Fras“ angekündigt wurden (BZ vom 30. Dezember 1922), kann man wohl davon ausgehen, dass spätestens nach Weihnachten Ersatzlatten beschafft worden und montiert waren.

Die Fußballbegeisterung muss jedenfalls groß gewesen sein: nicht nur Heiligabend, sondern auch am Ersten und Zweiten Weihnachtsfeiertag und an Silvester und Neujahr herrschte auf Bergedorfs „Spielplätzen“ reger Betrieb.

 

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Die Kartellpreise der Bergedorfer Gastwirte

BZ, 21. Oktober 1922

BZ, 8. November 1922

Der Verein Bergedorfer Gastwirte hatte nicht, zumindest nicht primär, die Geselligkeit als Vereinszweck, sondern die Festlegung von Mindestpreisen für den Ausschank diverser alkoholischer und alkoholfreier Getränke, damit man sich nicht einem unnötigen Preiswettbewerb aussetzte.

 

 

BZ, 11. November 1922

Wenn also zwei Wirte durchaus respektabler Häuser in einer großen Anzeige erklärten, dass sie dem Verein nicht angehörten, dann kann man vermuten, dass sie günstiger anboten als ihre Kollegen, weil sie eben nicht an die Festlegungen des Vereins gebunden waren – die damaligen Preise von Portici und Bahnhofs-Hotel waren allerdings nicht zu ermitteln.

 

 

BZ, 10. November 1922

Der Wirte-Verein hatte Bergedorf zu einem teuren Pflaster gemacht, wie auch die BZ bemerkte. Die Hamburger Wirte waren um einiges zurückhaltender: sie verlangten 120 Mark für einen Rumgrog, die Bergedorfer um die Hälfte mehr. Die Aufforderung „Erkläret mir, Graf Oerindur …“ war vor hundert Jahren eine durchaus gebräuchliche Floskel, wenn man Aufklärung über einen widersprüchlich erscheinenden Sachverhalt suchte. Die Aufklärung blieb aber aus, die organisierten Wirte Bergedorfs äußerten sich zunächst nicht und setzten ihre Preise auch nicht mehr in die Zeitung.

BZ, 20. Dezember 1922

Im Dezember dann bezeichneten sie die Unterschiede als „einleuchtend“: da die Bierbrauer jetzt einen entfernungsabhängigen Transportkostenzuschlag erhoben, musste man in Bergedorf teurer ausschenken – das erklärt aber nicht, warum der Grog so viel teurer war.

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Braune Kuchen

BZ, 16.12.1922

Braune Kuchen: ein damals nahezu unverzichtbarer Teil der Weihnachtsbäckerei. Nicht nur jeder Bäcker, sondern auch jede backfreudige Hausfrau wird ein Rezept dafür gehabt haben. Die Angaben in der BZ halfen ja auch nicht wirklich weiter, weil für die würzenden Zutaten keine Mengenangaben gemacht wurden, und außerdem hätte die Hausfrau die Mehl-, Sirup- und anderen Angaben ja erst noch auf die für die eigene Familie passenden Mengen herunterrechnen müssen – auch für eine große Familie dürften sieben Pfund braune Kuchen ziemlich viel gewesen sein.

Interessant ist aber der Vergleich des Vorkriegspreises mit dem im Dezember 1922 aktuellen: 3,12 Mark zu etwa 3.000 Mark. Das nennt man eben Inflation.

Direkt unter diesem Artikel zu den braunen Kuchen berichtete die BZ unter der Überschrift „Die Unterernährung des deutschen Volkes“ über eine Ärztetagung in Berlin, woraus hier ein Satz zitiert sei: „Der Mehrzahl der Deutschen seien die notwendigen Nahrungsmittel nur noch in völlig ungenügendem Maße zugänglich.“ Eine Minderheit konnte sich zum Fest bei Erdmann mit Leckereien und Süßigkeiten eindecken.

BZ, 14. Dezember 1922

 

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Die Kriegsgedenktafeln in Sande

BZ, 18. November 1922

Die politische Gemeinde Sande hatte ihre Entscheidung über die Errichtung eines Kriegerehrenmals auf bessere Zeiten vertagt (siehe den Beitrag über die schwierigen Ehrenmale), doch die Kirchengemeinde oder zumindest ihr Vorstand wollte darauf nicht warten und plante die „Beschaffung von Kriegsgedenktafeln“ mit den Namen der Gefallenen, wie sie „in fast allen Gemeinden“ schon vorhanden waren.

Die nötigen Mittel sollten über ein Kirchenkonzert aufgebracht werden – laut Anzeige in derselben Ausgabe der BZ sollte der Eintritt 30 Mark kosten. Dem Bericht zufolge war der große Kirchenbau bis auf den letzten Platz besetzt, und es hieß: „Der finanzielle Ertrag des Abends dürfte ein recht bedeutender sein“, aber es seien weitere Zuwendungen nötig, um die Tafeln, obwohl „ohne jeden Luxus“, herstellen lassen zu können (BZ vom 27. November 1922).

BZ, 2. Dezember 1922

Der Kirchenvorstand war optimistisch und bat um „baldigste“ Aufgabe der Namen der Gefallenen – man wollte also schnell handeln, damit die Einnahmen nicht zum Opfer der Inflation würden, aber wahrscheinlich geschah das doch: im Februar 1923 sollte eine Haussammlung „zwecks Beschaffung von Mitteln für Gedenktafeln in der Kirche für unsere Gefallenen“ durchgeführt werden (Anzeige in der BZ vom 30. Januar 1923). Einen Bericht über den pekuniären Erfolg der Aktion gab es nicht.

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