Lag es an dem „lehrreichen Vortrag“ oder an dem darauf folgenden Unterhaltungsteil, dass der Elternabend der Schule am Birkenhain so gut besucht wurde? Ohne die plattdeutschen Rezitationen oder die Beiträge der Kinder und des Chors geringschätzen zu wollen: das Thema Zahnpflege war zweifellos das wichtigere.
Der Vortragende, Dr. Lichtwark, war Zahnarzt und Leiter der Zahnpflege-Kommission der Hamburgischen Oberschulbehörde, wie die BZ zwei Tage später ergänzend und korrigierend mitteilte – es war also ein Mann vom Fach, der den Eltern (und Kindern) „die Vorteile einer regelmäßigen Zahnpflege darlegen“ wollte, und um die Zähne war es nicht gut bestellt.
Schon Jahre vorher hatte der Bergedorfer Zahnarzt Herlach die Ausbreitung von Karies beklagt: „Die Statistiken über die Beschaffenheit der Zähne bei den Schulkindern reden eine beredte, wenn auch traurige Sprache. Sind doch in den Schulen nur etwa fünf Prozent Kinder mit einem normalen Gebisse vorhanden.“ Vor allem die „Kinder der minderbemittelten Bevölkerung“ seien betroffen, und er forderte die Einrichtung einer Schulzahnklinik nach Berlin-Neuköllner Vorbild (BZ vom 18. April 1914).
So wirklich schnell ging es aber nicht damit: die Allgemeine Ortskrankenkasse hatte 1917 eine Zahnklinik eröffnet, in der nur die Kinder der Versicherten behandelt wurden: die Kinder stellten 262 von 2799 Patienten des Jahres, über eine eigene Schulzahnklinik verhandelte die AOK mit den Behörden (BZ vom 16. Februar 1918). Über Zahn- und Mundkrankheiten, besonders Karies, hielt ein Zahnarzt der AOK einen öffentlichen Vortrag, doch der Besuch ließ sehr zu wünschen übrig (BZ vom 25. Februar 1918). Allzu großes Interesse bestand bei der Bevölkerung also nicht.
Erst 1920 handelte die Stadt: Bürgermeister Wiesner „machte … Mitteilung, daß die Stadt für schulärztliche Untersuchung und Zahnbehandlung Mittel zur Verfügung gestellt habe. Mit der Untersuchung der Kinder ist Dr. Bohne betraut worden.“ (BZ vom 11. September 1920) Sande zog 1921 nach (BZ vom 2. Juni 1921). Dr. Bohne war übrigens Allgemeinarzt, kein Zahnarzt, aber immerhin …
Geht man nach den Anzeigen in der BZ, spielten Zahnpflegemittel praktisch keine Rolle in Bergedorf: die hier gezeigte Annonce war die letzte bis zum 14. April 1923, auch kein anderer Hersteller inserierte. Wichtiger als gesunde Zähne waren offenbar andere Cremes und dergleichen: Werbung für Hautpflege fand sich kontinuierlich mehrmals pro Woche, und die größten Anzeigen gab es für ein Schuhpflegemittel.