Die Ruhrgebietspende

Bergedorfer Zeitung, 12. Februar 1923

Der Ortsausschuss Bergedorf-Sande des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbunds (ADGB) beschloss mit großer Mehrheit, sich an der vom Reichspräsidenten initiierten Spendensammlung für die Bevölkerung des besetzten Ruhrgebiets nicht zu beteiligen.

Bei dieser Aktion wurde von den Arbeitnehmern die freiwillige Abführung eines Stundenlohns erwartet, die Arbeitgeber sollten das Vierfache des Sammlungsergebnisses ihres Betriebs darauflegen. Warum der ADGB Bergedorf-Sande sich verweigerte, berichtete die BZ leider nicht; ein Kompromissantrag – freiwillige Spenden ohne Beteiligung der Firmen – wurde von der Mehrheit der örtlichen ADGB-Gewerkschaften beschlossen, aber auch das ging einer Minderheit zu weit.

Das Ortskartell Hamburg des ADGB hingegen gehörte zu den Unterzeichnern des  Spendenaufrufs des Hamburger Wirtschaftsrats, der Kammern, des Arbeiterrats Groß-Hamburg, zahlreicher Wirtschaftsverbände und Arbeitnehmerorganisationen (BZ vom 29. Januar), und so überrascht die Haltung der Bergedorfer Gewerkschaftler.

Bergedorfer Zeitung, 14. Februar 1923

An der vom Magistrat Bergedorfs einberufenen Versammlung von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen nahm der lokale ADGB seinem Beschluss entsprechend nicht teil, was Bürgermeister Wiesner ausdrücklich bedauerte. Wiesner kündigte an, dass sich das städtische Elektrizitätswerk und das Wasserwerk beteiligen und die Spenden durch die Werke vervierfacht würden; offenbar waren in diesen Betrieben die ADGB-Gewerkschaften zur Mitarbeit bereit. Die Aufstockung bezog sich aber nicht auf die anderen Mitarbeiter der Stadt, wie aus einem späteren Bericht hervorgeht (BZ vom 24. Februar).

Bergedorfer Zeitung, 15. Februar 1923

Wiesners Plan für die „Ruhrgebietsspende Bergedorf“ fand breite Zustimmung bei den Verbänden, wie aus der Liste der Unterzeichner des Aufrufs hervorgeht (BZ vom 15. Februar), und im August konnten Geldeingänge von bis dahin 16,8 Millionen Mark vermeldet werden (BZ vom 8. August). Es ließ sich nicht klären, wieviel davon auf die hier beschriebene Aktion bzw. die Sammellisten des ADGB entfiel, denn es gab auch zahlreiche Wohltätigkeits-veranstaltungen von Vereinen und Lokalen, worüber sich nicht zuletzt die Wirte gefreut haben werden.

 

 

Dieser Beitrag wurde unter Bergedorf 1923 veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert