Weiße Festtage, weißer Jahreswechsel

Bergedorfer Zeitung, 27. Dezember 1923

Weiße Weihnachten – 1923, nicht 2023, aber Schnee zum Fest war auch vor hundert Jahren nicht die Regel: 1920 regnete es, 1921 war alles matschig, 1922 titelte die BZ „Grüne Weihnachten“ (BZ, jeweils vom 27. Dezember).

An den Weihnachtstagen 1923 und danach herrschte Wintersportwetter – man konnte nun „die neue, fesche Rodelmütze“ einweihen, Schal und Jumper nutzen, Schlitten und Schlittschuhe hatte man ja aus den Vorjahren. Die Welt war also in Ordnung, zumal auch die Kohlenpreise um zehn Prozent gesenkt werden sollten.

Das alles beschreibt aber nur die Lage und Stimmung eines Teils der Bevölkerung, denn Not und Mangel waren verbreitet: mehrfach wurde über Sammelaktionen und Weihnachtsfeiern für Bedürftige (vor allem Kinder) berichtet (BZ vom 3., 17., 21. und 22. Dezember 1923). Bezeichnend ist, dass die Wiederaufnahme der Quäkerspeisung mangelernährter Schulkinder angekündigt wurde (BZ vom 13. und 19. Dezember): ob die mit 200 angegebene Zahl der Empfänger sich nur auf Bergedorf oder auch auf Sande bezog, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden.

 

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Prognosen und Fehlprognosen

Bergedorfer Zeitung, 29. Dezember 1923

Nach Vorhersage der „weisen Frau“ mit den überlangen Zeigefingern stand mit 1924 ein trübes Jahr bevor, in dem nur der Einsatz eines bestimmten Waschmittels für Aufhellung sorgen sollte.

Zumindest der Jahresbeginn präsentierte sich freundlicher: das Wetter war zu Neujahr nicht „grau in grau“, sondern winterlich-weiß und schön mit einem „wunderbar klaren und strahlenden Sternenhimmel“ (BZ vom 2. Januar 1924).

1924 bestand aber zumindest wieder eine theoretische Aussicht auf ein „großes Los“: in der Inflationszeit konnte ja das Geschäftsmodell mit großen Zeitabständen zwischen Ein- und (eventueller) Auszahlung nicht funktionieren – 1924 inserierten die Lotterieeinnehmer wieder: die „361. Hamburger Staats-Lotterie“ hatte als Hauptgewinn 250.000 Rentenmark, bei einem Einsatz von 12 Rentenmark (BZ vom 22. Januar 1924).

Hinsichtlich des „Onkels in Amerika“ irrte die Prophetin, auf die Stadt bezogen gab es ihn jedenfalls: 1922 hatte ein in die USA ausgewanderter Bergedorfer eine Million Mark gespendet (siehe den Beitrag über die Wärmestuben) und 1923 zweimal eine halbe Million (BZ vom 22. Februar und 22. Juni 1923) – solche Geldzuwendungen wurden für 1924 nicht gemeldet, aber die Zahl der amerikanischen Onkel hatte sich verdoppelt: aus Nord-Amerika kamen 650 Pfund Schmalz, aus Süd-Amerika fünf Sack Erbsen (BZ vom 3. Juli 1924).

„Kein Ende nimmt die Teuerung“ soll in diesem Blog im Laufe des Jahres 1924 genauer betrachtet werden – hier nur der Hinweis, dass eine Einzelausgabe der Bergedorfer Zeitung am 2. Januar 1924 mit 15 Goldpfennigen zu bezahlen war, doch schon ab dem 5. Januar musste man nur noch 10 Pfennige entrichten, und dabei blieb es bis zum Jahresende.

In einem Punkt hatte die Weise aber uneingeschränkt recht: es fehlte an Geld, denn Löhne und Gehälter waren gegenüber der Vorkriegszeit etwa halbiert, die Preise aber nicht. Ihre Aussage zur Preiswürdigkeit des Waschmittels soll hier nicht bewertet werden.

 

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Zu Fuß nach, durch und von Bergedorf

Bergedorfer Zeitung, 19. Dezember 1923

Wenn (Martin Theodor) Ferdinand Bertram wirklich alle in seinem Werk „Mein Hamburg“ beschriebenen Orte aufgesucht hat, muss er viel Zeit investiert haben – und gut zu Fuß gewesen sein. Das Zufußgehen empfahl er angesichts der „traurigen Zeit“ und der „wirtschaftlichen Verhältnisse“ auch den Lesern seines 1923 neu erschienenen vierten und abschließenden Bandes mit dem Untertitel „Die Elbe“.

Der Rezensent der BZ war jedenfalls begeistert von Bertrams „Heimatkundlichen Spaziergängen und Plaudereien“, für ihn stellten sie „das geeignetste Weihnachtsbuch für alle Bewohner der Geest- und Marschlande“ dar. Über den Verkaufserfolg in Bergedorf und den an der Elbe belegenen Ortschaften bis nach Geesthacht ist allerdings nichts bekannt.

Auch heute noch ist das Buch gut lesbar – es wäre billig, neuere historische Erkenntnisse den Darstellungen Bertrams gegenüberzustellen. Lohnender könnte es sein, manchen 1923 genannten Baulichkeiten und Gegebenheiten zu Fuß nachzuspüren. Beispielhaft seien hier die Geschicke des Holstentors genannt: es wurde durch ein Gittertor ersetzt, das nach Aufhebung der Torsperre als „Haupteingangspforte zum alten Kirchhof auf dem Gojenberge“ Verwendung fand (S. 74), mittlerweile aber spurlos verschwunden ist (siehe hierzu Bardo Metzgers Aufsatz im Neuen Schlosskalender 2003, S. 10-12).

Die Bilder, Zeichnungen und Kartenskizzen lockern die Texte auf, wobei leider nur einer der Illustratoren, Otto Bätz („B“) namentlich genannt wird; die Identität von „H“ ließ sich nicht klären.

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Bergedorfs neue Rechtsgrundlage

Bergedorfer Zeitung, 22. Dezember 1923

Es war ja auch an der Zeit gewesen: Verwaltung und Politik Bergedorfs erhielten mit der Hamburgischen Städteordnung ab 1924 eine neue rechtliche Grundlage, die Bergedorf mehr Kompetenzen zusprach. Mit diesem Gesetz wurde auch die bisherige Dorfschaft Geesthacht zur Stadt erhoben. Die kommunale Verwaltung der Dörfer (u. a. der Vierlande) wurde ebenfalls neu geregelt, in der Landgemeindeordnung, auf die hier nicht weiter eingegangen wird, obwohl sie es mit der Institution des „Zwangsehrenamts“ verdient hätte.

Bergedorfer Zeitung, 19. November 1923

Von zentraler Bedeutung für Bergedorf war die Änderung der „Staatsaufsicht“: in vielen Dingen war man abhängig von der Zustimmung des Landherrn gewesen, also eines hamburgischen Senators, und der sah eben manches anders, was die Bergedorfer als Einmischung in ihre Angelegenheiten teils heftigst kritisierten (siehe z.B. den Beitrag Eingemeindung oder nicht?). Durch das neue Gesetz sollte dem Landherrn nur noch die Rechtsaufsicht bleiben – wie das funktionierte, mussten die folgenden Jahre zeigen, und da es Ausnahmen von der Regelung gab, waren Kompetenzstreitigkeiten eigentlich vorprogrammiert, die dann vor dem neu ins Leben gerufenen (und zu wählenden) Landesausschuss als „Kommunalkammer“ und Beschwerdeinstanz auszutragen waren.

Einige Artikel der Städteordnung sind in der BZ vom 19. November 1923 (S. 2) zusammengefasst wiedergegeben; der volle Wortlaut ist im Hamburgischen Gesetz- und Verordnungsblatt, Nr. 5, Dienstag, den 8. Januar 1924, S. 21-47, nachzulesen.

Die BZ erwartete, dass die fälligen Neuwahlen „voraussichtlich im Herbst“ stattfinden würden, doch ging es viel schneller: Wahltag war der 2. März 1924.

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Die Goldbezüge der Beamten und die Umverteilung

Bergedorfer Zeitung, 12. Dezember 1923

Mitte November 1923 erhielten die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes erstmals einen Teil ihrer Bezüge in wertbeständigen Zahlungsmitteln, doch nicht in Bergedorf: hier gab es nur Papiermark, weil Hamburg nicht genug Rentenmark hatte (BZ vom 16. und 17. November). Das änderte sich, und als das Reich die Beamtenbesoldung zum 1. Dezember 1923 auf „Goldbezüge“ umstellte, folgte Hamburg diesem Schritt.

Die neuen Gehälter lagen deutlich unter dem Niveau von 1913, wie man aus der Tabelle ersehen kann, wobei (verständlicherweise) die unteren Besoldungsgruppen besser davonkamen als die oberen. Der Protest der Beamtenorganisationen gegen die Kürzungen fiel relativ milde aus, denn die Beschäftigten in der Privatwirtschaft waren ebenfalls davon betroffen.

Die Gehälter wurden damals übrigens in Raten gezahlt: zunächst war geplant, am 17. Dezember die zweite Hälfte des Monatsgehalts auszuzahlen, doch „da die Mittel zur rechtzeitigen vollen Auszahlung nicht vorhanden sind und trotz aller Bemühungen nicht herbeigeschafft werden konnten“ (BZ vom 14. Dezember), wurde am 17. Dezember nur ein Viertel und erst am 21. Dezember der Restbetrag gezahlt. Zusammen mit der  Personalabbauverordnung und Arbeitszeitverlängerung wird das das Vertrauen der Beschäftigten in den Staat nicht gestärkt haben.

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Fettes Fleisch

Bergedorfer Zeitung, 11. Dezember 1923

Bergedorfer Zeitung, 12. Dezember 1923

Vor hundert Jahren war „fettes Fleisch“ offenbar beliebter als mageres: achtmal hieß es „fettes Schwein“ in den Kleinanzeigen der Woche vom 10. bis 17. Dezember, nur ein Inserent verzichtete auf das Adjektiv. Auch die Rossschlachterei Boockhold aus Sande warb für „fettes Kochfleisch“ vom Pferd (BZ vom 6. Dezember), und in den hier wiedergegebenen großen Anzeigen wurde „fett“ ebenfalls als Verkaufsargument vorgebracht.

Das Angebot von „Hans Kröpke“ richtete sich nur an die Beschäftigten des Bergedorfer Eisenwerks; die Verkaufsstätte „Schwarzer Walfisch“ lag in unmittelbarer Nähe des Werks – ob das Eisenwerk finanziell oder ideell involviert war, ließ sich der BZ nicht entnehmen. Die Schlachterei von August Niemann jedenfalls warnte die Arbeiter, auch die anderer Firmen: sie sollten sich nicht mit argentinischem Gefrierfleisch abspeisen lassen – und auf seine eigenen Angebote gab Niemann allen Arbeitern, nicht nur denen vom Eisenwerk, 10 % Rabatt, für prima fette Ware aus eigener Schlachtung, und zwei Tage später verkündete er einen generellen zehnprozentigen Rabatt für die Weihnachtswoche (BZ vom 14. Dezember).

Bergedorfer Zeitung, 17. Dezember 1923

Das führte dann zu einer weiteren Anzeige: „Hans Gröpke“ (laut Hamburger Adressbuch 1924: Schlachterei, Hamburg, Hamburger Straße) betonte die „allerbeste Qualität“ seiner Ware, die „dem besten deutschen Fleisch an Nährwert weit überlegen“ sei.

Die Auseinandersetzung um das Preis-Leistungs-Verhältnis lässt sich hundert Jahre später nicht mehr klären.

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Das Ende der Bergedorfer Papiergeldhoheit

BZ, 6. Dezember 1923

Man hatte klein angefangen in Bergedorf, mit Gutscheinen über 500.000 Mark (siehe den Beitrag Die Gutscheine gegen den Geldmangel) und steigerte sich schließlich bis Ende Oktober auf einen Gutschein zu 500 Milliarden Mark. Nun wurde das Ende verkündet: bis Jahresende konnten die Scheine im örtlichen Handel noch als Zahlungsmittel eingesetzt werden, und bis zum 15. Januar konnte man die Scheine noch bei der Stadtkasse und den örtlichen Geldinstituten eintauschen.

Bergedorfs kleinere Scheine bis 20 Millionen Mark hatten ihre Gültigkeit bereits am 30. November eingebüßt; sie konnten aber noch bis Jahresende bei den genannten Einrichtungen eingelöst werden (BZ vom 2. November).

BZ, 24. November 1923

Wer Gutscheine der benachbarten Gemeinde Sande besaß, egal welchen Nennwerts, konnte sie 1924 nicht mehr verwenden – nur bis zum 31. Dezember 1923 konnte man diese „gegen Reichspapiergeld“ der Gemeindekasse übergeben.

 

 

Bergedorfer Zeitung, 27. November 1923

Übrigens kamen in dieser Zeit wieder die alten „kaiserlichen“ 1- und 2-Pfennig-Stücke aus Kupfer zum Einsatz, da es bis dahin kaum Rentenpfennige gab, und Anfang 1924 wurden sie per Verordnung den Rentenpfennigen offiziell gleichgestellt.

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Die wertbeständige Wegesteuer

BZ, 7. Dezember 1923

Bergedorfer Zeitung, 24. September 1923

Was offiziell als „Wegesteuer“ bezeichnet wurde, war in Wahrheit die animalische Variante der Kraftfahrzeug-steuer, eine „Zugtiersteuer“, denn die neu eingeführte Steuer wurde auf den Besitz von Zugtieren erhoben, nicht auf die Nutzung bzw. die Intensität der Benutzung der öffentlichen Wege und Straßen. Die Einnahmen sollten der Unterhaltung der Straßen und Wege zugutekommen.

Die Höhe der Steuer hing von der Zugkraft der Tiere ab: für ein besonders zugkräftiges Pferd mussten „2 Einheiten“ entsprechend 20 Mark entrichtet werden, für ein leichteres 15 Mark, für Maultiere und Rinder („1 Einheit“) 10 Mark – aber diese in der Inflationszeit bescheiden klingenden Zahlen mussten mit dem „Goldzollaufgeld“ multipliziert werden. Vereinfacht gesagt war die Steuer damit für den Staat inflationssicher, „wertbeständig“, wie es im Artikel heißt: als der Gesetzentwurf vorgelegt wurde, war die „Einheit“ mit 33.600.000 zu multiplizieren – als das Gesetz am 1. Dezember 1923 in Kraft trat, war der Multiplikator 1 Billion (siehe Zahlen zur Geldentwertung, S. 11); wenn man nicht in Papiermark seine Steuer entrichtete, hatte man für ein Maultier 10 Gold- oder Rentenmark zu zahlen.

Nicht betroffen von der Wegesteuer waren offenbar andere Tierarten, die ebenfalls als Zugtiere Verwendung finden konnten wie z.B. Elefanten und Kamele, die es damals in Hamburg aber wohl nicht in relevanter Größenordnung gab.

BZ, 9. Oktober 1923

BZ, 28. Dezember 1923

Etwas komplizierter war es mit Hunden: in den Regelungen zur Hundesteuer wurden ausdrücklich „Hunde, welche bei Ausübung eines Gewerbebetriebes als Zughunde gehalten und benutzt werden“ genannt (BZ vom 16. April, siehe auch BZ vom 21. August und 29. September 1923 sowie den Beitrag Von Schiffs- und Zug- und anderen Hunden). Für einen Zughund oder einen Wachhund war meist nur ein Zehntel der Hundesteuer zu zahlen, zeitweise sogar noch weniger (BZ vom 16. April, 7. Mai und 21. August 1923). Wegesteuer wurde nicht erhoben.

BZ, 10. Dezember 1920

Ein „Ziegenbockgespann“ wurde im Beobachtungszeitraum nur einmal angeboten, und es sollte wohl mit seinem „niedlichen Kastenwagen“  eher der Kinderbelustigung dienen als gewerblichen Transportzwecken.

 

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Doppelverdiener, Entlassungen und Arbeitszeitverlängerung

Bergedorfer Zeitung, 28. November 1923

Bergedorfer Zeitung, 8. Dezember 1923

 

 

Es ging gegen die „Doppelverdiener“, d.h. Ehepaare, in denen beide Partner berufstätig waren – das Reich forderte die Privatwirtschaft zu entsprechenden Entlassungen auf, sofern keine „ungerechtfertigten Härten“ entstünden, hielt aber ein gesetzliches Verbot für „bedenklich“.

Mit dem eigenen Personal verfuhr der Staat rigoroser: die „Verordnung zur Herabminderung der Personalausgaben des Reichs (Personal-Abbau-Verordnung). Vom 27. Oktober 1923“ traf primär verheiratete Frauen, die von einem Monat auf den nächsten aus dem öffentlichen Dienst entlassen werden konnten (Artikel 14 und 15). Generell sollten bis zum 1. April 1924 insgesamt 15 Prozent der Beamten entlassen werden (Artikel 8).

Die Verordnung trug dazu bei, die Arbeitslosigkeit zu erhöhen und die Frauen zurück an den Herd zu verbannen. Den verbliebenen Beamten wurde ohne finanziellen Ausgleich die Arbeitszeit auf neun Stunden täglich, also 54 Stunden pro Woche, erhöht (BZ vom 4. und 11. Dezember), neue Tarifverträge für Arbeiter und Angestellte in der Privatwirtschaft sahen ähnliche Regelungen vor – der einzige Trost war, dass die Inflation überwunden war (siehe den Beitrag Die Goldmark aus Aluminium).

In Bergedorf und Sande gab es Protestversammlungen gegen die Entlassung von Lehrerinnen und Lehrern (BZ vom 22. und 23. November sowie 22. Dezember); ob es hier Entlassungen gab, war der BZ 1923 nicht zu entnehmen. Bei anderen städtischen Bediensteten wollte der Magistrat Kündigungen aussprechen, die Bürgervertretung setzte aber einen dreiwöchigen Kurzarbeitsversuch durch, der Entlassungen verhindern sollte: folglich wurden 30 Arbeiter in Kurzarbeit geschickt, wofür dann der öffentliche Arbeitsnachweis den Lohnausfall teilweise kompensierte (BZ vom 28. November und 5. sowie 10. Dezember). Über das Ergebnis wurde nicht berichtet.

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Streit um die Straßenreinigung

Bergedorfer Zeitung, 24. November 1923

Bergedorfer Zeitung, 29. November 1923

Bergedorfs Magistrat wollte den Straßenfegern der Stadt kündigen, die Aufgabe den Anliegern übertragen und somit Ausgaben reduzieren. Das stieß (wenig überraschend) auf Protest, war aber durch die Rückkehr zum Goldstandard der Währung bedingt.

Der Bergedorfer Hausfrauenverein lehnte ab, weil die Männer ja morgens „vom Hause abwesend“ seien, und da ihnen früheres Aufstehen zur Straßenreinigung offenbar nicht zuzumuten war, würde die Arbeit der Hausfrau zufallen, die aber die Mehrbelastung nicht tragen könne. Wenn also die städtischen Arbeiter entlassen würden, solle man die jugendlichen Erwerbslosen, die ja Erwerbslosenunterstützung bezögen, zu diesem Dienst heranziehen.

Protest gab es auch in der Bürgervertretung – ihre bürgerlichen Mitglieder argumentierten ähnlich wie der Hausfrauenverein: „Frauen und Kinder müßten in der Hauptsache die Reinigungsarbeit leisten, und das sei ein kulturell unschönes Bild.“ (BZ vom 5. Dezember) Auf der linken Seite des Hauses wandte man sich gegen Entlassungen: statt der geplanten acht Kündigungen solle für 30 städtische Arbeiter Kurzarbeit angeordnet werden, was die Stadtkasse ja entlaste, und so wurde schließlich beschlossen, mit der Maßgabe, dass die Aufgabenübertragung bis zum 31. März 1924 zu befristen sei, und da sich die finanzielle Lage der Stadt offenbar besserte, kam die Straßenreinigung dann wieder in kommunale Hände (BZ vom 29. März 1924) – die Gehwegreinigung war und blieb sowieso Aufgabe der Parterrebewohner.

Bergedorfer Zeitung, 8. Dezember 1923

Damit hatte sich dann auch die Idee des BZ-Redakteurs Hanns Lotz erledigt, „Straßenfeger-Hundertschaften“ zu bilden (in Anspielung auf die „proletarischen Hundertschaften“ der KPD), einen Obersten, Hauptleute und Gruppenführer zu ernennen (womit er die Schützengesellschaft und ihre „militärischen“ Ränge aufs Korn nahm) und eventuell ein Amazonenkorps (in Anspielung auf das legendäre Korps von 1848) aufzustellen.

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