Die Rolle rückwärts bei den Straßennamen

Bergedorfer Zeitung, 11. Oktober 1924

Meistens ist es lästig, wenn der Straßenname geändert wird: man muss Geschäftspartner, Freunde und Verwandte informieren, eventuell neue Visitenkarten und neues Briefpapier herstellen lassen, die Änderungen in amtliche Dokumente eintragen lassen – doch hier forderten „die Anlieger“ der betroffenen Straßen, eine gerade einmal zwei Jahre alte Änderung wieder zurückzunehmen: die „Bebelstraße“ sollte wieder zur „Bismarckstraße“ werden, die „Rathenaustraße“ wieder zur „Blücherstraße“ usw.

Die Gründe waren, wie die Eingabe zeigt, politischer Natur, genauso wie 1922 die Änderung aus politischen Gründen nach höchst kontroverser Debatte beschlossen worden war (siehe den Beitrag zum Streit um die Straßennamen). Die Wahlen zur Stadtvertretung im Frühjahr 1924 brachten dann eine knappe bürgerliche Mehrheit, und der „Bürgerbund“ nahm sich des Anliegens an.

Bergedorfer Zeitung, 10. Dezember 1924

Wie die Debatte in der Stadtvertretung verlief, ist nicht bekannt, da die Bergedorfer Zeitung vom 20. Oktober bis zum 25. November 1924 nicht erhalten geblieben ist – man wird aber davon ausgehen können, dass es keine wesentlich neuen Argumente gab und dass die Abstimmung wieder kontrovers verlief. Die offizielle Bekanntmachung vom Dezember zeigt, dass die Rolle rückwärts vollzogen wurde.

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„Stahlhelm“ vs. „Reichsbanner“

Bergedorfer Zeitung, 10. Oktober 1924

Schon an den Farben konnte man die politische Grundhaltung erkennen: im „Stahlhelm – Bund der Frontsoldaten“ organisierte man sich „unter der schwarz-weiß-roten Fahne“, nun auch in einer Ortsgruppe Bergedorf-Sande, und wollte u.a. völkisches Gedankengut verbreiten, angeblich ohne sich einer bestimmten Partei zuzuordnen. Die Nähe zur DNVP und noch weiter rechts stehenden Verbänden und Parteien war aber unübersehbar.

 

Bergedorfer Zeitung, 6. September 1924

Ein anders ausgerichteter Zusammenschluss war das „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, Bund der republikanischen Kriegsteilnehmer“ mit dem Ziel, Republik und Demokratie zu schützen. Getragen wurde der Verband von SPD, DDP und Zentrum. Die Gründungsgeschichte der Ortsgruppe Bergedorf-Sande ist etwas unübersichtlich: vermutlich war das örtliche Reichsbanner zunächst eine nur von der SPD getragene Einrichtung – es war jedenfalls schon aktiv, bevor Zentrum und DDP zur offiziellen Gründung aufriefen, die dann auch vollzogen wurde (BZ vom 29. September 1924).

Der Bergedorf-Sander Stahlhelm hielt sich mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen zurück: zwei Anzeigen luden zu Militärkonzerten (27. November und 17. Dezember 1924), was durchaus den Aktivitäten der bestehenden Militärvereine entsprach. Ob der Stahlhelm in den handfesten Auseinandersetzungen bei einer DNVP-Kundgebung zur Reichstagswahl eine Rolle spielte, kann nicht belegt werden – die BZ schrieb über handfeste Auseinandersetzungen „zwischen Reichsbannerleuten und Angehörigen des deutsch-nationalen Saalschutzes“ (BZ vom 5. Dezember). In einer offiziellen Stellungnahme des Reichsbanners wurde der Stahlhelm als Konfliktbeteiligter nicht erwähnt (BZ vom 6. Dezember).

Die politischen Gegensätze hatten sich also weiter verschärft – und Gewalt verdrängte zusehends Argumente, auch in Bergedorf.

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Der Schatz im Acker

Bergedorfer Zeitung, 6. Oktober 1924

Heutige Boulevardblätter und vergleichbare Medien hätten mehr daraus gemacht als die BZ vor 100 Jahren: Unfall? Selbsttötung? Mord?

War die Frau aus Neuengamme beim Wasserschöpfen in die Dove-Elbe gestürzt und dabei ertrunken? Oder war sie „ins Wasser gegangen“, hatte sich das Leben genommen? Oder hatte jemand sie ins Wasser gestoßen?

Jedenfalls war sie wohlhabend gewesen, was ja durchaus ein Mordmotiv sein kann – und sie muss um ihr Leben gefürchtet haben, denn sie hatte ihr Geld „sehr tief im Acker vergraben“ und auf einem zurückgelassenen Zettel vermerkt, dass eine Suche erfolglos bleiben würde. Wohin ihre nicht näher bezeichneten „Kostbarkeiten“ gerieten und welche Bedeutung dem verschwundenen Kommodenschlüssel zukam, war der BZ nicht zu entnehmen.

An der Schatzsuche beteiligten sich Berufene, vermutlich die Familie, und Unberufene, doch zu keinem der (möglichen) Aspekte des Themas gab es bis Jahresende 1924 weitere Meldungen. Die Fragen bleiben.

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Die Verlangsamung durch den Schnellverkehr

Bergedorfer Zeitung, 4. Oktober 1924

Für alle Telefongespräche in Bergedorf und von Bergedorf in die weite Welt galt weiterhin, dass sie von Hand vermittelt werden mussten – wer in einer der Spitzenzeiten telefonieren wollte, musste damit rechnen, dass es zu Wartezeiten kam: erst musste sich die Bergedorfer Vermittlung melden, dann benötigte sie eine freie Leitung in die Zielregion, dann musste die dortige Vermittlungsstelle den Anruf annehmen und den gewünschten Teilnehmer anrufen (sofern eine Leitung frei war), und dann musste der Bergedorfer Anrufer hoffen, dass sein Gesprächspartner den Anruf annahm.

Dieser Vorgang sollte nun beschleunigt werden – das Zauberwort hieß „Schnellverkehrsamt“, und nach der Mitteilung der Oberpostdirektion sollten Gespräche fortan ruckzuck, eben im Schnellverkehr, vermittelt werden.

Bergedorfer Zeitung, 4. Oktober 1924

Allerdings: was die Oberpostdirektion als Maßnahme zur Beschleunigung der Gesprächsherstellung einstufte, war in den Augen der Schriftleitung der BZ das genaue Gegenteil, denn es wurde ein weiterer Vermittlungsschritt hinzugefügt.

Einen Trost gab es allerdings ab Dezember 1924: die Gebühren wurden gesenkt, und zum 1. Februar 1925 wurde es noch einmal billiger – die Vieltelefonierer bekamen progressive Rabatte auf die Gesprächspreise (BZ vom 29. November und 19. Dezember 1924).

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Die schwierige Befestigung eines Elbdeichs

Bergedorfer Zeitung, 25. September 1924

BZ, 25. September 1924

Eine kurze Meldung und eine nüchterne Bekanntmachung – also nichts Aufregendes, sollte man meinen. Dem war aber nicht so, denn Deichangelegenheiten waren immer kompliziert und hatten immer eine lange Vorgeschichte.

Die Deiche in den Vierlanden standen in aller Regel im Eigentum der Deichverbände. Jeder Grundeigentümer war Mitglied eines solchen Deichverbands, was in der „Deichrolle“ registriert wurde, in der auch die „Deichlast“ beschrieben war (siehe hierzu den Beitrag Von Streuels und Deichverbänden).

Die primäre Funktion der Deiche bestand ja im Schutz des Landes gegen Überflutung, aber sie waren seit jeher auch Verkehrswege, und diese letztere Funktion hatte an Bedeutung stark zugenommen. Mehr Verkehr ergab eine stärkere Beanspruchung der Deichkrone, die ja zugleich Fahrbahn war.

Die Pflicht zur Unterhaltung des Deichs einschließlich der Fahrbahn lag beim jeweiligen Grundeigentümer, der die ggf. benötigte „Deicherde“ von Flächen des Deichverbands entnehmen durfte, welcher auch (in Kirchwärder) Schlacken für die Fahrbahn zur Verfügung stellte (BZ vom 19. Mai und 11. Oktober 1924).

BZ, 19. Mai 1925

Die Klagen über die Zustände der ungepflasterten Deichstraßen in Kirchwärder und Ochsenwärder nahmen eher zu als ab, von „Verwüstung der Deichstraßen“ war die Rede, sie seien „noch in ihrem Urzustande“ (z.B. BZ vom 31. Januar 1923 und 14. Januar 1925). Zur Frühjahrsdeichschau 1924 forderte der Deichvorstand dazu auf, „Löcher und Vertiefungen in der Deichkrone“ zu beseitigen, und als Ergebnis der Schauung empfahl der Vertreter der Baubehörde, Heinrich Osterath, die „baldige Befestigung der Deiche“ (BZ vom 6. Juni 1924), was eine Einigung zwischen der politischen Gemeinde Kirchwärder und dem Deichverband Kirchwärder erforderte: wer sollte die Kosten für die Pflasterung tragen, die weit höher waren als die für eine einfache Beschüttung mit Schlacken?

Bergedorfer Zeitung, 23. Juni 1924

Die Einigung kam wohl nur zustande, weil der Staat sich an den Ausgaben beteiligte – die „Interessenten“, also die Grundeigentümer, übernahmen die nötigen Materialtransporte, gaben aber ihre Verpflichtung zur Unterhaltung der Fahrbahn an die Gemeinde ab.

Für diese 470 Meter Deichstrecke war also eine Modernisierungsregelung gefunden. Sie war aber offenbar nicht ohne weiteres auf den folgenden Abschnitt vom Mühlendamm bis zum Bahnhof Zollenspieker am Sülzbrack übertragbar, denn dafür gab es neue Verhandlungen zwischen Gemeinde und Deichvorstand, und die fuhren sich erst einmal fest (BZ vom 4. Februar 1925), so wie manches Fuhrwerk auf dem unbefestigten Deich.

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Kein Zeppelin über Bergedorf

Bergedorfer Zeitung, 23. September 1924

Die „Deutschlandfahrt des Z.R. 3“ trieb die Massen in den Orten, die überflogen werden sollten, auf die Straßen, denn dieser 1922 bis 1924 gebaute Zeppelin war mit 200 Metern Länge das weltweit größte Luftschiff. Und die Chance, es zu sehen, war einmalig, denn es war als Reparationsleistung für die USA gebaut worden (siehe hierzu Wikipedia) und sollte bald auf Fahrt dorthin gehen – die erste Atlantikquerung eines deutschen Zeppelins.

Die Deutschlandflug-Route wurde von der BZ detailliert beschrieben, und die BZ glaubte, dass Z.R. 3 (damals noch unter der Bezeichnung LZ 126) „wahrscheinlich auch über Bergedorf zu sehen“ sein würde. Doch der um einen Tag verschobene Flug erfüllte die Bergedorfer Hoffnungen nicht:

Bergedorfer Zeitung, 26. September 1924

Zu sehen war lediglich ein „feiner grauer Strich am diesigen südwestlichen Horizont“. Über Elbe und Alster war Z.R. 3 eine Schleife geflogen, die aber nicht bis zur Bille bei Bergedorf reichte. Fotografien des Ereignisses brachte das Hamburger Fremdenblatt am 26. September in seiner „Rundschau im Bilde“ (Direktlink zur Seite) – die BZ war fotofrei. Der gefrustete BZ-Journalist ließ seiner Enttäuschung (und der seiner kleinen Tochter) am nächsten Tag in seiner Wochenkolumne noch einmal freien Lauf, Titel: „Zeppelin-Reminiscenzen eines Enttäuschten“.

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Friedensbewegung, Militärvereine und die BZ

Bergedorfer Zeitung, 20. September 1924

Der Deutsche Zweig der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit (IFFF) begleitete seine Tagung in Hamburg mit öffentlichen Veranstaltungen. Eine fand in Bergedorf statt – die Rednerinnen Emmeline Pethick-Lawrence, Auguste Kirchhoff und Marcelle Capy zählten zweifelsohne zu den prominenten Mitgliedern der Liga.

Zwar brachte die BZ im Lokalteil einen Hinweis auf die Veranstaltung im Colosseum, aber leider keinen Bericht. Genauso war es in Hamburg: das Hamburger Echo druckte ebenfalls außer der Anzeige einen redaktionellen Hinweis auf einen Abend im Hamburger Gewerkschaftshaus, doch einen Bericht ebensowenig (Hamburger Echo vom 28. und 29. September).

Über den hamburgweiten „Antikriegstag“ am 21. September und die bei den Kundgebungen gehaltenen Reden hatte man sich hingegen aus BZ und „Echo“ am folgenden Tag ausführlich informieren können: in Sande waren mehrere hundert Menschen der Einladung der „Bergedorf-Sander Organisationen der freien Gewerkschaften, der Sozialdemokratie, der Friedensfreunde und der Kriegsbeschädigten“ gefolgt und forderten die „allgemeine Völkerversöhnung“ (gut 40 Zeilen in der BZ vom 22. September 1924). Auf einen vorangegangenen Vortrag Prof. Prinz Max von Sachsens über „Frieden – Die Grundlage aller Kultur“, zu dem die selben Organisatoren und das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold eingeladen hatten, hatte die BZ zwar hingewiesen (BZ vom 5. September 1924), dann aber nichts mehr darüber geschrieben.

Bergedorfer Zeitung, 25. September 1924

Mit Militärvereinen ging die BZ in aller Regel anders um, wohl nicht nur, weil sie mehr und größere Anzeigen ins Blatt setzen ließen: der Bericht über das Jubiläum der „Kampfgenossen“ nahm mit rund 180 Zeilen etwa eine halbe Zeitungsseite ein; der dort getätigte Ausspruch „Deutschland will, soll und muß leben“ (BZ vom 6. Oktober) ist durchaus als Kontrast zum zitierten Gedanken der Völkerversöhnung zu sehen. Eine Nähe der BZ zu den Militär- und Veteranenvereinen war unübersehbar; der Friedensbewegung stand sie eher distanziert gegenüber.

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Bergedorfer Schloß-Kalender vs. Hamburger Almanach

BZ, 6. Februar 1924

BZ, 12. Februar 1924

Der eine Inserent suchte Texte für eine Zeitschrift, der andere für einen Buchkalender – die Art der erbetenen Texte war praktisch gleich, und so kann man vermuten, dass nur ein einziger Inserent dahintersteckte, nämlich Gustav Weitkamp. Sein „Buchkalender“ jedenfalls erblickte im zweiten Halbjahr 1924 als „Bergedorfer Schloß-Kalender“ das Licht der Öffentlichkeit.

Titelblatt

Bergedorfer Zeitung, 20. September 1924

Das Heft  sollte ein Heimatkalender für den Raum Bergedorf sein, einerseits Nachschlagewerk (Sprechzeiten und Sitze der Behörden in Bergedorf, Kalendarium, Tidezeiten, Kram-, Vieh-, Pferde- und Schweinemärkte, Landwirtschaftliches u.a.m.), andererseits Unterhaltungsblatt mit einem zwölfseitigen „Jahres-Rückblick“ (offenkundig als fertige Seiten aus hier unbekannter Quelle übernommen), 40 Seiten Erzählungen, Humoristischem, Rätseln und dergleichen, mit zahlreichen Illustrationen und auch Fotografien.

Erst im letzten Teil findet man auf gut 20 Seiten die Texte, nach denen Weitkamp per Kleinanzeige gesucht hatte. Neben den Hamburger Autoren Ludwig Frahm, Paul Schurek, Otto Larsen und August Wysocki seien hier der Altengammer Pastor Friedrich Holtz, Johann Brüdt aus Sande, der Gemüsebauer Gustav Graveley und Hans Förster genannt. Bei einigen Texten wird kein Verfasser angegeben; vermutlich stammen diese vom Herausgeber Weitkamp. Die einzige Illustration in diesem Teil, eine Vignette, ist von Hans Förster.

BZ, 24. September 1924

Titelblatt

Ob es angesichts dieser Neuerscheinung den Herren Albers und Lütten gelang, den „altbewährten“ Hamburger Illustrierten Almanach in gleicher Stückzahl wie in den Jahren zuvor zu verkaufen, ist zu bezweifeln: zwar kostete der „Almanach“ weniger, aber er hatte weniger Seiten (80), weniger Illustrationen (4) und erschien in kleinerem Format (18,7 x 12,2 cm gegen 23,3 x 17,8 cm). Der Raum Bergedorf fand Erwähnung nur mit den Marktterminen und der „Sternwarte, Bergedorf, auf dem Gojenberge“ im Verzeichnis der „Adressen von Versammlungsorten und Bureaus der Behörden, gemeinnützigen Vereine usw.“  – es war halt ein Hamburger Almanach.

Die Abbildungen der Titelseiten der beiden Publikationen wurden aus Privatbesitz zur Verfügung gestellt – beim Schlosskalender hat die Staatsbibliothek eine Bestandslücke für den ersten und zweiten Jahrgang und würde diese Lücke gern schließen. Wenn also jemand eine Doublette hat oder auf sein Exemplar aus anderen Gründen verzichten möchte, wird um Mitteilung über die Kommentarfunktion des Blogs oder per Nachricht an bergedorfblog@sub.uni-hamburg.de gebeten.

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Die Deutschnationalen Handlungsgehilfen in Bergedorf-Sande

Bergedorfer Zeitung, 15. September 1924

Für einen Handlungsgehilfen (heute: kaufmännischer Angestellter) klangen die Angebote in dieser Werbeanzeige bestimmt attraktiv – der Hinweis auf den riesigen Pferdefuß fehlte natürlich.

Anlässlich des Umzugs der hauptamtlich geführten Geschäftsstelle hatte die Ortsgruppe Bergedorf-Sande des Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verbands (DHV) diese Annonce in die BZ setzen lassen, die sich nur an Personen männlichen Geschlechts wandte: der DHV sah sich als Interessenvertretung der Männer in den Büros und Kontoren und wollte dort keine Konkurrenz durch Frauen (siehe den Beitrag Frauen zurück an den Herd).

Das in der Anzeige dargelegte Leistungsspektrum für die Mitglieder war vielfältig, es ging weit über eine berufsständische Vertretung hinaus: die Krankenversicherung zum Beispiel übernahm die Kosten für Behandlungen als Privatpatient, Wohlfahrts- und Finanzeinrichtungen standen zur Verfügung, indirekt förderte der DHV auch den Wohnungsbau für Mitglieder. Bei den monatlichen Versammlungen im Portici gab es mal Verbandsthemen, mal allgemein Interessierendes wie einen Vortrag über den Sternenhimmel (z.B. BZ vom 25. Januar, 10. April und 3. Juli 1924). Man konnte in einer „Geschäftsmannschaft“ Fußball spielen, die u.a. gegen den Sander Turn- u. Spielverein v. 1892 antrat (z.B. BZ vom 26. Juni 1923), die Sternwarte besichtigen (BZ vom 3. Juli 1924), mit der Jugendgruppe auf Schnitzeljagd Richtung Sachsenwald gehen (BZ vom 15. September 1924).

All dies kam aber verbunden mit einer politischen Haltung, und das war der Pferdefuß: bei den Versammlungen in Bergedorf wurde immer wieder betont, dass man nicht neutral sei: „Der DHV ist nicht nur Gewerkschaft schlechthin, sondern eine nationale Bewegung. Er verficht das soziale Wohl der Handlungsgehilfen letzten Endes, um sie stark zu machen für den Dienst am Vaterland.“ (BZ vom 25. Januar 1924; siehe auch den Beitrag zur Schlammschlacht um die Volksbildung) – Ein anderer Redner betonte das Bekenntnis des DHV zum völkischen Gedanken (und damit zum Antisemitismus), wobei der DHV sich nicht an eine bestimmte Partei binde (BZ vom 10. April 1924), aber Sozialdemokraten und Kommunisten waren definitiv unerwünscht.

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Die „Schule der Landwirtschaft“ im Rundfunk

Bergedorfer Zeitung, 16. September 1924

Die Nordische Rundfunk AG (Norag) in Hamburg glaubte nicht, dass die dümmsten Bauern die größten Kartoffeln ernteten – in der „Schule der Landwirtschaft“ sollten die Landwirte per Funk aktuelle Informationen und weiteres Wissen erhalten, z.B. Wetterprognosen, Marktberichte sowie Hinweise zu Viehhaltung und Pflanzenbau. Das Vorhaben wurde von viel Agrar-Prominenz getragen mit dem Reichslandwirtschaftsminister Graf von Kanitz an der repräsentativen Spitze.

Diese Schule war eine der Abteilungen der „Hans-Bredow-Schule für Volkswissenschaften“, benannt nach Hans Bredow, einem der Gründungsväter des Rundfunks in Deutschland. Ob die Agrarschule ein Hörermagnet war, ist unbekannt, aber Werbung war vorangegangen: „Die Radiotelephonie und ihre Bedeutung für die Landwirtschaft“ war Thema eines Vortrags mit Vorführung vor einem Fachverein der „grünen“ Branche (BZ vom 20. März), und der „Wetterfunk für die Landwirtschaft“ (mit Warnung vor Nachtfrösten) wurde ebenso fester Bestandteil des Norag-Programms wie die Preisangaben für Agrarerzeugnisse. Mit der Wettervorhersage war die Branche durchaus zufrieden; sie sei „im allgemeinen zuverlässig“ (BZ vom 21. Juli).

BZ, 13. Mai 1924

Das Programm war natürlich nicht auf diese Themen und diese Zielgruppe beschränkt, und auch im ländlichen Raum könnten die unterhaltenden Elemente auf eine größere Resonanz gestoßen sein. Einen groben Eindruck vom täglichen Programm der Norag erhält man z.B. durch das Hamburger Fremdenblatt und das Hamburger Echo, die recht bald nach dem Start des Rundfunks begannen, Auszüge aus dem täglichen Programm der Norag wiederzugeben, und ab dem 18. Mai 1925 kam auch die Bergedorfer Zeitung hinzu (die drei genannten und weitere Hamburger Zeitungen sind im digitalen Zeitungsportal der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg einsehbar).

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