Die Not der Bevölkerung

Bergedorfer Zeitung, 9. Januar 1924

Die außerordentliche Not weiter Teile der Bevölkerung war Anfang 1924 nicht neu; sie war Folge von Inflation und Währungsumstellung. Die Not hatte aber offenbar ein Ausmaß angenommen, das nun den Magistrat aufrüttelte: er wollte gemeinsam mit den Vereinigungen Bergedorfs (ohne die Parteien) „schnellstens“ die Not lindern und lud zu einer Besprechung ins Stadthaus.

Das überrascht, denn eine Initiative zur Bekämpfung dieser Not bestand schon seit einigen Monaten:

Bergedorfer Zeitung, 26. November 1923

Bergedorfer Zeitung, 26. November 1923

 

 

 

 

 

 

 

Unter dem Namen „Bergedorfer Nothilfe“ hatten drei Pastoren, der Amtsphysikus und ein in Bergedorf wohnender Kaufmann, vier Militär- und vier wirtschaftliche Organisationen, der Bürgerverein und eine Freimaurerloge zu Spenden aufgerufen. Der Magistrat hätte zur Beteiligung an dieser Initiative auffordern können, tat dies aber nicht; die Gräben in der Stadtgesellschaft – hie Kirche, Militärvereine und Wirtschaft, hie Arbeiterbewegung – waren offenbar tief, und nur wenige Vereine zeichneten bis zum Jahresende beide Appelle.

Bergedorfer Zeitung, 14. Januar 1924

Etwa 1.000 Unterstützungsempfänger mit etwa 1.000 Angehörigen gab es laut Ratmann Messerschmidt, also über elf Prozent der 18.050 Einwohner (BZ vom 26. Januar 1924) benötigten Hilfe, und wie im Krieg sollte wieder warmes Mittagessen ausgegeben werden – hierfür waren vermutlich öffentliche Mittel vorhanden und so konnte die „Volksspeisung“ schon wenige Tage später in den Mädchenschulen Brauerstraße und am Birkenhain mit täglich 500 Portionen zu einem Liter beginnen (BZ vom 23. Januar 1924).

In den folgenden Wochen gab es eine Vielzahl von Wohltätigkeitsveranstaltungen, manche zugunsten der „Städtischen Nothilfe“, manche zugunsten der „Privaten Nothilfe“. Das meiste Geld aber dürfte durch die Haussammlungen und Überweisungen eingenommen worden sein: die Städtische Nothilfe meldete Einnahmen von 2.720 Goldmark, die Private Nothilfe 5.091,87 Goldmark plus Devisen, beide erhielten auch Sachspenden und Naturalien (BZ vom 5. und 1. Februar).

Eine Bilanz der Städtischen Nothilfe gab es in der BZ nicht. Anders die Private Nothilfe: sie beendete ihre Tätigkeit im Sommer, nachdem sie v.a. 50.828 Pfund Brot und 2.352 Zentner Briketts verteilt hatte (BZ vom 3. Juli 1924), doch fünf Monate später musste sie erneut zu Spenden aufrufen: die Lage vieler Menschen blieb kritisch.

Bergedorfer Zeitung, 28. November 1924

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