Ausgerechnet zum 200. Jubiläum der Bergedorfer Deichordnung wurde die Forderung laut, die Vorschrift „den veränderten rechtlichen und praktischen Verhältnissen“ anzupassen. Sie war 1725 nach größeren Hochwasserproblemen erlassen worden und galt seitdem unverändert. Sie bezog sich auf zwei Deiche am Schleusengraben, den westlich gelegenen Kampdeich und den östlich gelegenen Treideldeich – beide sind auf der Karte 1904 bezeichnet. Auf den heute verbliebenen Rest des Kampdeichs wurde bereits im Beitrag Die Deiche und das Wasser hingewiesen; vom Treideldeich ist nicht einmal die Bezeichnung als Verkehrsfläche bzw. Hochwasserschutzanlage geblieben.
Für das Verlangen nach einer Revision der Bergedorfer Deichordnung kann man durchaus Verständnis haben: als sie in Kraft trat, war Bergedorf noch beiderstädtischer Besitz, die Aufteilung des bergedorfischen Kamps an die alteingesessenen „46er“ war noch nicht erfolgt (siehe hierzu Geerd Dahms, Bergedorf. Altes neu entdeckt, S. 54ff.), und die dort erfolgte Industrialisierung in ferner Zukunft (siehe den Beitrag zum Kamp).
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts hatte die Industrie das Vieh vom Kamp verdrängt, und vor allem nach dem Ende des (Ersten) Weltkriegs nahm der Verkehr immens zu, was die im wesentlichen unveränderten Deiche aus dem 18. Jahrhundert überforderte: die schnelleren und schwereren Lastkraftwagen beschädigten die Deichkronen, und die Schiffschrauben der Schlepper auf dem Schleusengraben gefährdeten die Stabilität der Deichböschungen.
Angesichts dieser Lage beantragte der Stadtvertreter Rümcker, die Stadt solle die Unterhaltspflicht für den Kampdeich übernehmen. Das war sicher nicht ganz selbstlos: seine Stuhlrohrfabrik (Rümcker & Ude) lag zwischen Weidenbaumsweg und Kampdeich …
Parallelität der Ereignisse: die Landherrenschaft arbeitete schon an einer neuen Deichordnung – vielleicht wurde Rümckers Antrag deshalb mit knapper Mehrheit abgelehnt (BZ vom 31. Januar 1925).
Aus Hamburger Sicht war die Deichordnung offenbar nicht dringend – man setzte dort andere Prioritäten und musste am Jahresende einräumen, dass das Vorhaben „wegen Arbeitsüberbürdung“ (BZ vom 21. Dezember 1925) noch nicht abgeschlossen war, und auch Jahre später war die alte Vorschrift noch in Kraft (siehe z.B. BZ vom 29. Mai 1931).
Die Deichordnung von 1725 ist online zugänglich, ebenso eine Schilderung der Probleme an den Bergedorfer Binnendeichen vor 1725 bis 1772: beides findet man in der Sammlung der hamburgischen Gesetze und Verfassungen … samt historischen Einleitungen. Der Eilfte Theil (S. 286-311).