Die überforderten Torfkäufer von Bergedorf

BZ, 25. November 1922

Gut gemeint ist nicht auch gut gemacht – der völlig missratene Kauf von Torf durch die Stadt Bergedorf (im September) hatte einen Untersuchungsausschuss und einen Rechtsstreit zur Folge, bei dem die Bergedorfer Beteiligten nicht gut aussahen.

Die Stadt wollte „der minderbemittelten Bevölkerung Feuerungsmaterial für den Winter“ beschaffen (BZ vom 23. September 1922) – doch die erste Lieferung „kam in durchaus flüssigem Zustande an und war zum Hausbrand gänzlich ungeeignet“, wie der Untersuchungsausschuss feststellte: Ratmann Gleitsmann und Bürgervertreter Piel, die mit dem Kauf beauftragt worden waren, hätten „allzu vertrauensselig“ gehandelt, der kaufmännisch geschulte Sachverstand habe gefehlt. Auf der Lieferantenseite sei zudem vertragswidrig gehandelt worden, sodass eine Torfinspektion vor Abgang der ersten Kähne nach Bergedorf nicht habe erfolgen können.

Jedenfalls hatten die Bergedorfer nun ein Problem: mit dem gelieferten Torf war nichts anzufangen, die Annahme weiterer torfgefüllter Kähne sollte verweigert werden. Nun wollte man auf dem Klageweg Geld zurück, denn man hatte eine beträchtliche Anzahlung bereits geleistet.

BZ, 30. November 1922

Das Gerichtsurteil lässt erkennen, dass auf Bergedorfer Seite der Vertrag mit der Firma schlecht verhandelt war und Qualitätsmerkmale nicht enthalten waren: auf den ersten zwei Kahnladungen blieb Bergedorf offenbar für den vollen Preis sitzen, nur für den nicht gelieferten Torf erhielt die Stadt das Geld, immerhin 564.000 Mark, zurück – doch auch das war ein schlechtes Geschäft, denn vom Vertragsabschluss (wahrscheinlich) im August/September bis zur Rückerstattung Ende November hatte die Inflation kräftig zugeschlagen, was hier am Beispiel von Braunkohle-Briketts verdeutlicht werden soll: kosteten sie Ende August bei der Ortskohlenstelle Bergedorf noch 139,80 Mark pro Zentner, so musste man zwei Monate später schon 1.107 Mark dafür bezahlen (BZ vom 30. August und 21. November 1922). Die Torfpreise im freien Handel waren ebenfalls deutlich gestiegen: Lohmeyers Torf ab Lager Escheburg stieg im Preis binnen sechs Wochen von 70 auf 90 Mark pro Zentner (BZ vom 6. Juli und 15. August 1922), danach gab es keine Preisangaben mehr. Der von der Stadt mit der Lübecker Firma vereinbarte Preis lag bei 47 Mark pro Zentner, aber es war halt Flüssigtorf …

Letztlich blieb als Trost, zumindest nach Ansicht von Ratmann Dr. Gleitsmann, einem Mitverantwortlichen des Desasters: „die Qualität des Torfes [werde sich] mit dem Eintritt trockenen Wetters noch bessern.“ Die Bergedorfer Versuche mit der Eigenproduktion von Torf aus dem Horster Moor nahm man offenbar 1922 nicht wieder auf: die Torfstecher und anderes Material wurden verkauft (BZ vom 1. September 1922).

Veröffentlicht unter Beiträge 1922 | Schreib einen Kommentar

In Düneberg und Krümmel: von der Kriegs- zur Friedensproduktion

Das Kriegsende war nicht das Ende der „Pulverschmiede Deutschlands“, wie die Fabriken in Krümmel und Düneberg genannt wurden: man stellte nach den von den Alliierten angeordneten Demontagen auf „zivile“ Güter um (siehe hierzu die Seiten des Industriemuseums Geesthacht und das Geesthachter Heimatbuch (online), S. 13-16), und offenbar war auch das profitabel.

BZ, 13. September 1922

In Krümmel wurde nun Sicherheitssprengstoff für nicht-militärische Verwendungen produziert, doch das lastete die nach der Teildemontage verbliebenen Anlagen nicht aus. Die Dynamit-AG wollte daher mit einem neuen Produktionszweig die in der Nitrozellulose-Technologie vorhandenen Kompetenzen und Einrichtungen nutzen: jetzt sollte eine ebenfalls auf Zellulose basierende Kunstfaser mit dem Namen „Vistra“ hergestellt werden. Die Dynamit-AG erwartete „für die Zukunft gute Erträgnisse“, sie rechnete mit einer Dividende von 20 Prozent (nach 16 Prozent im Vorjahr, BZ vom 30. April 1921).

BZ, 18. Juni 1921

Auch die Pulverfabrik Düneberg stellte auf Friedensproduktion um und kooperierte weiter mit dem Werk in Krümmel: hier wurden ab 1920 die Vulkanfiber der Marke „Dynos“ und der Fußboden- und Tischbelag „Triolin“ hergestellt: „Zu beidem wurde das vorhandene Know-how aus der Celluloseverarbeitung bzw. der Produktion von Schießbaumwolle (hochnitrierte Cellulose) genutzt.“ (Günter Lattermann) Laut Lattermann kam Triolin unter anderem in Gebäuden des Bauhaus in Weimar zum Einsatz und kann dort nach erfolgter Restaurierung bis heute betreten werden.

Veröffentlicht unter Beiträge 1922 | Schreib einen Kommentar

Verloren – Gefunden

Vor hundert Jahren – wie heute – ging manches verloren, und manches wurde gefunden. Vielfach spiegelte sich das in den Kleinanzeigen der Bergedorfer Zeitung.

BZ, 13. September 1922

Herr Kamprath freute sich, dass verloren geglaubte Dinge sich in seinem Hause wieder angefunden hatten, und inserierte entsprechend. Die Suche nach einer „Verloren“-Anzeige Kampraths (im Zeitraum 1. August bis 12. September) blieb allerdings vergebens, sodass man sich fragt, was ihn zu der „Gefunden“-Anzeige bewogen hatte und welche Gegenstände (Plural!) zeitweilig nicht aufzufinden gewesen waren.

BZ, 12. September 1922

Nur selten kam es vor, dass in derselben Zeitungsausgabe ein Verlust (Brieftasche mit Inhalt) und ein möglicherweise dazu passender Fund (Scheintasche mit Inhalt) annonciert wurden – überhaupt wurde offenbar mehr verloren als gefunden, wenn man nach den Inseraten geht, obwohl immer eine (gute) Belohnung zugesagt wurde.

BZ, 2. September 1922

Besonders verlustträchtig waren offenbar Schmuckstücke wie Broschen und Halsketten sowie Armbanduhren, was wohl auf unzureichende Verschlüsse und gerissene Armbänder zurückzuführen ist.

 

BZ, 11. September 1922

Bei anderen Anzeigen erschließt sich nicht, was die Beschreibung des verlorenen Objekts besagen sollte: war ein Bücherträger eine Bücherstütze oder ein Geflecht aus (Leder-)Riemen zum Tragen von Büchern? Ärgerlich war der Verlust so oder so.

 

BZ, 14. August 1922

BZ, 12. August 1922

Einige Wochen vorher war in der Sonnabend-Ausgabe der Verlust eines (hellen) Backfischmantels in der Augustastraße angezeigt worden, und am Montag danach stellte jemand aus der Bismarckstraße einen Backfischmantel (fast neu) zum Verkauf. Hoffentlich ging es nicht um denselben Mantel.

Veröffentlicht unter Beiträge 1922 | Schreib einen Kommentar

Hirschfleisch, Lachs und Einheitsbrot

Bergedorfer Zeitung, 8. September 1922

Es wurden richtige Delikatessen in Bergedorf angeboten – neben Hirschfleisch konnte man auch „feinste frische Mecklb. Meiereibutter“, „feinste Treibhaustomaten und Vierländer Tomaten“ kaufen (BZ vom 8. und 12. September), dazu verschiedenes Tafelobst.

 

BZ, 9. September 1922

Der Fischhändler August Gerhus offerierte „ff. geräucherten Lachs, fette Ostsee-Aale, Fett-Bücklinge, Riesen-Lachs-Heringe“ (BZ vom 7. September), und zum Bergedorfer Jahrmarkt natürlich seine Krebssuppenpaste mit interessanten Bestandteilen. Auch Bergedorfs Gastronomie bot zu demselben Anlass Krebssuppe, Beefsteak, Bockwürstchen mit oder ohne Kartoffelsalat (diverse Anzeigen in der BZ vom 9. September).

Es ist aber davon auszugehen, dass nur eine Minderheit von diesen kulinarischen Angeboten Gebrauch machen konnte – für viele Menschen war es ein Problem, überhaupt satt zu werden.

Bergedorfer Zeitung, 8. September 1922

Auf den meisten Speisezetteln werden Brot und Kartoffeln weit oben rangiert haben, und in diesen Familien hat man Meldungen wie diese  sicher aufmerksam gelesen: ab Mitte Oktober sollte es nicht mehr vorkommen können, dass die Käufer von Hirsch, Lachs usw. von der massiven Subventionierung des „Markenbrots“ durch das Reich profitierten, weil sie über der Einkommensgrenze lagen. Sie mussten ihre Brotmarken abgeben, wenn sie nicht eine Strafe von maximal einem Jahr Gefängnis und bis zu 500.000 Mark riskieren wollten (Bekanntmachung in der BZ vom 28. September). Der Preisunterschied zum freien Brotmarkt war durchaus beachtlich: unter Berücksichtigung des Gewichtsunterschieds kostete ein markenfreies „Wittenberger“ etwa dreieinhalbmal mehr als ein „Einheitsbrot“ (BZ vom 31. August).

Was nach diesen Zahlen zunächst angemessen klingt, muss aber an den Einkommen gemessen werden: der Wochenlohn eines Bäckergesellen belief sich ab September auf 3.800 Mark (BZ vom 31. August); die Arbeiter der Bergedorf-Geesthachter Eisenbahn dürften nach der Lohnerhöhung um 9 Mark pro Stunde (BZ vom 2. und 3. August) ebenfalls ihre „Markenberechtigung“ verloren haben – nur die Ärmsten der Armen bekamen noch verbilligtes Brot.

Veröffentlicht unter Beiträge 1922 | Schreib einen Kommentar

Der kurzlebige Verfassungstaler

Bergedorfer Zeitung, 6. September 1922

Endlich sollte er nun geprägt werden: der „Verfassungstaler“ im Nennwert von drei Mark zur Erinnerung an den dritten Jahrestag der Weimarer Verfassung – nur das Material fehlte der Hamburger Münzprägestätte noch.

 

Schließlich kam das benötigte Aluminium auch nach Hamburg, denn die hier gezeigte Münze (Durchmesser ca. 28 mm) trägt das „J“, das Zeichen der Hamburger Prägestätte:

 

 

 

 

 

 

 

„Münzen erreichen alle Bevölkerungsschichten, so lag die Idee nahe, zum neuen Feiertag eine Gedenkmünze herauszugeben. Mit der ‚Verfassungsmünze‘ von 1922 konnte zugleich ein weiteres Staatssymbol, ein neuer Reichsadler, bekannt gemacht werden“, heißt es auf einer Blogseite des Deutschen Historischen Museums. 60 Millionen Stück sollten hergestellt werden, d.h. rechnerisch ein „Taler“ pro Kopf der Bevölkerung – doch bis zum Verfassungstag waren es nur etwa 1000 (BZ vom 9. und 12. August). Ob die frühen Prägungen wirklich in den allgemeinen Umlauf kamen, ist fraglich: angeblich wurden damit die Mitarbeiter der Generalstaatskasse und der Münze sowie Ministerien und Behörden bedacht, während ein „gewöhnlicher Sterblicher“ 500 Prozent Aufgeld zahlen musste (BZ vom 23. August).

Bergedorfer Zeitung, 2. Oktober 1922

Als in Hamburg die Prägung dann richtig in Gang gekommen war, war die Inflation schon weiter: auf die Herstellung der geplanten Ein- und Zweimarkstücke wurde wegen Kostensteigerungen und „angesichts der gesunkenen Kaufkraft“ verzichtet.

Am Jahresende meldete die BZ, dass die Herstellungskosten des Verfassungstalers höher lagen als der Nennwert (BZ vom 29. Dezember). Laut Helmut Caspar wurde ein Großteil der fertigen Münzen nicht mehr ausgegeben, sondern „als Rohstoff betrachtet und wieder der Industrie zugeführt.“ Zum 30. August 1924, so Helmut Caspar, wurde das Geldstück nach kurzem Leben für ungültig erklärt.

Veröffentlicht unter Beiträge 1922 | Schreib einen Kommentar

Kriegswechselmarken und Papiermark

BZ, 4. September 1922

Die Stadt Bergedorf hatte Mitte 1917 ihr eigenes Notgeld eingeführt, sogenannte Kriegswechselmarken, weil die Reichsbank bzw. die Münze mit der Prägung kleiner Münzen dem Bedarf nicht hinterherkam (siehe den Beitrag Bergedorfs achteckiges Geld). Offenbar war diese Bergedorfer Währung auch Jahre nach Kriegsende noch im Umlauf, denn erst jetzt gab der Magistrat bekannt, dass die Münzen nach dem 1. November 1922 ihre Gültigkeit als Zahlungsmittel verlieren sollten – bis dahin konnten sie gegen Reichsgeld eingetauscht werden.

Ob man mit diesen Münzen angesichts der Inflation überhaupt noch etwas anfangen, d.h. kaufen, konnte, ist fraglich – der Preis für das kleinste Bier (0,15 Liter) wurde laut einer Meldung vom selben Tage von den Gastwirten auf mindestens 8 Mark festgesetzt, ein Rundstück (Brötchen) sollte ab dem 2. September vier Mark kosten – generell wurden Preise offenbar jeweils in glatten Mark-Beträgen angegeben, nur beim Markenbrot wurden noch Pfennige genannt (BZ vom 31. August).

Damit hatte sich das Thema Kleingeldnot erledigt, und die Einziehung der Bergedorfer Kriegswechselmarken hatte vielleicht den Grund, eine Position der Stadtkasse zu schließen, vielleicht war aber auch der Zinkpreis so gestiegen, dass die Stadt hoffte, mit dem Recycling der Münzen einen Gewinn zu erzielen.

Bergedorfer Zeitung, 4. September 1922

Nachgefragt waren also nicht mehr Pfennige, sondern Geldscheine. Auch für diese war die Reichsbank zuständig, und trotz aller Bemühungen hatte sie Probleme, das Land mit ausreichend Papiermark zu versehen. Das machte sich auch in Bergedorf „bei Lohnzahlungen unangenehm fühlbar“, was im Klartext heißt, dass Löhne verspätet oder in Raten ausgezahlt wurden.

Die Reichsdruckerei produzierte wöchentlich mehrere Milliarden Mark, die offenbar nicht ausreichten. (Ob der Mangel wirklich an der Verschleppung von Tausendmarkscheinen ins Ausland lag, soll hier bezweifelt werden, obwohl der Reichsbank „Beweise“ angeblich vorlagen.) Immerhin wollte die Reichsbank nun mit der Ausgabe von Banknoten zu 50.000 und 100.000 beginnen, was größere Zahlungen sicher erleichterte (BZ vom 2. September).

Veröffentlicht unter Beiträge 1922 | Schreib einen Kommentar

Der Golddiebstahl in Altengamme

Bergedorfer Zeitung, 1. September 1922

Der Schuhmacher T. hatte Angst vor Gewittern – vermutlich lebte er unter einem Reetdach ohne Blitzableiter, und wenn dort der Blitz einschlägt, ist das Haus kaum zu retten. Also holte er seine 59 Goldmünzen vom Dachboden und steckte sie ins Ofenrohr, um sie – wie auch 3.000 Mark Papiergeld –  einigermaßen feuersicher zu bewahren (falls nicht der Blitz den Schornstein traf).

Der Schreck war groß, als er „später“ feststellte, dass im Ofenrohr nur noch die Geldscheine lagen; die wertvollen Goldmünzen waren verschwunden – es lag nahe, einen „mit den örtlichen Verhältnissen genau vertrauten“ Dieb zu vermuten.

Bergedorfer Zeitung, 4. September 1922

Eigentümer des Goldschatzes war aber nicht T., sondern sein Mieter, der Rentenempfänger St., wie die BZ korrigierend meldete.

 

Bergedorfer Zeitung, 19. September 1922

Der vorsichtige Mann, der das Geld versteckt hatte (egal, ob dies T. oder St. war), war aber offenbar auch schusselig: das kleine Vermögen lag im Aschkasten.

Betrüblich ist an dieser ansonsten amüsierlichen Geschichte, dass eine Frau oder ein Mädchen so sehr in Verdacht geraten war, dass sie Selbstmord begehen wollte. Glücklicherweise wurde sie gerettet.

Bergedorfer Zeitung 28. August 1922

Angemerkt sei noch, dass die Wertangabe von „rund 300.000 Mark“ ziemlich genau stimmte: die Reichsbank zahlte tatsächlich 5.000 Mark für ein Zwanzigmarkstück.

Veröffentlicht unter Beiträge 1922 | Schreib einen Kommentar

Die schwierigen Ehrenmale in Bergedorf und Sande

Bergedorfer Zeitung, 23. August 1922

Der Krieg war seit fast vier Jahren vorüber, doch Sande und Bergedorf taten sich nach wie vor schwer mit der Errichtung ihrer Ehrenmale. Immerhin gab es mittlerweile in beiden Kommunen eine Festlegung der Standorte: für Bergedorf war der sogenannte Rosenplatz auf dem Friedhof vorgesehen, für Sande der Rundplatz vor der Kirche (BZ vom 19. März und 21. November 1921), und beide hatten einen künstlerischen Wettbewerb ausgeschrieben. Bergedorf entschied sich (relativ) schnell für den Entwurf des Bildhauers Friedrich Wield (BZ vom 12. Juli 1922), in Sande wurden von 17 eingereichten Entwürfen (BZ vom 27. Juli 1922) drei ausgewählt.

Während in Sande die letzte Entscheidung und die Auftragserteilung auf „finanziell bessere Zeitverhältnisse“ vertagt wurden, bewilligte Bergedorf die erforderlichen Mittel: Magistrat und Bürgervertretung entschieden sich mehrheitlich nach Aufstellung zweier Attrappen auf dem Friedhof für die größere Version, obwohl sich damit die Kosten um 100.000 Mark auf 268.000 Mark zuzüglich 50.000 Mark für die Umpflanzung mit einer Taxushecke erhöhten (BZ vom 12. Juli, 19. und 23. September 1922).

Aber die Bergedorfer Entscheidung war umstritten: die Militärvereine und die Rechte in der Stadtvertretung hatten grundsätzlich andere Vorstellungen für ein Ehrenmal, auf die in einem weiteren Beitrag eingegangen werden soll. Der KPD-Bürgervertreter Hinrichs forderte, das Geld für eine Stiftung zugunsten der Kriegsopfer einzusetzen, und ähnlich äußerte sich die Deutsche Friedensgesellschaft. Der Reichsbund der Kriegsbeschädigten, Kriegsteilnehmer und Kriegshinterbliebenen sprach sich dafür aus, von dem Geld Heizmaterial für Bedürftige zu kaufen: „Die Kriegsopfer wollen nichts davon wissen, daß ihnen Steine gegeben werden statt Schutz vor dem größten Elend und der Kälte des Winters.“ Der Bund Deutscher Kriegsbeschädigter und Kriegshinterbliebenen e.V. schlug vor, die Mittel an die Kriegsopferverbände zu geben, damit durch sie „den bedürftigen Lebenden vorerst geholfen wird“ (BZ vom 12. und 20. Juli sowie vom 15. August 1922).

Bergedorfer Zeitung, 29. August 1922

An dem Beschluss war aber nicht zu rütteln, und die Realisierung des Ehrenmals begann: der Beton-Unterbau war Ende August bereits fertig, und man hoffte auf die Einweihung noch im Herbst. So schnell ging es schließlich doch nicht – es dauerte bis zum Juni 1923.

 

 

 

Veröffentlicht unter Beiträge 1922 | Schreib einen Kommentar

Ein Denkmal- oder ein BZ-Affärchen?

Bergedorfer Zeitung, 26. August 1922

Der Bericht der BZ war vielsagend, und vor allem sagte er etwas über die Art der Berichterstattung der Zeitung, die mit der SPD wahrlich nichts am Hut hatte und sich genüsslich über die Genossen und die rote Schleife mokierte.

Der sozialdemokratische Verein Billwärders hatte ein Parteifest gefeiert und dabei am Gefallenendenkmal einen Kranz mit roter Schleife niedergelegt – doch am nächsten Morgen war die Schleife verschwunden, und „natürlich“ gerieten „national gesinnte Personen“ wegen dieser „Schändung“ des Denkmals in Verdacht. (Es soll hier offenbleiben, ob der Autor des Artikels nicht schon die Kranzniederlegung durch die SPD, zumal mit roter Schleife, als die eigentliche Schändung ansah.) Ob es die durch „einige Personen“ ausgesetzte Belohnung war, die die Polizei anspornte, ist unbekannt – jedenfalls wurde als Täterin ein zwölfjähriges Mädchen ermittelt, die „Tochter eines Genossen“, das die Schleife so schön fand, dass es sie zunächst mitnahm.  Aber dann bekam das Kind wohl Gewissensbisse und trennte sich wieder von ihr.

Bergedorfer Zeitung, 4. September 1922

Dieser Bericht führte aber dazu, dass die SPD Billwärder eine quasi-Gegendarstellung in der BZ publizieren konnte, und nach dieser war nur die Schilderung der Entwendung der Schleife einwandfrei, alles andere falsch: man habe den Kranz am Tag der Verfassungsfeier niedergelegt, und alle Mitglieder der SPD hätten die 5.000 M Belohnung aufgebracht, nationalgesinnte Kreise seien nicht verdächtigt worden – und: der Vater des Mädchens sei kein SPD-Mitglied.

Bergedorfer Zeitung, 6. Oktober 1922

Letztlich könnte man wohl von einem Sturm im Wasserglas sprechen, der Versuch, den Sozis wieder einmal eins auszuwischen, gescheitert. Doch eines bleibt merkwürdig: die beiden Polizisten bekamen einen Teil der Belohnung ausgezahlt, obwohl sie nur das getan hatten, was ihr Job war, für den sie ja bezahlt wurden. Immerhin kam der Löwenanteil des Geldes dem Billwärder Versorgungsheim „für wohltätige Zwecke“ zugute.

 

Veröffentlicht unter Beiträge 1922 | Schreib einen Kommentar

Personalsuche

BZ, 18. August 1922

Die Anzeige wirft Fragen auf, die hier nicht beantwortet werden. Klar ist nur, dass eine Dame gesucht wurde, nicht eine Frau oder ein Mädchen, wie es sonst in Stellenangeboten hieß. Die fehlende Tätigkeitsbeschreibung hat offenbar die Stellenbesetzung nicht beeinträchtigt, denn die Anzeige von „H 704“ wurde nicht wiederholt, auch nicht in weniger kryptischer Form mit derselben Chiffre.

BZ, 18. August 1922

Zwei andere Anzeigen vom selben Tag richteten sich an männliche Stellungssuchende, und warum der Gärtner nicht nur tüchtig, sondern auch verheiratet sein musste, erschließt sich nicht. Dass der Mann für Obstpflücken und Gartenarbeit alleinstehend zu sein hatte, kann wohl aus dem Eventualangebot „bei freier Station“ erklärt werden: die Unterkunft war offenbar so bescheiden, dass sie für ein Ehepaar nicht in Frage kam.

BZ, 17. August 1922

Der Kutscher, den Otto Hars einstellen wollte, sollte neben hohem Lohn auch freie Kost erhalten, was sicher attraktiv war. „Freie Kost“ hatte aber den Pferdefuß, dass sie als Sachbezug vom Empfänger zu versteuern war – zwar liegen für Bergedorf und Oberbillwärder keine Zahlen vor, aber der u.a. für Sande geltende Satz für den „Wert der Beköstigung ohne Morgenkaffee“ für Hauspersonal von 35 Mark pro Tag (BZ vom 14. August 1922) gibt auf jeden Fall einen Anhaltspunkt.

BZ, 18. August 1922

Der Kutscher sollte zuverlässig sein, der Gärtner tüchtig – das waren zwei der häufig auftauchenden Adjektive, ähnlich oft hieß es „ehrlich“, bei hauswirtschaftlichem Personal war „sauber“ eine wichtige Eigenschaft. Wenn ein „besseres Mädchen“ gesucht wurde, war das nicht als Vergleich zur vorigen Stellungsinhaberin gedacht, sondern hieß, dass das Mädchen die Gepflogenheiten und ihre Tätigkeiten in einem Haushalt feiner Leute kannte und sich entsprechend verhielt.

Veröffentlicht unter Beiträge 1922 | Schreib einen Kommentar