Frust pur bei den Radsportfreunden: da hatten sie sich extra zum „Waldschloss“ an der Grenze von Bergedorf nach Wentorf aufgemacht, um die Sieger des Radrennens Berlin – Hamburg zu empfangen und zu bejubeln, doch das Rennen war (offenbar kurzfristig) abgesagt worden.
Verantwortlich für die Absage war der Oberbefehlshaber in den Marken, zuständig für Berlin und Brandenburg, der per Verordnung eine „Einschränkung der Fahrradverkehrs“ verfügt hatte, die wenige Tage später durch das Stellvertretende Generalkommando des IX. Armeekorps in Altona, zuständig für Schleswig-Holstein, Mecklenburg und Hamburg, ebenfalls erlassen wurde: Radfahren zu Vergnügungs- und zu Sportzwecken wurde untersagt. Noch mehr Frust für die Radler, wenn sie nicht Bahnradfahrer waren (und weiterer Frust sollte folgen).
Im Jahr davor hatte es dieses Rennen noch gegeben (siehe BZ vom 8. Mai 1915): Profis und Amateure hatten teilgenommen, viele aufgegeben, aber der (nicht namentlich genannte) Sieger hatte Wentorf nach 10 Stunden, 31 Minuten und 45 Sekunden erreicht. Über den Streckenverlauf war der Zeitung nichts zu entnehmen, doch wahrscheinlich nutzte man die damalige Reichsstraße 5 (heutige Bundesstraße 5). Sollte der Startpunkt am Brandenburger Tor gewesen sein, hätte die Länge der Strecke (laut Google Maps, 2016) etwa 276 km betragen, woraus sich für den Sieger ein sehr beachtlicher Durchschnitt von über 26 Stundenkilometern ergibt, der mit einem hohen Kalorienbedarf einhergeht. Michel Angelo Freiherr von Zois kalkulierte zu Friedenszeiten (1908) den Mindestbedarf an Nahrung für ein ganztägiges Radrennen – die folgende Tabelle kontrastiert seine Bedarfsangaben mit den auf Tagesbedarf umgerechneten Bergedorfer Rationen vom Mai/Juni 1916:
Das im Artikel oben genannte Waldschloss war 1902 erbaut worden. Ein Foto des Gebäudes findet man in Zu Gast in Bergedorf auf S. 39. 1970 brannte das Haus ab. Sein seit langem leerstehender Nachfolgebau wirkt aktuell wenig einladend.