Hoffentlich nur ein Rückblick auf 1922/23 und keine Vorausschau auf 2022/23: für Menschen, die sich das Heizen ihrer Wohnung nicht leisten konnten, wurden in Sande und Bergedorf Wärmestuben eingerichtet.
Der Bergedorfer Frauenverein wollte ein „Wärm- und Lesezimmer für den Mittelstand“ in Hitschers Gesellschaftshaus einrichten. Dabei konzentrierte der Verein seine wohltätigen Aktivitäten generell auf den „notleidenden Mittelstand“, zu dem diejenigen gehörten, die von einer kleinen Rente aus Kapitalvermögen o.ä. bis dahin auskömmlich gelebt hatten, aber auch Angestellte mit monatlicher Gehaltszahlung, Kriegerwitwen mit kleiner staatlicher Rente: die Wohltätigkeit richtete sich vor allem auf die eigene bürgerliche Klientel.
Anders in Sande: der dortige Frauenverein wollte (mit finanzieller Unterstützung der Gemeinde) die Warteschule, über die der Verein verfügte, zur Verfügung stellen, um darin eine „Wärmehalle“ für die „bedürftigen Klein- und Sozialrentner, die sonstigen Bedürftigen und Armen“ einzurichten. Die Mittel der Gemeinde sollten durch Erträge aus Wohltätigkeitsveranstaltungen aufgestockt werden, die „Altershilfe der Gemeinde Sande“ warb um Spenden.
Nur für zwei der drei der Sander Wohltätigkeitsveranstaltungen wurde die Höhe des Überschusses angegeben, es waren knapp 30.000 Mark (BZ vom 24. und 25. November 1922), über weitere Geldeingänge berichtete die BZ nicht.
Im größeren und wohlhabenderen Bergedorf konnte der Ausschuss für die Altershilfe kurz vor Weihnachten bekanntgeben, dass man 110.000 Mark gesammelt habe: „ein Betrag, der nicht im entferntesten ausreicht, die in Bergedorf bestehende große Not der alten Leute zu lindern.“ (BZ vom 20. Dezember 1922). Hinzu kamen allerdings weitere Beträge: ein nach New York ausgewanderter Bergedorfer gab (begünstigt vom Wechselkursverfall der Mark) eine Million Mark, mehrere Bergedorfer spendeten zusammen 170.000 Mark, die Bedürftigen zugutekommen sollten (BZ vom 19., 20., 21. und 23. Dezember 1922).
Die Beträge scheinen beachtlich, doch man muss sie in Relation setzen zu den Preisen: für das Versorgungsheim der Gemeinde Kirchwärder wurden die Kostgeldsätze für einen Erwachsenen auf 200 Mark pro Tag erhöht (BZ vom 21. November 1922). Ein Bergedorfer Mittagstisch verlangte für ein Essen 140 Mark (BZ vom 9. Dezember), zehn Tage später 160 bis 180 Mark (BZ vom 19. Dezember 1922) – da reichte dann auch eine Millionenspende nicht weit.
Heizmaterial war für viele unerschwinglich: die Ortskohlenstelle Bergedorf verlangte für die 50-kg-Ration Braunkohlebriketts 1.872 Mark, das Bergedorfer Gaswerk verkaufte Gaskoks für 2.600 Mark pro 50 kg (BZ vom 9. Dezember 1922). Die Wärmestuben werden voll gewesen sein.