Gans schön teuer

Bergedorfer Zeitung, 30. Juni 1917

Bergedorfer Zeitung, 30. Juni 1917

 

 

 

 

Nun brachten die Züchter ihre jungen Gänse auf den Markt, damit die Käufer sie in den folgenden Monaten bis zum Martinstag nach Belieben oder nach zur Verfügung stehendem Futter mästeten. Der Händler W. Heinsen nannte für seine „gesunden Tiere“ keinen Preis; Otto Meyen betrieb die Gänsezucht bzw. den Handel im Nebenberuf, denn im Bergedorfer Adressbuch 1915 ist er mit der Angabe „Schneider“ eingetragen. Er wollte gleich sechs junge Gänse auf einen Streich für 150 M verkaufen, also zu einem rechnerischen Einzelpreis von 25 M.

Da lohnt ein Blick zurück auf 1916: laut BZ vom 31. August 1916 wollte die Gemeinde Sande polnische Gänse zu einem Preis von 11 bis 12 M beschaffen und dazu auch Futter verkaufen, doch zunächst wurde die Aktion durch die „Geflügelcholera“ (nicht zu verwechseln mit der Vogelgrippe oder Geflügelpest) gestoppt, die die Einfuhr verzögerte, dann mussten die Preise um eine bis drei Mark erhöht werden, und letztlich scheiterte das Vorhaben (siehe BZ vom 16. September, 12. Oktober und 13. Dezember 1916), vermutlich am Preis, denn für schlachtreife Gänse wurden im letzten Quartal zwischen 30 und 37 Mark gefordert (siehe BZ vom 24. Oktober und 13. Dezember 1916). Wenn 1917 schon die Jungvögel so teuer waren, ließ das für ausgewachsene gemästete Gänse einen nochmals weit höheren Preis erwarten, was auch eintrat: eine in Kirchwärder gestohlene Gans soll einen Wert von 55 bis 60 M gehabt haben (siehe BZ vom 24. August 1917).

Bergedorfer Zeitung, 9. Juli 1917

Doch das wollte das Reich verhindern und legte – vermutlich nach Erhebungen über die durchschnittliche Gewichtszunahme von Gänsen pro Monat – steigende Höchstpreise fest; bei geschlachteten Gänsen richteten sich die Höchstpreise nach dem Gewicht. Die Höchstpreise schonten allerdings nur die Geldbörsen der Besserverdienenden; für Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen blieb eine Gans unerschwinglich – sie erhielten lediglich eine Fleischzulagekarte, die die Wochenration von 250 Gramm (mit Knochen) verdoppelte und auf die ein ermäßigter Preis von einer Mark pro Pfund Rind- oder Schweinefleisch zu zahlen war (Angaben für Sande, wo der „in Bergedorf festgesetzte Preis“ galt, siehe BZ vom 18. und 19. April sowie 21. Mai 1917).

 

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Von Kampfglocken und Friedensglocken

Bergedorfer Zeitung, 30. Juni 1917

Die abgenommenen Glocken der St. Petri-und-Pauli-Kirche (Ansichtskarte von 1917)

Schon im Januar 1917 war die Beschlagnahme von Orgelprospektpfeifen und „anderen Zinnpfeifenschalleitern“ angeordnet worden (siehe BZ vom 10. Januar 1917; der militäramtliche Hinweis auf die Bekanntmachung erschien in der BZ eingeklemmt zwischen Bekanntmachungen zur Verteilung von Einheitsfutter für Schweine und zur Abgabe von Anträgen auf Saatkartoffeln) – knapp zwei Monate später waren die Bronzeglocken der Kirchen an der Reihe: sie sollten „eingeschmolzen als Geschütze wieder erstehen“ (siehe BZ vom 5. April 1917).

Die Verabschiedung der Glocken gestaltete sich durchaus unterschiedlich: in Sande, Curslack und Neuengamme fand ein „Abschiedsgeläut“ statt, in der Kirche St. Petri und Pauli (Bergedorf) gab es eine „Glockenabschiedspredigt“ durch Pastor Behrmann (siehe BZ vom 1. und 27. Juni 1917). Die beiden großen Bergedorfer Glocken stammten aus dem 19. Jahrhundert, wie bei Helmut Hoffmann (S. 162f.) nachzulesen ist. Die einzig verbleibende mit der Inschrift „Friede auf Erden!“ (siehe BZ vom 27. Juni 1917) wurde dann Opfer des Zweiten Weltkriegs (Hoffmann, ebd.). Zwei der heutigen drei Glocken sind „Leihglocken“ aus den ehemals deutschen Gebieten östlich der Oder-Neiße-Linie, und die Eigentumsrechte an ihnen waren laut Hoffmann jedenfalls 2002 immer noch ungeklärt.

Bergedorfer Zeitung, 9. Juli 1917

In der Regel war es jeweils die kleinste Glocke, die 1917 nicht „ins Feld“ zog, aber auch größere Glocken konnten nach Begutachtung durch Sachverständige verschont werden. Dies rettete die älteste des Heimatgebiets (in St. Salvatoris, Geesthacht, wohl aus dem 14. Jahrhundert – siehe Walter Hohrath, S. 88) und die letzte erhaltene Glocke des zu Beginn des 19. Jahrhunderts abgebrochenen Hamburger Doms, die „Celsa“, die in St. Nicolai (Altengamme) eine neue Heimat gefunden hatte (siehe den nebenstehenden Artikel). In Altengamme verblieb sogar das vollständige Geläut. St. Severini (Kirchwerder) sollte ebenfalls seine drei Glocken (von 1616/1656, 1695 und 1739) wegen ihres „Altertumswertes vorläufig“ behalten, aber nach Hermann Schween (S. 144) wurde 1918 die mittlere „als die am einfachsten gestaltete doch beschlagnahmt und am 20. August 1918 durch den Zimmermeister Schwers-Ochsenwärder abgenommen und in den Freihafen gebracht. Für je 1 Kilo wurden 4,50 Mark vergütet. Glücklicherweise wurde sie aber nicht eingeschmolzen und konnte 1919 von der Metallmobilmachungsstelle durch Vermittlung der Landherrenschaft der Kirche für den Verkaufspreis wieder angeboten werden. Für 1832,50 Mark wurde sie zurückgekauft. Noch heute trägt sie ihre mit Farbe aufgemalte Kriegsnummer. Ihren ersten Dienst tat sie beim Einläuten des Friedens.“

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Die Kriegswechselmarken – Bergedorfs achteckiges Geld

Bergedorfer Zeitung, 25. Juni 1917

Niemals in seiner Geschichte hatte Bergedorf das Münzrecht besessen. Der Krieg änderte auch das: Eigene Bergedorfer Münzen im Gesamtwert von 40.000 Mark kamen in Umlauf, hier als „Kriegsnotgeld“ bezeichnet, um dem Kleingeldmangel abzuhelfen.

Bergedorfer Zeitung, 3. Juli 1917

Einen entsprechenden Beschluss (der allerdings die Frage von Papier- oder Metallgeld offenließ) von Bürgervertretung und Magistrat hatte es im Februar gegeben (siehe BZ vom 10. Februar 1917). Aus der Bekanntmachung vom 2. Juli 1917 geht hervor, dass man sich für achteckige Münzen (aus Rohzink) entschieden hatte, die bis Ende 1918 gültig sein sollten, und dass die „Benutzung widerrechtlich hergestellter Kriegswechselmarken“ und natürlich ihre Herstellung strafbar waren.

Bergedorfer Kriegswechselmarken 1917, Durchmesser ca. 18, 21 und 24 mm

Bergedorfer Kriegswechselmarken 1917, Wappenseiten

 

Dass es im ganzen Reich an Kleingeld fehlte, ist schon im Beitrag Bargeldlos zum siegreichen Kriegsende aufgezeigt worden, und Bergedorf stand mit seinem Notgeld nicht allein: erste Thüringer Gemeinden hatten dieses als Papiergeld schon zu Jahresbeginn eingeführt (siehe BZ vom 4. Januar 1917), Hamburg folgte mit 50-Pfennig-Scheinen im Frühjahr (die Scheine trugen das Datum 20. März, doch laut BZ vom 30. März sollten sie erst „demnächst“ ausgegeben werden), und praktisch gleichzeitig mit Bergedorf brachte die Nachbargemeinde Sande ebensolche Scheine in Verkehr (die auf den 30. März datiert waren, obwohl laut BZ die Gemeindevertretung erst am 21. April ihre Zustimmung gab).

Hamburger Wechselschein zur Aushilfe 1917, ca. 62 x 47 mm

Notgeld Sande 1917, ca. 88 x 53 mm (Rückseite unbedruckt)

 

 

 

 

 

Warum sich Bergedorf für Münzen und gegen Papier entschied, ist unklar – vielleicht spielte die Haltbarkeit eine Rolle, die aber auch bei Zinkmünzen eingeschränkt war, wie der unten wiedergegebene Artikel zeigt.

Laut Bergedorfer Zeitung vom 26. Juli 1917 war das Projekt in Bergedorf wie in Sande erfolgreich, sogar über die Grenze hinweg wurde das Geld akzeptiert, allerdings nicht von allen Händlern, und selbst Post und die Banken nahmen es an, was sie mit den 1-Pfennig-Pappmünzen der Bergedorfer Kolonialwarenhandlung von Oscar Hanitz wohl eher nicht taten.

Notgeld Oscar Hanitz 1917, Durchmesser ca. 25 mm

Hanitz war aber nicht der einzige Unternehmer, der privates Geld herstellen ließ: auch die Pulverfabrik Düneberg (10 Pfennige) und die Dynamitwerke Krümmel (5, 10 und 50 Pfennige) gaben es heraus und deckten damit vermutlich auch den Geesthachter „Markt“ ab.

Kleingeldersatzmarken der Fabriken Krümmel und Düneberg, undatiert, Durchmesser ca. 19, 21 und 20 mm

Knapp fünf Jahre nach Ende des Krieges wurde die Stadt Bergedorf erneut Herausgeber von Geld: in der Zeit der Hyperinflation aber in anderen Größenordnungen: es kamen „Gutscheine“ von 500.000 Mark bis 500 Milliarden Mark in Umlauf.

Bergedorfer Zeitung, 13. April 1917

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Keine SPD-Spaltung in Bergedorf?

Bergedorfer Zeitung, 15. Juni 1917

Der Jahresbericht des Vorsitzenden des SPD-Distrikts Bergedorf, Wilhelm Wiesner, ist vor allem interessant in dem, worüber er nicht berichtete: die Spaltung der SPD in zwei Parteien.

Der Mitgliederbestand der Distrikts war um etwa 8,5% gesunken, weniger als im „sozialdemokratischen Verein für den dritten Hamburger Wahlkreis“, zu dem auch die Landherrenschaft Bergedorf gehörte: dort waren es knapp 12,5% (siehe BZ vom 5. Juni 1917). Zumindest ein Grund für den Rückgang könnte gewesen sein, dass sich die den Krieg ablehnende oppositionelle Minderheit in der SPD abgespalten und im April 1917 die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands gegründet hatte, aber auf Gründe für den Mitgliederschwund und auf die USPD überhaupt ging Wiesner nicht ein.

In Bergedorf scheint die Spaltung der SPD schlicht kein Thema gewesen zu sein, auch in einem Folgeartikel am 22. Juni kein Wort dazu  – oder lag die Nicht-Berichterstattung daran, dass exklusiv der Bergedorfer Ratmann Wiesner seinen bürgerlichen Ratmannskollegen, den BZ-Redakteur Bauer, mit den Informationen über die SPD versorgte? Aus Geesthacht dagegen war mehrfach über die innerparteiliche Opposition (die sich bei mehreren Versammlungen sogar durchsetzen konnte) berichtet worden, und dort war die Spaltung erfolgt (siehe BZ vom 25. Januar, 14. März, 5. April und 16. Mai 1917): nach der Darstellung von August Ziehl (S. 25) schlossen sich sofort 70 SPD-Mitglieder der neugegründeten Organisation an, darunter auch Ziehl – nach einer Meldung des General-Anzeigers für Hamburg-Altona vom 30. Mai 1917, die offenkundig aus (mehrheits-)sozialdemokratischer Feder stammte, waren es „wie verlautet rund 30“. Wiesners späterer Auftritt bei der Geesthachter Rest-SPD scheint konfliktfrei verlaufen zu sein (siehe BZ vom 18. Juli 1917), und zur Rede des Reichstagsabgeordneten Karl Hildenbrand bei den Bergedorfer Genossen über „Neuordnung und Reichstag“, in der er die Beschlüsse der sozialdemokratischen Fraktion u.a. zu den Kriegskrediten verteidigte, schrieb die BZ am 29. Juli 1917: „Dem Vortragenden wurde allseitiger Beifall zuteil und eine Diskussion nicht beliebt.“

Es muss aber auch in Bergedorf zu einer USPD-Gründung gekommen sein, denn bei der ersten Wahl nach Kriegsende am 13. April 1919 wurden laut Alfred Dreckmann (S. 10) u.a. zwölf Bürgervertreter der SPD und zwei der USPD gewählt (von insgesamt 25).

Noch eine kurze Anmerkung: die BZ widmete den Bergedorfer Sozialdemokraten jetzt deutlich mehr Raum – ein Indiz dafür, dass die SPD (im Gegensatz zur USPD und zu deren linkem Flügel Spartakusbund) nun zumindest partiell als stabilisierendes Element in der Politik gesehen wurde, was auch aus dem hier wiedergegebenen Artikel erhellt: über die örtliche „Friedensagitation“ der SPD wurde berichtet, dass sie 2.823 Unterschriften erbracht hatte – im Vorjahr hatte es hierzu nur die Meldung gegeben, dass SPD-Veranstaltungen zum „Friedenswillen im Volke“ vom stellvertretenden Generalkommando verboten worden waren, siehe den Beitrag Jugend unter Kontrolle.

Und eine weitere Anmerkung: die von Wiesner genannten Zahlen über den Sozialstatus der Einberufenen erklären, warum die SPD in Bergedorf keine Kampfwahl zur Bürgervertretung wollte: sie hätte ihr Ergebnis wohl nicht verbessern können, und so sprach sie sich für die Verschiebung der Wahl aus – siehe hierzu auch den Beitrag Das Wahlrechtsreförmchen in Bergedorf.

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Die Hundstagsente im Boberger Mühlenteich

Bergedorfer Zeitung, 19. Juni 1917

Journalisten pflegen öffentlich rücksichtsvoll miteinander umzugehen: man stellt Kollegen ungern bloß, wenn sie einen Fehler begehen – man selbst könnte ja auch in eine solche Situation geraten und wäre seinerseits für Zurückhaltung der Kollegen dankbar.

Aber diese Geschichte war dem BZ-Redakteur wohl einfach zu schön um sie zu unterdrücken, zudem konnte er ja die Lokalkompetenz der Bergedorfer Zeitung hier dokumentieren und sich in hämischen Formulierungen austoben. In dem Ortskundigen gut bekannten, fast acht Hektar großen Boberger See gibt es zwar Fische (deshalb ist er als Angelgewässer verpachtet) und auch Badende, aber der See entstand erst in den 1950er Jahren durch Ausbaggerung; auch die beiden Teiche im Achtermoor sind jüngeren Datums, Folge des Torfabbaus nach 1945, und liegen wie der See im Naturschutzgebiet Boberger Niederung.

Boberg war am Anfang des 20. Jahrhunderts ein recht kleines und mühlenloses Dörfchen (das 1929 mit Sande und Lohbrügge zu einer Gemeinde zusammengeschlossen wurde), doch hatte es einen Kommunalverein, der sich 1917 um die praktischen Seiten des Lebens kümmerte: ihm gelang es, Fische (nicht aus dem legendären Mühlenteich, s.o.) und Steckrüben zu beschaffen, die an die Vereinsmitglieder verkauft wurden – Nicht-Mitglieder sollten einen höheren Preis zahlen. Ende des Jahres wurde sogar zur Gründung einer Genossenschaft für den „gemeinschaftlichen Einkauf von Waren“ aufgerufen, was wiederum zeigt, vor welchen Problemen damals kleine Gemeinden standen (siehe BZ vom 16. November und 13. Dezember 1917).

Und wer nicht glauben mag, dass die von der BZ aufgespießte Geschichte wirklich im Fremdenblatt stand, kann nachlesen:

Hamburger Fremdenblatt, 18. Juni 1917,     Abend-Ausgabe, S. 9

 

 

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Suppen-Würfel und Jagdpatronen: ein unzuverlässiger Händler

Bergedorfer Zeitung, 7. Juni 1917

Bergedorfer Zeitung, 12. Juni 1917

 

 

 

 

 

Laut Reichsgesetzblatt konnten „insbesondere … Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften über Höchstpreise, Vorratserhebungen, Preisaushang und übermäßige Preissteigerung“ bei Nahrungs- und Futtermitteln sowie anderen Gegenständen des täglichen Bedarfs dazu führen, dass ein Händler für mindestens drei Monate vom Geschäft ausgeschlossen wurde. Diese Vorschrift traf 1917 den Bergedorfer Hartig Eggers: zunächst schloss ihn der Magistrat vom Lebensmittelhandel aus, wenige Tage später folgte die Landherrenschaft, die ihm zusätzlich den Handel mit Futter- und Düngemitteln untersagte.

Eggers war Inhaber eines seit mindestens 1836 (siehe Handel und Wandel im Sachsentor, S. 61f., dort auch Abbildungen des Hauses) bestehenden Bergedorfer Traditionsgeschäfts mit zahlreichen Geschäftsfeldern. Im Branchenverzeichnis des Bergedorfer Adressbuchs 1915 fand man ihn in den Kategorien Eisen- und Kurzwaren, Gasröhren, Haus- und Küchengeräte, Kolonialwaren en gros, Kolonialwaren en detail und Werkzeuge, im alphabetischen Teil des Adressbuchs stand er mit „Kolonialwaren, Baumaterialien etc.“. Immer wieder annoncierte Eggers im ersten Quartal 1917 in der BZ: er bot die Mangelware Karbid (Anzeige vom 11. Januar 1917) und das ebenso knappe Petroleum „solange der Vorrat reicht“ (Anzeige vom 13. Februar) an – beides allerdings nur einmal, desgleichen die Annahme von Bestellungen auf Kleesamen (Anzeige vom 27. Januar). Sohlenschoner gehörten ebenfalls zum Sortiment, siehe den Beitrag Treibriemen zu Schuhsohlen … Häufiger warb er für den Kauf von „Tierarzt Bargums Viehreinigungspulver“ (z.B. Anzeige vom 17. Januar), von Gemüse-Dörren und Steckrüben-Reibmaschinen (z.B. Anzeigen vom 7. und 15. Februar). Sein absoluter Renner, zweimal wöchentlich inseriert, waren „Suppen-Würfel, Vollhundert 3,40 Mk“ (Anzeige vom 11. Januar), deren Preis er im März auf 4,00 Mk. heraufsetzte (Anzeige vom 17. März).

Es wird nicht die Preissteigerung bei den Suppenwürfeln gewesen sein, die zum Ausschluss vom Handel führte – so etwas wurde üblicherweise mit einer Geldstrafe geahndet, wie man einer Reihe von Gerichtsentscheidungen über Strafbefehle im selben Zeitraum entnehmen kann, es musste Gravierenderes vorgefallen sein, doch in der BZ war darüber nichts zu finden.

Ob Hartig Eggers 1917 erneut zum Lebensmittelhandel zugelassen wurde, war der BZ nicht zu entnehmen; seine im August wieder beginnenden Inserate beschränkten sich auf Jagdpatronen. Der Handel mit Düngemitteln wurde ihm offenbar wieder erlaubt, wie einer Anzeige vom 29. Dezember zu entnehmen war, aber er schien doch in beträchtlichen finanziellen Schwierigkeiten zu stecken:

Bergedorfer Zeitung, 17. Dezember 1917

Letztlich überstand er (wie auch immer) diese Krise und den Krieg: das Geschäft bestand bis 1938 (siehe Handel und Wandel im Sachsentor, ebd.).

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Die Gleichheit der Volksküchen

Bergedorfer Zeitung, 11. Juni 1917

Endlich Gleichheit! In allen Bergedorfer Kriegs- und Volksküchen sollte es vom 18. Juni an das gleiche Essen geben, und auch die Portionen sollten gleich groß sein: ein Liter für einen Erwachsenen, ein halber Liter für ein Kind – für die Gäste der Kriegsküchen (in „Stadt Lübeck“ und Am Pool) wurden die Portionen also erheblich größer; für die Gäste der Volksküche im Stadthaus blieben sie gleich. Außerdem sollten 600 Mädchen und Jungen der Stadtschulen ein warmes Frühstück von einem halben Liter erhalten. Die Angabe der Portionsgröße in Litern deutet darauf hin, dass (nur) Suppe ausgegeben wurde, welchen Inhalts auch immer.

Die genaue Zahl der Nutzer Anfang Juni lässt sich aus den angegebenen Zahlen nicht errechnen – es dürften um 4.000 gewesen sein – im Vorjahr waren es etwa 2.500, siehe den Beitrag Kommunalpolitik 1916. Um Pfingsten (27. Mai 1917) hatten deutlich mehr Menschen die städtischen Angebote genutzt, vielleicht 5.000 insgesamt. Der Rückgang der Zahl der ausgegebenen Portionen mag auch daran gelegen haben, dass die Küchen seit dem 13. Mai Sonntags geschlossen blieben (siehe BZ vom 12. Mai 1917); in diesem Artikel wurde er erklärt mit dem „ersten Frühgemüse“, das nun auf dem Markt sei und in der eigenen Küche zubereitet werde – wenn dies zutrifft, spricht es nicht für die Qualität der städtischen Verpflegung, sondern nur für die Alternativlosigkeit: nur bevor man gar nichts bekam, ging man zur Suppenküche.

Im Sommer nahmen dann noch weniger Menschen diese Küchen in Anspruch: Ende August meldete die BZ, dass sich die Ausgabe seit Mitte Juli fast halbiert habe, nicht nur wegen des guten Angebots an Gemüse, sondern auch, weil alle, die dort Essen empfangen wollten, nun auch ihre Teigwarenmarken abliefern mussten. Die Stadt begründete diese Maßnahme damit, dass sie nicht nur die Verteilungsgerechtigkeit erhöhe, sondern das Essen auch schmackhafter würde (siehe BZ vom 17. und 31. August 1917 und den Beitrag Von der Kriegsküche zur Volksküche).

Für den kommenden Winter rechnete der Kriegsfürsorgeausschuss der Stadt aber mit einem so großen Zuwachs an Nachfrage, dass man eine vierte Küche schaffen wollte, die in der bisherigen Männerturnvereinshalle eingerichtet werden sollte (siehe den Beitrag Die Lage der Sportstätten), und durch den Bau von „Vorhallen“ wollte man das Anstehen bei schlechter Witterung erträglicher gestalten: eine baldige Verbesserung der Lage wurde also nicht erwartet.

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Die Frauenemanzipation und das Arbeitsamt in Bergedorf

Bergedorfer Zeitung, 4. Juni 1917

Eine von der Stadt getragene Frauenarbeitsmeldestelle, die auch Vermittlung unternahm und geleitet wurde von „M. Hipp“ (wahrscheinlich die angesehene Mitgründerin der Luisenschule Mathilde Hipp, siehe BZ vom 18. September 1917) wäre einige Zeit vorher noch undenkbar gewesen, aber durch den Krieg waren viele Männer aus ihren Beschäftigungsverhältnissen gerissen worden und mussten durch Frauen ersetzt werden. In aller Regel waren die Frauen Lückenbüßerinnen – in den Anzeigen wurden meist Arbeiterinnen  für die Rüstungsindustrie und für Erdarbeiten gesucht. Es gab aber auch „weibliche Hilfsbriefträger“ (BZ vom 19. Januar 1916), Geesthacht stellte zwei „weibliche Hilfskräfte“ für das Gemeindeamt ein (BZ vom 21. Dezember 1916), in Bergedorf und Geesthacht waren „Lehrerinnen als Vertretung“ eingesetzt (BZ vom 5. Mai und 16. Oktober 1916), Frauen durften „vorläufig“ als Gerichtsschreiber arbeiten und in Militärschreibstuben eingesetzt werden (BZ vom 11. und 18. Dezember 1916) – sie sollten arbeiten, aber sie sollten nicht ihre „gemeinnützige Wirksamkeit“ in der „öffentlichen Wohlfahrtspflege“ aufgeben (in der sie zumeist ehrenamtlich tätig waren, BZ vom 17. Januar 1917).

Aufgabe der hier erstmals in der BZ genannten Stelle sollte sicher nicht die Förderung der Frauenemanzipation sein, sondern die Deckung des aktuellen Arbeitskräftebedarfs, aber die ausdrückliche Nennung der „Frauenberufsberatung“ weist über das Kriegsende hinaus: es sollten auch Lehrstellen vermittelt werden, womit die Erwerbstätigkeit von Frauen gestärkt würde. Schon im Vorjahr war bei einem Vortragsabend des Bergedorfer Frauenvereins jungen Frauen eine Berufsausbildung empfohlen worden, siehe den Beitrag Heiratsmarkt und Arbeitsmarkt. Für viele Frauen wird diese Perspektive jenseits von Krieg, Küche und Kindern attraktiv gewesen sein – für Männer, die aus dem Krieg zurückkehrten, eher nicht: auf Reichsebene hatte ein „Deutscher Bund gegen die Frauenemanzipation mit Unterstützung von 88 Beamten-, Angestellten- und anderen Vereinen“ sogar eine Bittschrift an den Reichstag gesandt, nach der Frauen den Kriegsheimkehrern keine Arbeitsplätze wegnehmen sollten und „eine amtliche Unterstellung der Männer unter Frauen ausgeschlossen“ sein sollte (BZ vom 23. Januar 1917).

Bereits emanzipiert (zumindest in beruflicher Hinsicht) war sicher die Bergedorferin Elli Becker, die Ende 1917 an der Universität Heidelberg das medizinische Staatsexamen ablegte (siehe BZ vom 23. November 1917).

Bergedorfer Zeitung, 16. Juni 1917

Die Frauenarbeitsstelle war Teil des neugeschaffenen „öffentlichen Arbeitsnachweises“, über dessen Ausgestaltung (paritätische Besetzung durch Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter?) und auch Aufgabengebiet (nur gewerbliche und hauswirtschaftliche Arbeit?) es seit Anfang 1916 kontroverse Diskussionen gegeben hatte (siehe BZ vom 25. Mai 1917 und den Beitrag Bergedorfs Stadtparlament …). Die im Beitrag Von Kriegsnot … genannte Einrichtung hatte sich offenbar auf Vermittlung in die Landwirtschaft und in die Fabriken Düneberg und Krümmel beschränkt und tauchte nach 1914 nicht mehr in der BZ auf.

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Die Lage der Sportstätten und der Sportler

Bergedorfer Zeitung, 26. Mai 1917

Zu Pfingsten endlich begann in Bergedorf wieder die Tennissaison, worauf der Spielverein Bergedorf e.V. per Anzeige aufmerksam machte – allerdings wirkte sich die allgemein verschlechterte Situation auch auf diesen Sport aus: das „Spielgeld“, d.h. die Platzbenutzungsgebühr, war auf drei Mark pro Person und Stunde erhöht worden, sodass ein einstündiges Doppel mehr kostete als ein Arbeiter am Tag verdiente. Und es war nur noch von einem Tennisplatz die Rede, während in den Vorjahren zusätzlich auf dem „Hulbeschen“ gespielt worden war (siehe BZ vom 24. April 1915 und 29. April 1916) – vielleicht gab es nicht mehr genug Spieler für mehrere Plätze.

Die genaue Lage der Plätze ist der Karte von 1904 nicht zu entnehmen: das Hotel „Fernsicht“ ist aber als Nr. 27 darin verzeichnet, und die Nr. 28 bezeichnet den „Spielplatz“, den Georg Hulbe zur Verfügung gestellt hatte. Auf dem als Nr. 29 eingetragenen „Tennisplatz“ spielt bis heute der exklusive Verein Ostende von 1893.

Bergedorfer Zeitung, 26. Mai 1917

Das Wettspiel des Bergedorfer Fußballklubs gegen den Fußballverein Werder Bremen, den Vorläufer des heutigen Bundesligisten SV Werder Bremen, fand laut Annonce auf dem „Waldschloßplatz“ statt, eventuell der vorgenannte „Spielplatz“ am Pannerstieg (heute Pannerweg).

Diese Begegnung muss ein sportliches Großereignis gewesen sein, denn ansonsten gab es für Fußballspiele keine Zeitungsinserate. Leider war in der BZ kein Spielbericht zu lesen: bis 1916 hatte das Blatt die Rubrik „Turnen, Sport und Spiele“ mit Berichten über sportliche Ereignisse, aber diese war vermutlich dem wegen Papiermangels reduzierten Umfang der Zeitung zum Opfer gefallen. So muss offenbleiben, wie das Spiel ausging.

Die Bremer standen sportlich vor ähnlichen Problemen wie die Bergedorfer, deren gesamte erste Mannschaft einberufen und durch Jugendliche ersetzt worden war (siehe BZ vom 17. Juni 1916). Wie sehr die Sportvereine schon 1914 durch den Krieg beeinträchtigt waren, wurde bereits in dem Beitrag Die Turner und der Krieg geschildert, und die Probleme hatten weiter zugenommen: für die Bergedorfer Turnerschaft von 1880, deren Turnhalle sich an der damaligen Schulstraße, heute Bult, befindet, liegen Zahlen vor: Anfang 1917 standen 232, d.h. etwa zwei Drittel, ihrer Mitglieder „im Felde“, und um diese kümmerte sich der Verein kontinuierlich seit kurz nach Kriegsbeginn: bei den wöchentlichen Treffen wurde „Liebes-Arbeit“ geleistet, wurden für alle BT-Soldaten Pakete mit Ess-, Rauch- oder Trinkbarem, einem Buch oder einer Zeitung gepackt oder es wurde zumindest ein Brief geschrieben (siehe BZ vom 22. Dezember 1916 und 17. Januar 1917).

Bergedorfer Zeitung, 21. Mai 1917

Der Bergedorfer Männer-Turnverein von 1860 bekam ein paar Wochen später ein zusätzliches Problem: die Stadt kündigte den Pachtvertrag für seine Turnhalle am Schulenbrooksweg, denn hierin sollte die vierte Volksküche eingerichtet werden. Die für die vorzeitige Kündigung zu zahlende Abstandssumme von 6.597,36 Mark entnahm man „den von der Stadt der Kriegsfürsorge zur Verfügung gestellten Mitteln“ (siehe BZ vom 23. Juni 1917). Auf einem in dem Sammelband Bergedorfer Bürger erzählen Geschichte, S. 51, enthaltenen Plan von ca. 1920 ist diese Halle eingezeichnet: sie lag westlich des Verbindungswegs zwischen Schulenbrooksweg und Bergstraße, heute August-Bebel-Straße.

Eine weitere oft für den Sport genutzte Spielstätte war der Frascati-Platz, siehe den Beitrag Sport fürs Vaterland.

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Die Erdgasquelle von Neuengamme

Bergedorfer Zeitung, 16. Mai 1917

Auch wenn man Teile des Artikels eher erschließen muss als lesen kann, ist er es wert hier wiedergegeben zu werden, denn er handelt von der Erdgasquelle in Neuengamme.

Diese war bei Probebohrungen zur Wasserförderung am 3. November 1910 aufgebrochen und hatte sich am folgenden Tag entzündet, woraus das sogenannte „Flammenkreuz von Neuengamme“ entstand, das auf den unten wiedergegebenen Ansichtskarten zu sehen ist und einen Touristenansturm mit verschiedenen Begleiterscheinungen auslöste:

Broschüre „Das Wunder von Neuengamme bei Bergedorf“, Druck und Verlag von W. Nölting, Hamburg o. J. (1910), S. 5

es gab Sonderzüge nach Bergedorf, der Geschäftssinn (nicht nur) der Vierländer kam zur Anwendung, Ansichtskarten wurden gedruckt und mindestens eine Broschüre in den ersten Wochen nach der Katastrophe, betitelt „Das Wunder von Neuengamme bei Bergedorf“, u. a. den Hergang des Unglücks und die bis dato erfolglosen Versuche, das Feuer zu löschen, schildernd. Für den einstündigen Fußmarsch ab Bergedorf empfahl diese Broschüre den Oberen Landweg – die Strecke über den Curslacker Neuen Deich zur Brandstelle am Kirchwärder Landweg wäre wohl kürzer gewesen, wie eine (spätere) Karte der Vierlande zeigt, auf der die „Gasquelle“ (fast im Mittelpunkt der Karte) eingezeichnet ist.

Erst am 21. November konnte das unkontrollierte Feuer gelöscht werden; es folgte einige Zeit des teilweise kontrollierten Ablassens des Gases. Danach begannen die Vorbereitungen zur Nutzung der Quelle: eine 15,3 km lange Leitung wurde zum Gaswerk Tiefstack verlegt und seit 1913 wurde dort das Erdgas dem aus Kohle gewonnenen Stadtgas beigemischt (siehe den Aufsatz von Dieter Farrenkopf, in: Vierlande. Kulturgeschichte zwischen Elbe und Bille Band 3, S. 8 – 13). Auch die Ballonfahrer freuten sich: mindestens ein Mal wurde an der Neuengammer Quelle ein Ballon mit dem Gas befüllt, wie die folgende Ansichtskarte belegt:

Ansichtskarte einer Ballonfüllung, gestempelt Bergedorf 27. August 1911

In Bergedorf (und natürlich auch Neuengamme, siehe BZ vom 27. November 1914) ärgerte man sich mächtig, dass nur die Stadt Hamburg von der Förderung profitierte: während Bergedorf unter der „Gaskalamität“ (Produktionsausfälle, Druckabsenkungen, Preiserhöhungen – siehe den Beitrag Keine Kohle, kein Gas …) zu leiden hatte, erhöhten die Hamburger Gaswerke bei Kohlenmangel den Erdgasanteil (siehe BZ vom 5. März 1917), und so kann man gut verstehen, dass die Bergedorfer Zeitung einen neidischen Blick nach Hamburg richtete und fragte, wieviel Erdgas schon gefördert wurde und welche „Ersparnisse“ die Gaswerke erzielten.

Antworten auf diese Fragen waren allerdings schon in der BZ zu lesen gewesen; im Vorjahr hatte sie einen Artikel aus der „Weser Zeitung“ wiedergegeben: demnach betrug die jährliche Förderung „15 Mill. cbm“, die zu einer „Reineinnahme von mehr als zwei Millionen Mark“ führte (siehe BZ vom 11. September 1916).

Das befürchtete Versiegen der Quelle ließ aber noch auf sich warten: bis zur Produktionseinstellung 1930 lieferte die Quelle etwa 250 Mill. cbm. Vom Bohrloch, das 2002 in zwei Metern Tiefe endgültig verschlossen wurde, ist heute nichts mehr zu sehen (siehe Farrenkopf, ebd.).

Das „Flammenkreuz von Neuengamme“, kolorierte Ansichtskarte von 1910

Textseite der Ansichtskarte

Ansichtskarte von 1910, Rückseite unbeschrieben

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