Von Kriegsnot und Warmbadeanstalt

Bergedorfer Zeitung, 13. September 1914

Bergedorfer Zeitung, 13. September 1914

Die Auswirkungen des Krieges dominierten die Sitzung von Magistrat und Bürgervertretung Bergedorfs, aber es blieb auch Zeit für „das Übliche“, d.h. den Einspruch des Landherrn gegen einen unliebsamen Beschluss und die Beschwerde der Sozialdemokraten über ihre (vermeintliche oder wirkliche) Benachteiligung bei der Ausschussbesetzung.
Die Berichterstattung zum Thema Notstandsarbeiten ist unter verschiedenen Aspekten interessant: die Finanzierung aus „Überschüssen vergangener Jahre“ lässt eine wohlhabende Kommune vermuten – tatsächlich aber hatte die Stadt häufig Kredite für Investitionen aufgenommen und war nicht schuldenfrei. So könnte man versucht sein, diese Erteilung staatlicher Aufträge als ein „Konjunkturprogramm“ à la  John Maynard Keynes (der seine Theorie allerdings erst später entwickelte) zu betrachten, aber die Motivation des Magistrats war wohl eher, Arbeitslosen ein (geringes) Einkommen zu verschaffen und sie mit Beschäftigung zu versehen – Menschen, die ansonsten mit noch geringerem Einkommen aus der Arbeitslosenunterstützung, aber mit viel Zeit, ein Unruhepotential hätten darstellen können.
Von Vorteil für den Bergedorfer Arbeitsmarkt war natürlich, dass zwei Firmen in den benachbarten Ortschaften Düneberg und Krümmel (bei Geesthacht) kriegsbedingt einen gewaltigen Aufschwung nahmen und Arbeitskräfte in großer Zahl suchten – siehe hierzu den Beitrag Landsturm und Arbeitslosigkeit mit weiterführenden Links.
Besondere Maßnahmen für arbeitslose Frauen gab es keine, obwohl viele von ihnen ihre Beschäftigung in bürgerlichen Haushalten verloren – ihnen und ihren Familien blieb gegebenenfalls nur die schmale staatliche Unterstützung (laut BZ vom 16. September 1914: für Ledige 2,50 Mark wöchentlich, für Ehepaare im Monat 16 Mark plus 4 Mark für jedes Kind). Nur wenige werden in den Genuss der Absicherung durch die „Lohnfortzahlung an die zum Kriegsdienst einberufenen städtischen Angestellten und Arbeiter“ gekommen sein..
Aber trotz all dieser kriegsbedingten Themen und Nöte – man beachte auch dieÄußerung des Bürgervertreters Rühl, dass die Dauer des Krieges nicht abzusehen sei – befassten sich die Kommunalpolitiker am Ende ihrer Sitzung (siehe Ende des Artikels) einmal mehr mit der geplanten Warmbadeanstalt und kauften ein hinreichend großes Grundstück in der Nähe des Elektrizitätswerks – war das nun weitsichtig oder absurd?

 

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