Kommunalpolitik 1916: Hohler Weg und weniger Ratmänner

Bergedorfer Zeitung, 10. Juni 1916

Bergedorfer Zeitung, 10. Juni 1916

Ein breites Themenfeld beackerten Magistrat und Bürgervertretung in ihrer Sitzung am 9. Juni 1916: mehrere Grundstücksgeschäfte wurden genehmigt, die Anschaffung einer neuen Schreibmaschine (450 M) wurde gebilligt, eine Haftpflichtversicherung für die Stadt erhielt die nötige Zustimmung, die Gehälter der Beamten des Elektrizitätswerks wurden erhöht, damit sie nicht schlechter bezahlt würden als die Hilfskräfte, die die einberufenen Mitarbeiter ersetzten. Auch sollte sich die Stadt vor Gericht gegen eine Schadensersatzforderung wegen verweigerter Bauerlaubnis wehren und nachträglich wurde der Ankauf der bisher nur gemieteten Lokomobile des E-Werks genehmigt. Schließlich wurde dem Ausbau des „Hohlen Wegs“ zugestimmt, einer schon 1491 erwähnten Wegeverbindung nach Wentorf (siehe die Karte 1875 und unten den Ausschnitt aus der Karte 1904, heutiger Name: Doktorberg), wodurch neue Bebauungsmöglichkeiten geschaffen wurden. Der Bürgervertreter Dr. Ohly, Leiter der (staatlichen) Hansa-Schule, forderte Maßnahmen gegen die private Handelsschule Hansa – und nicht einmal drei Monate später wurde deren Leiter wegen Betrugs verhaftet (siehe BZ vom 8. September 1916).

Die Lebensmittelversorgung war wieder einmal eines der Hauptthemen: die Zahl der kostenlos ausgegebenen Mittagsportionen war auf 2.500 gestiegen (zur Entwicklung siehe den Beitrag Morgensuppe und Behördenschelte), und allgemein wurde mit einer weiteren Verschlechterung der Lage gerechnet: die nächsten acht Wochen würden „wohl die schwersten der Kriegszeit“ werden – ein Optimismus, der von der Realität widerlegt werden sollte.

Hohler Weg (Karte 1904)

Hohler Weg (Karte 1904)

In dieser Sitzung ging es aber auch um strukturelle und personelle Änderungen in der Lokalpolitik: Bürgermeister Walli war nun „nebenamtlich“ für die Geschäfte der Landherrenschaft in Bergedorf zuständig und damit zugleich der örtliche Polizeichef. Aus den Reihen der Bürgervertreter gab es offenbar Zustimmung, doch eigentlich wäre Protest zu erwarten gewesen: erst 1913 hatte Hamburg der Forderung der Bürgervertreter nachgegeben, die Funktionen Bürgermeister und Vertreter des Landherrn zu trennen, wovon sich die Bergedorfer eine größere Unabhängigkeit erhofft hatten (vgl. Barghorn-Schmidt (S. 158f.)). Die Rücknahme der Reform wurde also geschluckt – wahrscheinlich auch, weil es sich nicht um eine „lebenslängliche Anstellung“ wie bei Wallis Amtsvorgänger Lange handelte.

Eine weitere Verschiebung der Gewichte in der örtlichen Politik entstand durch eine Reduzierung der Zahl der amtierenden Ratmänner von vier auf (vorläufig) zwei: Wochen zuvor war Ratmann (Eduard Karl Gustav) Jacobi verstorben (siehe BZ vom 27. März 1916), und in der aktuellen Sitzung wurde das Rücktrittsgesuch des Ratmanns (Franz Friedrich Eduard) Meyns (aus Gesundheitsgründen) angenommen. Aber die Versammlung schritt nicht – was man hätte erwarten können – sogleich zur Neuwahl, denn nach Ansicht des (Rest-)Magistrats hätte dies zu politischen Konflikten geführt: „Eine Ratmannswahl kann nicht ohne Kämpfe parteipolitischer Art vorgenommen werden, die jetzt besser vermieden werden.“ So vermied man also den Konflikt, indem man das Problem (für mehrere Monate, wie sich herausstellen sollte) nicht anfasste.

 

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