Schon im Januar 1917 war die Beschlagnahme von Orgelprospektpfeifen und „anderen Zinnpfeifenschalleitern“ angeordnet worden (siehe BZ vom 10. Januar 1917; der militäramtliche Hinweis auf die Bekanntmachung erschien in der BZ eingeklemmt zwischen Bekanntmachungen zur Verteilung von Einheitsfutter für Schweine und zur Abgabe von Anträgen auf Saatkartoffeln) – knapp zwei Monate später waren die Bronzeglocken der Kirchen an der Reihe: sie sollten „eingeschmolzen als Geschütze wieder erstehen“ (siehe BZ vom 5. April 1917).
Die Verabschiedung der Glocken gestaltete sich durchaus unterschiedlich: in Sande, Curslack und Neuengamme fand ein „Abschiedsgeläut“ statt, in der Kirche St. Petri und Pauli (Bergedorf) gab es eine „Glockenabschiedspredigt“ durch Pastor Behrmann (siehe BZ vom 1. und 27. Juni 1917). Die beiden großen Bergedorfer Glocken stammten aus dem 19. Jahrhundert, wie bei Helmut Hoffmann (S. 162f.) nachzulesen ist. Die einzig verbleibende mit der Inschrift „Friede auf Erden!“ (siehe BZ vom 27. Juni 1917) wurde dann Opfer des Zweiten Weltkriegs (Hoffmann, ebd.). Zwei der heutigen drei Glocken sind „Leihglocken“ aus den ehemals deutschen Gebieten östlich der Oder-Neiße-Linie, und die Eigentumsrechte an ihnen waren laut Hoffmann jedenfalls 2002 immer noch ungeklärt.
In der Regel war es jeweils die kleinste Glocke, die 1917 nicht „ins Feld“ zog, aber auch größere Glocken konnten nach Begutachtung durch Sachverständige verschont werden. Dies rettete die älteste des Heimatgebiets (in St. Salvatoris, Geesthacht, wohl aus dem 14. Jahrhundert – siehe Walter Hohrath, S. 88) und die letzte erhaltene Glocke des zu Beginn des 19. Jahrhunderts abgebrochenen Hamburger Doms, die „Celsa“, die in St. Nicolai (Altengamme) eine neue Heimat gefunden hatte (siehe den nebenstehenden Artikel). In Altengamme verblieb sogar das vollständige Geläut. St. Severini (Kirchwerder) sollte ebenfalls seine drei Glocken (von 1616/1656, 1695 und 1739) wegen ihres „Altertumswertes vorläufig“ behalten, aber nach Hermann Schween (S. 144) wurde 1918 die mittlere „als die am einfachsten gestaltete doch beschlagnahmt und am 20. August 1918 durch den Zimmermeister Schwers-Ochsenwärder abgenommen und in den Freihafen gebracht. Für je 1 Kilo wurden 4,50 Mark vergütet. Glücklicherweise wurde sie aber nicht eingeschmolzen und konnte 1919 von der Metallmobilmachungsstelle durch Vermittlung der Landherrenschaft der Kirche für den Verkaufspreis wieder angeboten werden. Für 1832,50 Mark wurde sie zurückgekauft. Noch heute trägt sie ihre mit Farbe aufgemalte Kriegsnummer. Ihren ersten Dienst tat sie beim Einläuten des Friedens.“