Bergedorfs zerlumpte Polizei

Bergedorfer Zeitung, 18. April 1921

Man weiß nicht genau, wie die Uniformen der ehemals Bergedorfer und nun Hamburger Polizisten aussahen, aber es sollte neue geben: der Senat meinte, dass „die Uniformen der von der Stadt Bergedorf übernommenen Mannschaften zum größten Teil nicht mehr gebrauchsfähig sind.“ Diese Einschätzung spricht nicht gerade dafür, dass Bergedorf seine Polizisten besonders hegte und pflegte. Man hatte sie lieber in ver- oder zerschlissener Dienstkleidung patrouillieren lassen als für diese Geld zu bewilligen, und entweder waren sie unbewaffnet gewesen oder ihre Waffen waren in ähnlichem Zustand wie die Textilien.

Nun, kurz nach der Verstaatlichung der Bergedorfer Polizei, sollte auch an der Kleidung sichtbar werden, dass hamburgische Ordnungshüter im Einsatz waren, denn die „Bergedorfer“ sollten die Uniformen erhalten, die die „Hamburger“ bereits trugen – nach Auskunft des Polizeimuseums Hamburg: schwarze Hose, blaue Jacke.

Insgesamt, d.h. einschließlich Umzugs- und Einrichtungskosten, wurden 119.843 Mark von der Bürgerschaft zur Verfügung gestellt, damit sich die Polizisten in ihren neuen Räumen und Uniformen wohlfühlten.

Bergedorfer Zeitung, 19. April 1921

Die Polizei in Bergedorf erhielt darüber hinaus noch personelle Verstärkung durch vier Mitglieder der „grünen Ordnungspolizei“, also ehemalige Angehörige der Sicherheitspolizei, die in die reguläre Polizei übernommen worden war (BZ vom 11. September 1920), die „vorläufig“ weiter in Grün Dienst tun sollten – wie lange sich das Provisorium hinzog, ist unbekannt.

Bergedorfer Zeitung, 17. Oktober 1921

Ein Überblick über die Grundausstattung eines Polizeiwachtmeisters ist einem weiteren Senatsantrag zu entnehmen, denn auch die von den Landgemeinden übernommenen Polizisten sollten neue Dienstkleidung bekommen. Die Bürgerschaft bewilligte das nötige Geld, lehnte aber den Antrag des Geesthachter Abgeordneten Käckenhoff auf Gewährung einer zweiten Uniform ab (BZ vom 20. Oktober 1921). Hygienisch war das nicht, und den Verschleiß wird es gefördert haben.

Bergedorfer Zeitung, 16. August 1921

Auch die stadthamburgische Polizei änderte ihr Erscheinungsbild: sie erhielt als Kopfbedeckung den Tschako, aber die Meldung war wohl voreilig – nach Auskunft des Polizeimuseums Hamburg kam der Tschako erst 1923.

Dem Polizeimuseum Hamburg sei für seine Auskunftsbereitschaft vielmals gedankt.

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Die starke Stellung der Schreber in Bergedorf

BZ, 9. April 1921

Die Bekanntmachung klang bürokratisch und schuf ein quasi-Monopol – aber sie wird viele Bergedorfer erfreut haben: die Stadt übertrug ihre für Kleingärten geeigneten Flächen an den Bergedorfer Schrebergartenverein. Wer pachten wollte, musste sich also an den Verein wenden.

Schon in den Kriegsjahren hatte Bergedorf Flächen für Kleingärten verpachtet, wohl jeweils begrenzt auf ein Jahr, und konnte sich bestimmt nicht über einen Mangel an Nachfrage beklagen: Kleingärten waren vor hundert Jahren bei Stadtbewohnern noch beliebter als heute, denn mit dem Anbau von Kartoffeln und Gemüse und vielleicht auch Hühnerhaltung hofften sie, dem Mangel und den hohen Preisen begegnen zu können.

Bergedorfer Zeitung, 20. November 1920

Aus dieser Situation heraus kam die im Herbst 1920 erfolgte Gründung des Bergedorfer Schrebergartenvereins nicht überraschend, und durch die oben wiedergegebene Bekanntmachung erhielt dieser sogleich eine bedeutende Position: er konnte günstiger anbieten als ein gewinnorientierter privater Grundeigentümer und verpachtete auf Dauer.

BZ, 16. September 1919

BZ, 3. Dezember 1920

Genaue Angaben über die Flächen des Vereins vor hundert Jahren waren der BZ nicht zu entnehmen, aber mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit lagen diese am Curslacker Neuen Deich und am Pollhof in Curslack, wie sich aus zwei Anzeigen in der BZ ergibt: bereits im Herbst 1919 hatte der Magistrat ein Gebiet „hinter dem Klärwerk“ zur Verpachtung angeboten, und der Schrebergartenverein lud kurz nach seiner Gründung zu einer Hauptversammlung, in der es um die „Verpachtung Pollhof“ gehen sollte. Beide Gebiete werden auch 2021 kleingärtnerisch genutzt, allerdings von zwei Vereinen: die Gartenfreunde Pollhof e.V. (624) machten sich 1977 selbstständig. Der Bergedorfer Schrebergartenverein von 1920 e.V. (609) ist nach wie vor auf der Fläche am Curslacker Neuen Deich ansässig, doch droht ihm Ungemach: der Bezirk Bergedorf möchte hier ein Gewerbegebiet schaffen. Nach Auskunft des langjährigen Vereinsvorsitzenden der Bergedorfer, Wolfgang Schütz, besteht diese Absicht schon seit Jahrzehnten und es kann noch Jahre dauern, bis ein Umzug erfolgt – nach § 14 Bundeskleingartengesetz muss die Kommune Ersatzflächen bereitstellen.

Eine Chronik des bald 101 Jahre alten Bergedorfer Schrebergartenvereins von 1920 gibt es leider nicht, und die Namen der Gründungsväter tauchten nicht in der BZ auf. Bekannt ist nur das Vereinslokal jener Jahre (siehe die Anzeige oben).

Über die Entwicklung des Kleingartenwesens in Hamburg gibt es eine von Hartwig Stein verfasste Chronik, herausgegeben und herunterzuladen von der Internetseite des Landesbunds der Gartenfreunde Hamburg, in der Bergedorf nur einmal (S. 33) in Verbindung mit Dachverbandsfragen erwähnt wird. Ansonsten ist diese Schrift sehr lesenswert, weil sie viel Hintergrund zur Kleingarten- und Schreberbewegung enthält und sehr viel mehr ist als eine reine Verbandschronik.

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Die bemerkenswerte Kooperation für den Wohnungsbau

Bergedorfer Zeitung, 9. April 1921

Normal war das nicht: die ansonsten auf Abgrenzung bedachte SPD Bergedorf setzte sich in ein Boot mit dem rechtsgerichteten Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verband (DHV), um endlich den Wohnungsbau voranzubringen – das 1919 geplante Projekt an der Brunnenstraße war an hohen Kosten und unzureichenden Mitteln gescheitert, aber der DHV konnte Geld vermitteln, nämlich durch Anleihen, die die Stadt Bergedorf bei der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte aufnehmen würde. Die Stadt wiederum hatte die Grundstücke, und so kam man nach monatelanger Vorarbeit zusammen, wahrscheinlich gefördert durch den DNVP-Bürgervertreter und DHV-Funktionär Eugen Clauss.

Auch das im Vorjahr beschlossene Projekt von drei Häusern mit zwölf Wohnungen am Grasweg (siehe den Beitrag Kleinwohnungshäuser im Villenviertel) wurde einbezogen (BZ vom 15. November 1920), und nun sollten weite Teile des „Bruntschen Parks“ ensprechend den Vorplanungen des Bergedorfer Bauamts (BZ vom 7. Februar 1920) für Einfamilienhäuser genutzt werden.

BZ, 9. April 1921

Zu diesem Zweck wurde die „Heimag Bergedorf“ gegründet, eine Tochter der Gemeinnützigen Heimstätten-Aktiengesellschaft für Angestellten-Heimstätten, kurz GAGFAH, deren größter Anteilseigner der DHV war, und es bildete sich eine „Ortsvereinigung für Angestellten-Heimstätten“. Diese Ortsvereinigung konnte „die größere Hälfte“ der geplanten Wohnungen an ihre Mitglieder vergeben – das Interesse des DHV an dem Vorhaben war also keineswegs selbstlos.

Die Größe des Vorhabens war beachtlich, wenn auch eine präzise Zahlenangabe der 1921 begonnenen Häuser fehlt: anfangs hieß es, man müsse sich zwischen 94 Häusern mit 100 Wohnungen bzw. 78 Häusern mit 84 Wohnungen entscheiden (BZ vom 13. Dezember 1920), dann wurde die Häuserzahl von 75 auf 50 reduziert (BZ vom 19. April 1921); die nächste genannte Zahl war 61 Wohnungen (BZ vom 14. Juni 1921), und schließlich hieß es, 49 Einfamilienhäuser seien im Bau, die ersten vier (am Grasweg) seien bereits fertig (BZ vom 16. August 1921).

BZ, 8. Oktober 1921

Die Höhe der Jahresmieten stieg während der Bauzeit beträchtlich: hatte der Aufsichtsrat der Heimag (mit dem SPD-Bürgermeister Wiesner und dem DNVP-Bürgervertreter Clauss, BZ vom 5. November 1921) im Oktober beschlossen, dass sie 1.020 Mark betragen solle, so forderte die Landherrenschaft, die Bergedorfs Stadtfinanzen kontrollierte, 1.580 Mark (BZ vom 5. August 1921). Da sich die Einigung mit Hamburg hinzog, konnten in der Vermietungsanzeige nur ungefähre Beträge je nach Haustyp angegeben werden. Die Finanzkraft von Geringverdienern dürfte das in jedem Fall überstiegen haben.

Aber wer heute durch diese Siedlung am Heinrich-Heine-Weg spaziert, kann sich davon überzeugen, dass das gemeinsame Rudern von Sozialdemokraten und Deutschnationalen funktioniert hat.

 

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Bergedorfs Schulentwicklung unter Rektor Müller

Bergedorfer Zeitung, 31. März 1921

Es hatte sich viel getan in und mit Bergedorfs Schulen in der fünfundzwanzigjährigen Amtszeit des Rektors Müller: als er 1896 kam, war er der einzige städtische Schulleiter – 1921 hatte er eine ganze Reihe von Kollegen, die Schülerzahl hatte sich mehr als verdoppelt, neue Schulen, Fachräume und Gebäude waren hinzugekommen, er hatte Schulzeitverkürzungen und Schulzeitverlängerungen umzusetzen gehabt und dergleichen mehr, wie im Artikel zu lesen. Lange Jahre war er nicht nur Rektor zweier Schulen an zwei Standorten gewesen (Knaben am Brink, Mädchen in der Brauerstraße), sondern zusätzlich im Nebenamt Leiter der  Fortbildungsschule und der landwirtschaftlichen Winterschule.

Bei Müllers Amtsantritt verteilten sich die 950 Schülerinnen und Schüler auf zwanzig Klassen, was eine durchschnittliche Klassenfrequenz von 47,5 ergibt, die sich zehn Jahre später kaum geändert hatte – nach einem Aufsatz von Fr. Winckler zur Geschichte der Stadtschule Bergedorf (Geschichte des hamburgischen Landschulwesens, S. 207-233) war die Klassenfrequenz 1903 sogar auf 53,7 gestiegen (ebd., S. 232). Der aktuelle Rückgang auf etwa 37-38 Kinder pro Klasse dürfte dem Unterricht zugutegekommen sein.

Über den Schulalltag jener Jahre war aus der BZ nichts zu erfahren, auch nicht, ob „viele seiner einstigen Schüler in Dankbarkeit seiner“ gedachten. Wie auch immer – Müller war in diesen 25 Jahren zu einer Institution geworden, was die Zeitung ausführlich würdigte. Ein gleich lange dienender Polizist bekam nur einen sehr schlanken Text:

Bergedorfer Zeitung, 31. März 1921

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Vom Nähen und Schneidern

Bergedorfer Zeitung, 30. März 1921

BZ, 30. März 1921

Schneidern und Nähen will gelernt sein, und da machte der Hausfrauenverein Bergedorf ein passendes Angebot: „Anfertigen von Kleidungsstücken aus alten und neuen Stoffen, sowie Stopfen und Flicken“ beinhaltete das Programm des Nähkursus – Wegwerfmode gab es nicht, Altkleidercontainer wären leer geblieben. Löcher wurden gestopft, an beschädigten Stellen Flicken aufgesetzt, und aus nicht mehr tragbaren Kleidungsstücken konnte man noch Kinderkleidung herstellen.

BZ, 19. April 1921

BZ, 6. April 1921

Der Ende 1919  von Damen mit Hausangestellten gegründete Hausfrauenverein betonte in der Anzeige, dass „Frauen und Mädchen aller Stände“ an dem Kursus teilnehmen konnten und vielleicht wurden einige „Mädchen“ von ihren Arbeitgeberinnen sogar dorthin entsandt, denn auch in gut betuchten Haushalten des Villenviertels wurden Wäsche- und Kleidungsstücke repariert, wie die Anzeigen belegen.

BZ 25. April 1921

Ob der Unterricht von Frl. Claßen ausreichende Kenntnisse vermittelte, um nach Schnittmustern der neuesten Mode Kleidung für die Dame des Hauses zu schneidern, muss offenbleiben. Vielleicht wandte man sich dann doch an eine der professionellen Schneiderinnen in Bergedorf, die ihrerseits als „Fachschulen für Damenschneiderei“ ähnliche Kurse zur Herstellung eigener Garderobe anboten (BZ vom 15. Juni und 23. September).

BZ, 2. April 1921

Über all diese Aktivitäten wird sich der Bergedorfer Emil Sahlmann gefreut haben: zwar ist er in den Adressbüchern als Schneider verzeichnet, doch in der BZ bot er seine Dienste nur auf einem anderen Geschäftsfeld an, dem Handel mit und die Reparatur von Nähmaschinen.

Die Rationierung von Nähgarn (siehe den Beitrag zu Schwindel mit Garn) schien jedenfalls Vergangenheit.

 

 

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KPD-Putsch in Geesthacht – Bergedorf im Bett

Bergedorfer Zeitung, 26. März 1921

Es war wohl ein ernstzunehmender Umsturzversuch, denn über Hamburg wurde der Ausnahmezustand verhängt, in Geesthacht wurde unter anderem das Postamt von Aufständischen besetzt. In Bergedorf geschah: nichts.

In Hamburg waren am 23. März mehrere Werften besetzt worden, u.a. um die Sozialisierung der Betriebe und die Einstellung von Erwerbslosen zu erreichen und auch den Umsturz der bestehenden Ordnung. Es war zu Zusammenstößen mit der Polizei gekommen, bei denen es zahlreiche Tote und Verletzte gegeben hatte, wie aus anderen BZ-Berichten vom 23., 24. und 29. März hervorgeht.

In Geesthacht dagegen fiel kein einziger Schuss, aber für einige Stunden am 26. März war die „Dorfschaft“ in den bewaffneten Händen der KPD – doch als die Aufständischen vom Herannahen starker Polizeitruppen aus Hamburg erfuhren, brachen sie ihre Aktion ab. Über das Geschehen haben sowohl August Ziehl (S. 73ff.), der zu den Anführern des Putschversuchs in Geesthacht zählte, als auch Max Prüß im Geesthachter Heimatbuch (online-Link) (S. 190ff.) Darstellungen geliefert, die sich in Details deutlich unterscheiden: während es bei Ziehl heißt, man habe von einem Wasserschutzboot „ein“ Maschinengewehr „beschlagnahmt“ und in Stellung gebracht (S. 73), spricht Prüß von zweien (S. 191). Widersprüchlich auch die Angaben, wann und durch wen die Geesthachter KPD informiert wurde: laut Ziehl waren es „in der Nacht vom 22. auf den 23. März … zwei Kuriere aus Bergedorf“, laut Prüß „zwei Melde-Radfahrer aus Hamburg“ am späten Abend des 25. März. Folgt man Ziehls Erinnerungen, muss die Aktion am 23. März stattgefunden haben, nach Prüß war es der 26. März. (Die Datierung bei Prüß erscheint glaubwürdiger, da sie nicht nur von der BZ, sondern auch von den auf europeana online zugänglichen Hamburger Zeitungen (Hamburger Anzeiger, Hamburger Neue Zeitung) gestützt wird.)

Prüß wiederum stellt die Ereignisse als isolierte Geesthachter Aktion dar, er erwähnt die Hamburger Ereignisse nicht einmal und schreibt, dass „bei der kommunistischen Zentrale in Hamburg von einem Generalstreik nichts bekannt“ war, was Ziehl und Genossen als ziemlich trottelig erscheinen lässt. Er vermutet, „dass die Meldefahrer sich einen verbrecherischen Trug erlaubt haben.“ Diese Annahme über die Boten teilt Ziehl nicht, übt aber heftige Kritik an ihnen: „Die beiden Kuriere zogen wieder ab, traten aber selbst nicht in Bergedorf in Aktion, sondern gingen wieder ins Bett (!).“

In diesem Punkte liegt wahrscheinlich Ziehl richtig, denn in Bergedorf blieb alles schläfrig-friedlich.

 

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Vom gekränkten Flügel und dem Klavierspiel in Bergedorf

Bergedorfer Zeitung, 24. März 1921

Ganz in Moll gehalten war der Abschiedsbrief des Konzertflügels der Hasse-Gesellschaft. Er hatte miterleben müssen, wie bei den Konzerten im Januar und März andere seiner Art zum Einsatz kamen: zunächst hatte Ilse Fromm-Michaels bei ihrem Klavier-Abend ein Instrument aus dem Hause Steinway & Sons zur Verfügung gehabt, im März dann Wilhelm Ammermann einen Blüthner-Flügel (BZ vom 24. Januar und 7. März). Das verdross das bisherige Tasteninstrument unbekannter Abstammung, das laut Selbstauskunft bereits ein „überbiblisches Alter“ erreicht hatte.

Das am Ende des Briefes wiedergegebene Kavalleriesignal zeigt das Problem, vor dem die Hasse-Gesellschaft stand: der alte Flügel genügte nicht mehr den Ansprüchen – für einen neuen musste gesammelt werden, denn auch ohne Neubeschaffung war das vergangene Jahr bei Einnahmen von 27.220 Mark mit einem Defizit von 486 Mark in der Vereinskasse ausgeklungen (BZ vom 14. Mai).

Ob die Preise des Hamburger Pianohauses F.R. Trübger repräsentativ waren, entzieht sich der Kenntnis; als dort umgebaut werden sollte, gab es reduzierte Preise von 13.000 bis 24.000 Mark für einen Flügel erster Hersteller (BZ vom 30. April), doch die Bergedorfer ließen dieses Angebot verstreichen und sondierten den Markt. Für ein weiteres Konzert Ilse Fromm-Michaels‘ stellte Steinway & Sons einen „prächtig klingenden“ Flügel bereit (BZ vom 18. und 20. Oktober), doch eine Kaufentscheidung meldete die BZ in jenem Jahr nicht.

Nicht nur in der Aula der Stadtschulen, wo die Hasse-Gesellschaft zumeist ihre Konzerte veranstaltete, wurde Klavier gespielt, sondern auch in vielen bürgerlichen Haushalten; Unterricht gaben u.a. Lehrer Saggau, Ilse Fromm-Michaels, Herma Teutmann, Elisabeth Siemers und Luise v.d. Lund (BZ vom 26. September, 1., 3. und 5. Oktober und 22. Dezember). Welcher Art und welchen Alters die Instrumente in manchen Privathaushalten waren, kann man daraus erschließen, dass in mehreren Verkaufsanzeigen noch Tafelklaviere angeboten wurden (z.B. BZ vom 17. und 18. März sowie 18. Juni), eine Bauform, die nach 1870/1875 kaum noch hergestellt und durch das „aufrechte“ kreuzsaitige Klavier abgelöst wurde.

BZ, 26. Februar 1921

Sogar einen Klavierbauer hatte Bergedorf: Hans Sahlmann bot hier seine Dienste an. Näheres war jedoch nicht zu erfahren; die Hamburger Adressbücher jener Jahre verzeichnen ihn nur mit der Berufsangabe Tischler. Er war im Klavierbau jedenfalls weniger erfolgreich als sein Tischlerkollege Heinrich Engelhard Steinweg, der Gründer von Steinway & Sons.

BZ, 24. März 1921

Sahlmann inserierte mehrfach als Kaufinteressent für gebrauchte Klaviere – zufällig auch an demselben Tag, an dem der alte Flügel sein Klagelied sang.

 

 

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Entlaufene und unterschlagene Hunde

Bergedorfer Zeitung, 19. März 1921

Es war ein deutlicher Hinweis: zugelaufene Hunde sollten der Polizei gemeldet (und wohl auch bei ihr abgeliefert) werden. Wer das nicht tat, sondern das Tier behielt oder verkaufte, machte sich der Fundunterschlagung schuldig. Wie viele Hunde entliefen und woanders zuliefen, ist nicht überliefert, aber geht man nach den Anzeigen in der BZ, dürften es beträchtliche Zahlen gewesen sein:

Bergedorfer Zeitung, 31. Januar 1921

Der hier wiedergegebene Block wies die größte Zahl von Annoncen eines Tages auf. Allein von Inserenten aus der Stadt Bergedorf gab es im Januar acht, im Februar neun, im März (nur) fünf und im April neun Suchanzeigen nach Entlaufen – die Zahl mit „Hund zugelaufen“ lag jeweils deutlich darunter (drei, fünf, eins, drei). Vielleicht lag es daran, dass auf „Entlaufen“-Anzeigen sehr schnell reagiert wurde und „Zugelaufen“-Anzeigen nur dann in Auftrag gegeben wurden, wenn man nicht wusste, wohin der Hund zurückzubringen war. Vielleicht gab es auch Fundunterschlagungen – über eine diesbezügliche Verurteilung (zu 100 Mark Geldstrafe) durch das Amtsgericht Bergedorf wurde nur einmal berichtet (BZ vom 11. Juni). Nicht auszuschließen ist auch, dass Hunde gestohlen wurden: in Hamburg wurden mehrfach Diebesbanden verhaftet, die das Fleisch der Tiere als Kalbfleisch verkauften (BZ vom 4. Juni 1921).

BZ, 21. März 1921

Weitere Hunde wurden bei der Polizei abgegeben, und diese kamen dann zur Versteigerung im Schlosshof, was im ersten Quartal 1921 fünfmal geschah.

Bei den „Entlaufen“-Anzeigen fällt auf, dass nur in wenigen Fällen das „Steuerzeichen“, vulgo Hundemarke, angegeben wurde, was die Identifizierung sicher erleichtert hätte. Man will den Besitzern nichts Böses unterstellen, aber angesichts der seit Jahresbeginn auf 75 Mark erhöhten Hundesteuer (gegenüber 20 Mark im Jahr 1916, siehe den Beitrag zur Hundesteuer und BZ vom 6. und 28. Januar 1921) scheint es nicht sicher, dass wirklich alle Hunde angemeldet und die Steuern bezahlt waren.

BZ, 4. April 1921

Nicht nur Hunde wurden übrigens ihrem Heim und Besitzer untreu, aber da gab es nur wenige Anzeigen: mehrere Hennen, eine Katze, ein Kater wurden als vermisst gemeldet (BZ vom 8., 24. und 28. Januar sowie 9. und 15. März und 2. April).

 

BZ, 15. November 1921 (Seite 4)

BZ, 15. November 1921 (Seite 3)

In Sande wurde mit eingelieferten Tieren genauso verfahren wie in Bergedorf; es gab wiederholt Hundeauktionen. Im Falle des Ferkels konnte Witwe Bertram die Versteigerung wohl abwenden und brauchte eventuell nicht einmal die ausgesetzte Belohnung zu zahlen.

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Das Verbot hypnotischer Vorführungen

BZ, 16. März 1921

Das sollte den Veranstaltungskalender in Bergedorf schwer treffen: die Landherrenschaft untersagte Hypnose, Suggestion, Magnetismus und dergleichen in allen öffentlichen Veranstaltungen. Das alte Recht aus dem 19. Jahrhundert bestand fort, und so standen „öffentliche Schau- und Darstellungen (Feuerwerke, Künstlerproduktionen, Menagerien, Schießbahnen u. dgl. mehr)“ ebenso wie der Betrieb von Droschken, des „Hausirhandels“, von Pfandleihen und Bettlerherbergen unter „polizeilicher Controlle“ (Gewerbegesetz von 1864, wiedergegeben bei Albert Wulff, Hamburgische Gesetze und Verordnungen Band 1, 2. Aufl. 1902, S. 521-523) und konnten gegebenenfalls verboten werden. Die Höhe der Geldstrafe war 1921 sicher nicht mehr so abschreckend wie 1864.

Schon in früheren Beiträgen waren Hypnotismus und Okkultismus thematisiert worden – im Februar 1921 waren weitere Anbieter derartiger Behandlungsmethoden hinzugekommen:

Bergedorfer Zeitung, 12. Februar 1921

Bergedorfer Zeitung, 12. Februar 1921

Eine Abbildung eines „Wohlmuth’schen Heilapparats“ findet man auf einer Seite der Humboldt-Universität zu Berlin; über die Veranstaltung von Herrn Ally-Ellaso gab es ebenso wenig einen Bericht wie über die des „Suggestionisten“ Walter George Blankensee (Anzeige ebenfalls am 12. Februar).

Bergedorfer Zeitung, 17. Februar 1921

Über den Auftritt des Grafen di Dio hingegen berichtete die Bergedorfer Zeitung geradezu begeistert – das Blatt druckte eben fast alles, was ihm zugeschickt wurde, sofern es nicht revolutionär oder sozialistisch war. Als Entschuldigung reicht das nicht.

Offenbar war nun aber ein Punkt erreicht, der die Behörden zum Handeln veranlasste: öffentliche Vorträge und Vorführungen dieser Art durften nicht mehr stattfinden, was einen „Verein für elektro-galv. Heilbehandlung e.V., Hamburg“ nicht von öffentlichen Abenden in Bergedorf abhalten konnte (Anzeige in der BZ vom 9. April und 7. Dezember). Als Verein fiel er vielleicht nicht unter das Gewerbegesetz.

Bergedorfer Zeitung, 15. Februar 1921

„Schwester Dusi“ konnte aber weiter für ihr neu eröffnetes Institut werben, wobei sie Herrn H. Weyrauch, Frau M. Krützmann, Frau Kail und Frau K. Pichinot (Anzeigen in der BZ z.B. 25. Mai, 1. und 8. Oktober) als örtliche Wettbewerber hatte. Frau Dusi war allerdings die einzige, die (ab September, Anzeige in der BZ z.B. 3. September) neben der elektro-galvanischen Heilmethode auch „Haarpflege“ anbot, und sie alle konnten ihre Methoden auch anwenden: das oben angeführte Verbot betraf nur öffentliche Veranstaltungen – ansonsten galt die Kurierfreiheit: jeder durfte unabhängig von seiner Qualifikation medizinische Behandlungen durchführen.

Das stieß auf den entschiedenen Widerspruch der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung des Kurpfuschertums. Der Bergedorfer Arzt Dr. Unna wird in einem BZ-Bericht ähnlich kritisch wiedergegeben: „Auch in Bergedorf wohnten eine Reihe solcher ‚Wundermänner‘, Magnetopaten (sic) und Psychologen genannt, die durch Zeitungsanzeigen ihre Dienste anböten und leider auch Dumme genug fänden.“ (BZ vom 1. Oktober)

Bergedorfer Zeitung, 8. November 1921

Hoffentlich kam bei all dem niemand schwer und dauerhaft zu Schaden – anders bei Rings Radium-Kissen und Radium-Creme: hier war die Schädigung garantiert. Doch bis 1960 durfte Radium in Deutschland als „Heilmittel“ freigewerblich verkauft werden, wie das Deutsche Ärzteblatt schrieb.

 

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Endlich: ein (staatliches) Lyzeum für Bergedorf

Bergedorfer Zeitung, 10. März 1921

1920 hatte sich der Staat Hamburg noch sperrig gezeigt und die Gründung eines staatlichen Lyzeums, d.h. einer weiterführenden Schule für Mädchen, für Bergedorf abgelehnt; immerhin wurde eine Lyzealklasse an der Stadtschule Brauerstraße eingerichtet.

Zum 1. April 1921 stand der nächste Schülerinnenjahrgang vor der Tür – genauso wie der nächste Jahrgang der Fortbildungsschüler. Es fehlten Unterrichtsräume, und die konnten nur per Verstaatlichung bisher privater Schulen beschafft werden. Mit der Übernahme durch den Staat sollte auch gewährleistet werden, dass es keine soziale Trennung zwischen Mädchen aus „weniger bemittelten“ und „zahlungsfähigeren Kreisen“ in der Schule gab (siehe Verhandlungen zwischen Senat und Bürgerschaft 1921, S. 320-323).

Die Leiterin und Inhaberin der Elisabethschule, Frl. Schomann, war damit ebenso einverstanden wie ihre Kollegin Frl. Martens von der Luisenschule, denn beide wurden entschädigt: sie konnten die Räume ihrer Schulgebäude an den Staat vermieten und das Inventar an ihn verkaufen. Frl. Schomann ging mit staatlicher Pension in den Ruhestand, Frl. Martens gab die Leitung ihres Lyzeums ab, blieb aber als Oberlehrerin an der Schule.

Bergedorfer Zeitung, 30. März 1921

Die neue Schule bekam also eine neue Leitung:  Helene Popkes, das jüngste Mitglied des Kollegiums, übernahm das Amt, wie aus einer gut versteckten Seite des Luisengymnasiums zu erfahren ist. Sie war damit die einzige Leiterin eines Lyzeums in Hamburg (BZ vom 24. September 1921). Vieles war also neu, doch der alte Name „Luisenschule“ konnte nach einem Senatsbeschluss bald wieder offiziell geführt werden (BZ vom 3. August 1921).

Am 2. April 1921 nahm die Schule den Unterricht mit 415 Schülerinnen in der Jacobsstraße 1 (heute Duwockskamp) auf (BZ vom 23. März) – die Zahlenangaben aus dem Artikel vom 10. März sind nicht wirklich nachvollziehbar, selbst wenn man davon die Vorschulklassen abzieht.

 

 

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