Das jugendgefährdende Fußballspielen

Bergedorfer Zeitung, 24. Dezember 1921

Der körperlichen Entwicklung sei das Fußballspielen ja dienlich, meinte der Hamburger Lehrerturnverein, aber die seelische und ethische Entwicklung der Knaben gefährde es. Ziel des Vereins war es, den Spielbetrieb aus den Vereinen herauszulösen und in den schulischen Sportunterricht einzugliedern – gegenüber der Vorkriegszeit war das geradezu revolutionär: da war durch einen Schulrat Fußball als Schulsport schlicht verboten worden (BZ vom 24. August 1913). Die Minimalforderung der Turnlehrer war nun, nur im Winterhalbjahr Spiele zu erlauben, bei denen ausschließlich ärztlich begutachtete Knaben teilnahmeberechtigt sein sollten. (Von Mädchen war sowieso nicht die Rede.)

Man beklagte eine „einseitige Einstellung“, „übertriebene Fußballeidenschaft“ – und das dürfte nicht fern von der Wirklichkeit gewesen sein: der Fußballsport hatte nach Kriegsende einen gewaltigen Aufschwung genommen, alle Bergedorfer Vereine hatten nicht nur mehrere Herren-Mannschaften, sondern noch mehr Schüler- und Jugendmannschaften. Andere Sportarten, auch Ballsportarten, wurden zwar praktiziert, hatten aber deutlich weniger Teilnehmer. Wenn es das Ziel des Lehrerturnvereins war, Schüler an andere Sportarten heranzuführen und deshalb das Fußballspiel zu beschränken, so ist die Kritik verständlich – sie trifft aber auch alle anderen Ballsportarten, in denen es ja ebenso um „siegende Punkte“ ging (und geht).

Bergedorfer Zeitung, 26. September 1921

Die Schulen jedenfalls waren sportlich durchaus breiter aufgestellt, wie die Ergebnisse des „Spielfestes“ zeigen: Bälle wurden nicht nur getreten (Fußball), sondern auch geworfen (Handball), und mit einem Stock (Schlagball) oder mit der Faust (Faustball) geschlagen, und außer Leichtathletik gab es auch Tauziehen, immer als Wettkampf. Bemerkenswert ist bei nebenstehendem Bericht (wenn denn die Wiedergabe korrekt ist), dass es Mädchen waren, die Fußball spielten (siehe den Beitrag Früher Frauenfußball), wenn auch wohl nur von je einer Klasse der beiden Mädchenschulen. Die Jungen frönten ihrer Fußballleidenschaft offenbar hinreichend in den Vereinsmannschaften.

Dem Lehrerturnverein war mit seiner oben geschilderten Initiative kein Erfolg beschieden – und heute sieht der immer noch bestehende Verein die Sache anders: auf seiner Internetseite (siehe www.hlt-sport.de) schreibt er, dass er nur noch über zwei Abteilungen verfügt: Badminton und Fußball, letzterer betrieben von Alten Herren und Supersenioren. Jugendgefährdung kann also ausgeschlossen werden.

Dieser Beitrag wurde unter Beiträge 1922 veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert