Es ist unklar, ob die Hafentouristen auf dem Erinnerungsbild mit dem Namen Chrysander etwas verbanden, wenn sie nicht gerade aus Bergedorf kamen oder sich mit der Musik Georg Friedrich Händels auskannten: Chrysander war ein renommierter Musikwissenschaftler, wie im Beitrag über Friedrich Chrysander nachzulesen, und er lebte in Bergedorf. Vielleicht dachten manche Bergedorfer auch an seinen Sohn Rudolf, der als Arzt in Bergedorf praktizierte und die Edition der Werke Händels fortsetzte.
Der Dampfer Chrysander war 1912 für die Hafen-Dampfschiffahrt Actien-Gesellschaft (Abkürzung damals : HDAG, Abkürzung heute: HADAG) gebaut worden. 276 Personen fanden auf dem 20,80 m langen und 5,80 m breiten Schiff Platz, dessen Spitzengeschwindigkeit bei 9 Knoten (16,7 km/h) lag, wie aus der umfangreichen Darstellung von Arnold Kludas über Hundert Jahre HADAG-Schiffe 1888-1988 (S. 66, Foto auf S. 98) hervorgeht.
1955, dem Jahr der Abwrackung der Chrysander, nahm die HADAG das Diesel-Elektroschiff „Bergedorf“ in Betrieb: laut Kludas etwas kürzer und schmaler, 0,5 Knoten schneller und 130 Personen fassend, doch nach 1988 außer Dienst gestellt.
Als Schiffsname hat „Bergedorf“ durchaus Tradition, wie die 1907 gestempelte Ansichtskarte zeigt. Das abgebildete Schiff ist aber nicht das, auf dem Hans Gustav Bötticher, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Joachim Ringelnatz, im Ersten Weltkrieg als Marinesoldat zeitweilig Dienst tat. Er beschrieb seine Kriegserlebnisse in dem Buch „Als Mariner im Krieg“: „Ich besah mir ‚Bergedorf‘. Es war ein ganz neues Schiff und daher alles blitzsauber. Trotzdem hätte ich nach dem Bau wetten mögen, daß es schon bei geringem Seegang stark rollen würde … Wir stahlen uns einen Dackel für das Schiff, und wir besorgten uns geblümten Gardinenstoff für die Kojen, denn es gab in dieser Beziehung ein gewisses Konkurrieren und Repräsentieren unter uns. Auch legten wir Geld zusammen für einen Lampenschirm und für ein Halsband für den Dackel Fidi. Außerdem hatte der Bürgermeister der Stadt Bergedorf dem Schiff ‚Bergedorf‘ eine Mandoline mit einem Begleitvers als Präsent gesandt.“ (S. 130-131)
Weder über das Mandolinen-Geschenk noch den begleitenden Vers war der BZ etwas zu entnehmen.
Die „Bergedorf“ war übrigens aber nicht für die Kaiserliche Marine gebaut worden, sondern als Fischdampfer für eine Cuxhavener Reederei. Sie wurde dann für den Krieg mit einer Kanone ausgestattet (ebd., S. 145) und in die Ostsee entsandt. Was aus ihr und der Mandoline wurde ist unbekannt.