Die Reichsgründungsfeier des Jung-Schlageter-Bundes

Bergedorfer Zeitung, 12. Januar 1924

Die Feiern zum Gründungstag des Kaiserreichs (1871) waren nicht einfach das Schwelgen in Erinnerungen an vermeintlich glorreiche Zeiten, sondern sie verknüpften politische Inhalte mit unterhaltenden Programmpunkten – das traf 1924 auf die „alteingesessenen“ Militärvereine Bergedorfs ebenso zu wie auf den noch recht neuen Jung-Schlageter-Bund.

Albert Leo Schlageter war wegen Sabotageakten gegen Bahnanlagen im besetzten Ruhrgebiet hingerichtet worden, was die BZ als „nackten, brutalen Mord“ bezeichnet hatte (BZ vom 29. Mai 1923). Für die Nationalsozialisten galt er fortan als Märtyrer des NS-Bewegung, wie es bei LeMo heißt, und so kann man auch den Jung-Schlageter-Bund Curslack-Neuengamme zumindest dem Umfeld der extremen Rechten zurechnen; der angekündigte Redner Henningsen war Bürgerschaftsabgeordneter der DNVP, und bei der Schlageter-Gedenkfeier im Vorjahr hatte Alfred Roth gesprochen (zu Roth siehe den Beitrag Der politische Mord und Bergedorf).

Die BZ berichtete zwar über die Reichsgründungsfeier der Bergedorfer Militärvereine (BZ vom 21. Januar 1924), nicht aber über die Veranstaltung des Jung-Schlageter-Bundes, und auch sonst war nicht viel über diese Vereinigung in Erfahrung zu bringen – eine Internet-Suche lieferte keinen einzigen Treffer, die Curslack-Neuengammer Gruppe trat in der BZ bald nach dem Tod Schlageters mit einer Anzeige zu der erwähnten Gedenkfeier in Erscheinung (BZ vom 10. August 1923), aber da folgte ebenfalls kein Bericht.

Ob bei der Generalversammlung des „Bundes“ am 5. März 1924 (Anzeige in der BZ vom 4. März 1924) die Auflösung beschlossen wurde, ließ sich mangels Berichten nicht feststellen; zumindest waren weitere Aktivitäten in 1924 nicht nachweisbar. Die treibende Kraft in Person des Curslacker Pianisten J. Kaiser, der in der „Szene“ gut vernetzt war, wie sich auch aus weiteren Anzeigen (BZ vom 12. Februar und 3. März 1924) ergibt, wandte sich jedenfalls einer anderen hier aktiven rechtsextremen Gruppierung zu.

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Die Not der Bevölkerung

Bergedorfer Zeitung, 9. Januar 1924

Die außerordentliche Not weiter Teile der Bevölkerung war Anfang 1924 nicht neu; sie war Folge von Inflation und Währungsumstellung. Die Not hatte aber offenbar ein Ausmaß angenommen, das nun den Magistrat aufrüttelte: er wollte gemeinsam mit den Vereinigungen Bergedorfs (ohne die Parteien) „schnellstens“ die Not lindern und lud zu einer Besprechung ins Stadthaus.

Das überrascht, denn eine Initiative zur Bekämpfung dieser Not bestand schon seit einigen Monaten:

Bergedorfer Zeitung, 26. November 1923

Bergedorfer Zeitung, 26. November 1923

 

 

 

 

 

 

 

Unter dem Namen „Bergedorfer Nothilfe“ hatten drei Pastoren, der Amtsphysikus und ein in Bergedorf wohnender Kaufmann, vier Militär- und vier wirtschaftliche Organisationen, der Bürgerverein und eine Freimaurerloge zu Spenden aufgerufen. Der Magistrat hätte zur Beteiligung an dieser Initiative auffordern können, tat dies aber nicht; die Gräben in der Stadtgesellschaft – hie Kirche, Militärvereine und Wirtschaft, hie Arbeiterbewegung – waren offenbar tief, und nur wenige Vereine zeichneten bis zum Jahresende beide Appelle.

Bergedorfer Zeitung, 14. Januar 1924

Etwa 1.000 Unterstützungsempfänger mit etwa 1.000 Angehörigen gab es laut Ratmann Messerschmidt, also über elf Prozent der 18.050 Einwohner (BZ vom 26. Januar 1924) benötigten Hilfe, und wie im Krieg sollte wieder warmes Mittagessen ausgegeben werden – hierfür waren vermutlich öffentliche Mittel vorhanden und so konnte die „Volksspeisung“ schon wenige Tage später in den Mädchenschulen Brauerstraße und am Birkenhain mit täglich 500 Portionen zu einem Liter beginnen (BZ vom 23. Januar 1924).

In den folgenden Wochen gab es eine Vielzahl von Wohltätigkeitsveranstaltungen, manche zugunsten der „Städtischen Nothilfe“, manche zugunsten der „Privaten Nothilfe“. Das meiste Geld aber dürfte durch die Haussammlungen und Überweisungen eingenommen worden sein: die Städtische Nothilfe meldete Einnahmen von 2.720 Goldmark, die Private Nothilfe 5.091,87 Goldmark plus Devisen, beide erhielten auch Sachspenden und Naturalien (BZ vom 5. und 1. Februar).

Eine Bilanz der Städtischen Nothilfe gab es in der BZ nicht. Anders die Private Nothilfe: sie beendete ihre Tätigkeit im Sommer, nachdem sie v.a. 50.828 Pfund Brot und 2.352 Zentner Briketts verteilt hatte (BZ vom 3. Juli 1924), doch fünf Monate später musste sie erneut zu Spenden aufrufen: die Lage vieler Menschen blieb kritisch.

Bergedorfer Zeitung, 28. November 1924

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Die drahtlose Telegraphie und Telephonie

Bergedorfer Zeitung, 5. Januar 1924

Vor hundert Jahren begann in Deutschland das Rundfunkzeitalter – auch in Bergedorf.

Bis der Unterhaltungsrundfunk seinen Einzug in Bergedorfs Wohnzimmer hielt, sollten noch ein paar Wochen vergehen – aber das 1924 in Deutschland eingeführte neue Massenmedium warf seine Schatten (oder Wellen?) voraus.

Die Technik der „drahtlosen Telegraphie und Telephonie“ war nicht mehr ganz neu, aber nun sollte sie „für die Allgemeinheit“ zugänglich werden. Seit 1922 gab es bereits den „Wirtschaftsrundspruch“, der aber spezielle Empfangsgeräte benötigte und nur Abonnenten zugänglich war, ähnlich verhielt es sich mit dem 1920 eingeführten Presserundfunk.

Alles stand unter „staatlicher Oberaufsicht“, und die praktische Arbeit leistete die Post; sie betrieb die Sendeanlagen, entschied über die Zulassung von Herstellern der Empfangsgeräte, genehmigte die Empfangsgeräte und stellte die Genehmigungsurkunden zur Einrichtung einer Empfangsanlage aus und nur mit diesem Dokument, das nur an vollbeschäftigungsfähige Erwachsene ausgegeben wurde, durfte man ein Empfangsgerät erwerben. Auch Rundfunkgebühren waren zu zahlen – sie und mit ihnen das Schwarzhören feiern 2024 also ebenfalls ihren 100. Geburtstag; das Schwarzhören war sogar strafbar (BZ vom 29. März 1924).

Die zu Jahresbeginn 1924 einzige deutsche Sendestation stand in Königs Wusterhausen und hatte nur eine Reichweite von etwa 100 km – in Bergedorf waren nur die sehr viel stärkeren Sender Paris und London zu empfangen.

Bergedorfer Zeitung, 7. Februar 1924

Über die Entwicklung des Rundfunks in Deutschland gibt es zahlreiche Publikationen – eine recht übersichtliche Online-Zusammenfassung liefert das Thüringer Museum für Elektrotechnik Erfurt e.V., auch die Artikel zum Hörfunk und zum Wirtschaftsrundspruch bei Wikipedia sind informativ und dienten für diesen Artikel als Quellen. Bei der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg führt die Suchbegriffseingabe „Rundfunk Geschichte“ zu 3.848 Büchern, darunter ist das in der BZ empfohlene Handbuch des Rundfunk-Teilnehmers.

Auf die speziellen Bergedorfer Aspekte des Themas wird zurückzukommen sein.

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Die steuerfreie Hausangestellte

BZ, 25. Januar 1924

Dies war die große Ausnahme unter den Stellenanzeigen in der BZ, denn hier wurde der gebotene Lohn genannt: 30 Mark monatlich, brutto für netto, wollte ein Wentorfer, gleich hinter der Bergedorfer Stadtgrenze wohnend, einer Köchin zahlen, die auch Hausarbeit verrichten sollte.

 

Bergedorfer Zeitung, 2. Januar 1924

Bergedorfer Zeitung, 2. Januar 1924

Nicht jede Hausangestellte war von der Einkommensteuer frei, aber auf sehr viele dürfte dies zugetroffen haben, denn die Einkommen der „Mädchen“ waren ausgesprochen niedrig: das Finanzamt stufte sie mit „sonstigen gering bezahlten Arbeitskräften“ in die unterste Gruppe der Erwerbstätigen ein, die auch „Sachbezüge“ erhielten – im Falle von Dienstmädchen waren dies eine Kammer, Heizung, Licht und Verpflegung. Diese Bezüge wurden pauschal mit 20 Mark im Monat bewertet, ob das im Einzelfall angemessen war oder nicht, interessierte das Finanzamt nicht.

Bergedorfer Zeitung, 7. Januar 1924

Ein Gesamteinkommen von 50 Mark im Monat war laut einer Bekanntmachung von Ende 1923 steuerfrei; erst wenn ein Mädchen mehr als 30 Goldmark monatlich in Bargeld ausgezahlt erhielt, musste seine Dienstherrin Steuermarken in das Steuerbuch ihrer Angestellten kleben (Die Ausgaben für die Steuermarken wurden dem Mädchen gleich vom auszuzahlenden Lohn abgezogen). 30 Mark jedenfalls reichten nicht einmal aus, sich im Winterschlussverkauf mit der billigsten neuen Oberbekleidung (Mantel, Rock, Bluse) und Stiefeln zu versehen (Ausverkaufs-Anzeigen in der BZ vom 5. und 10. Januar 1924).

Am Monatsende, nach ca. 225 Arbeitsstunden (neun Stunden pro Tag und Sechstagewoche) gab es 30 Mark auf die Hand – das entsprach einem Stundenlohn von gut 13 Pfennigen. Wenn man die „Sachbezüge“ hinzurechnete, waren es gut 22 Pfennige. An Vergleichswerten waren im Januar 1924 nur die neuen Löhne für das Baugewerbe zu finden: ein Bauhilfsarbeiter z.B. erhielt mindestens 54 Pfennige pro Stunde (BZ vom 15. Januar 1924).

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Der Neujahrs-Glückwunsch-Indikator

Bergedorfer Zeitung, 31. Dezember 1923

Ist die Zahl der per Anzeige in der Bergedorfer Zeitung erschienenen Glückwünsche zum neuen Jahr ein belastbarer und aussagekräftiger Indikator der wirtschaftlichen Lage? Für die Jahre 1920 bis 1926 scheint es so.

Die Zahl derartiger Anzeigen stieg von 1920 bis 1922 von 10 auf 13 (aus Bergedorf selbst von 4 auf 6), brach Ende 1923 aber ein: da waren es nur 8, davon 4 aus Bergedorf. Anschließend ging es wieder bergauf: 1924 war der Stand wie 1920, 1925 waren es 14 und 1926 sogar 20 Inserate, wobei die Bergedorfer Werte weniger beeindruckend stiegen. Aus Sande hingegen gab es Ende 1923 keine einzige Neujahrsanzeige, in den Folgejahren aber einen rapiden Anstieg (auf 5 in 1926). (Details siehe Tabelle unten auf dieser Seite.)

Fazit: die Gesamtzahl der Anzeigen mag die Konjunkturentwicklung widerspiegeln. Eine noch kleinräumigere Betrachtung scheint noch weniger sinnvoll.

BZ, 31.12.1923

Mit einer Geldspende konnte man sich von Neujahrskarten und -besuchen befreien und fand seinen Namen dann als Wohltäter in der BZ wieder, z.B. als Förderer der Unterstützungskasse einer Bergedorfer Freimaurerloge. Die Zuwendungen stiegen (inflationsbedingt) von 1920 zu 1922 stark an, um dann noch stärker zurückzugehen, wobei auch die Zahl der Spender kleiner wurde.

Die Spenden für die Unterstützungskasse einer Bergedorfer Freimaurerloge, mit denen man sich von Neujahrskarten und -besuchen befreien konnte, stiegen (inflationsbedingt) von 1920 zu 1922 stark an, um dann noch stärker zurückzugehen, auch die Zahl der Spender wurde kleiner – dieses mag damit zusammenhängen, dass die Loge seit Ende November 1923 zur Beteiligung an einer anderen Wohltätigkeitssammlung aufrief, auf die in einem späteren Beitrag eingegangen werden soll. Als Konjunkturbarometer taugen die Listen jedenfalls nicht.

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Weiße Festtage, weißer Jahreswechsel

Bergedorfer Zeitung, 27. Dezember 1923

Weiße Weihnachten – 1923, nicht 2023, aber Schnee zum Fest war auch vor hundert Jahren nicht die Regel: 1920 regnete es, 1921 war alles matschig, 1922 titelte die BZ „Grüne Weihnachten“ (BZ, jeweils vom 27. Dezember).

An den Weihnachtstagen 1923 und danach herrschte Wintersportwetter – man konnte nun „die neue, fesche Rodelmütze“ einweihen, Schal und Jumper nutzen, Schlitten und Schlittschuhe hatte man ja aus den Vorjahren. Die Welt war also in Ordnung, zumal auch die Kohlenpreise um zehn Prozent gesenkt werden sollten.

Das alles beschreibt aber nur die Lage und Stimmung eines Teils der Bevölkerung, denn Not und Mangel waren verbreitet: mehrfach wurde über Sammelaktionen und Weihnachtsfeiern für Bedürftige (vor allem Kinder) berichtet (BZ vom 3., 17., 21. und 22. Dezember 1923). Bezeichnend ist, dass die Wiederaufnahme der Quäkerspeisung mangelernährter Schulkinder angekündigt wurde (BZ vom 13. und 19. Dezember): ob die mit 200 angegebene Zahl der Empfänger sich nur auf Bergedorf oder auch auf Sande bezog, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden.

 

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Prognosen und Fehlprognosen

Bergedorfer Zeitung, 29. Dezember 1923

Nach Vorhersage der „weisen Frau“ mit den überlangen Zeigefingern stand mit 1924 ein trübes Jahr bevor, in dem nur der Einsatz eines bestimmten Waschmittels für Aufhellung sorgen sollte.

Zumindest der Jahresbeginn präsentierte sich freundlicher: das Wetter war zu Neujahr nicht „grau in grau“, sondern winterlich-weiß und schön mit einem „wunderbar klaren und strahlenden Sternenhimmel“ (BZ vom 2. Januar 1924).

1924 bestand aber zumindest wieder eine theoretische Aussicht auf ein „großes Los“: in der Inflationszeit konnte ja das Geschäftsmodell mit großen Zeitabständen zwischen Ein- und (eventueller) Auszahlung nicht funktionieren – 1924 inserierten die Lotterieeinnehmer wieder: die „361. Hamburger Staats-Lotterie“ hatte als Hauptgewinn 250.000 Rentenmark, bei einem Einsatz von 12 Rentenmark (BZ vom 22. Januar 1924).

Hinsichtlich des „Onkels in Amerika“ irrte die Prophetin, auf die Stadt bezogen gab es ihn jedenfalls: 1922 hatte ein in die USA ausgewanderter Bergedorfer eine Million Mark gespendet (siehe den Beitrag über die Wärmestuben) und 1923 zweimal eine halbe Million (BZ vom 22. Februar und 22. Juni 1923) – solche Geldzuwendungen wurden für 1924 nicht gemeldet, aber die Zahl der amerikanischen Onkel hatte sich verdoppelt: aus Nord-Amerika kamen 650 Pfund Schmalz, aus Süd-Amerika fünf Sack Erbsen (BZ vom 3. Juli 1924).

„Kein Ende nimmt die Teuerung“ soll in diesem Blog im Laufe des Jahres 1924 genauer betrachtet werden – hier nur der Hinweis, dass eine Einzelausgabe der Bergedorfer Zeitung am 2. Januar 1924 mit 15 Goldpfennigen zu bezahlen war, doch schon ab dem 5. Januar musste man nur noch 10 Pfennige entrichten, und dabei blieb es bis zum Jahresende.

In einem Punkt hatte die Weise aber uneingeschränkt recht: es fehlte an Geld, denn Löhne und Gehälter waren gegenüber der Vorkriegszeit etwa halbiert, die Preise aber nicht. Ihre Aussage zur Preiswürdigkeit des Waschmittels soll hier nicht bewertet werden.

 

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Zu Fuß nach, durch und von Bergedorf

Bergedorfer Zeitung, 19. Dezember 1923

Wenn (Martin Theodor) Ferdinand Bertram wirklich alle in seinem Werk „Mein Hamburg“ beschriebenen Orte aufgesucht hat, muss er viel Zeit investiert haben – und gut zu Fuß gewesen sein. Das Zufußgehen empfahl er angesichts der „traurigen Zeit“ und der „wirtschaftlichen Verhältnisse“ auch den Lesern seines 1923 neu erschienenen vierten und abschließenden Bandes mit dem Untertitel „Die Elbe“.

Der Rezensent der BZ war jedenfalls begeistert von Bertrams „Heimatkundlichen Spaziergängen und Plaudereien“, für ihn stellten sie „das geeignetste Weihnachtsbuch für alle Bewohner der Geest- und Marschlande“ dar. Über den Verkaufserfolg in Bergedorf und den an der Elbe belegenen Ortschaften bis nach Geesthacht ist allerdings nichts bekannt.

Auch heute noch ist das Buch gut lesbar – es wäre billig, neuere historische Erkenntnisse den Darstellungen Bertrams gegenüberzustellen. Lohnender könnte es sein, manchen 1923 genannten Baulichkeiten und Gegebenheiten zu Fuß nachzuspüren. Beispielhaft seien hier die Geschicke des Holstentors genannt: es wurde durch ein Gittertor ersetzt, das nach Aufhebung der Torsperre als „Haupteingangspforte zum alten Kirchhof auf dem Gojenberge“ Verwendung fand (S. 74), mittlerweile aber spurlos verschwunden ist (siehe hierzu Bardo Metzgers Aufsatz im Neuen Schlosskalender 2003, S. 10-12).

Die Bilder, Zeichnungen und Kartenskizzen lockern die Texte auf, wobei leider nur einer der Illustratoren, Otto Bätz („B“) namentlich genannt wird; die Identität von „H“ ließ sich nicht klären.

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Bergedorfs neue Rechtsgrundlage

Bergedorfer Zeitung, 22. Dezember 1923

Es war ja auch an der Zeit gewesen: Verwaltung und Politik Bergedorfs erhielten mit der Hamburgischen Städteordnung ab 1924 eine neue rechtliche Grundlage, die Bergedorf mehr Kompetenzen zusprach. Mit diesem Gesetz wurde auch die bisherige Dorfschaft Geesthacht zur Stadt erhoben. Die kommunale Verwaltung der Dörfer (u. a. der Vierlande) wurde ebenfalls neu geregelt, in der Landgemeindeordnung, auf die hier nicht weiter eingegangen wird, obwohl sie es mit der Institution des „Zwangsehrenamts“ verdient hätte.

Bergedorfer Zeitung, 19. November 1923

Von zentraler Bedeutung für Bergedorf war die Änderung der „Staatsaufsicht“: in vielen Dingen war man abhängig von der Zustimmung des Landherrn gewesen, also eines hamburgischen Senators, und der sah eben manches anders, was die Bergedorfer als Einmischung in ihre Angelegenheiten teils heftigst kritisierten (siehe z.B. den Beitrag Eingemeindung oder nicht?). Durch das neue Gesetz sollte dem Landherrn nur noch die Rechtsaufsicht bleiben – wie das funktionierte, mussten die folgenden Jahre zeigen, und da es Ausnahmen von der Regelung gab, waren Kompetenzstreitigkeiten eigentlich vorprogrammiert, die dann vor dem neu ins Leben gerufenen (und zu wählenden) Landesausschuss als „Kommunalkammer“ und Beschwerdeinstanz auszutragen waren.

Einige Artikel der Städteordnung sind in der BZ vom 19. November 1923 (S. 2) zusammengefasst wiedergegeben; der volle Wortlaut ist im Hamburgischen Gesetz- und Verordnungsblatt, Nr. 5, Dienstag, den 8. Januar 1924, S. 21-47, nachzulesen.

Die BZ erwartete, dass die fälligen Neuwahlen „voraussichtlich im Herbst“ stattfinden würden, doch ging es viel schneller: Wahltag war der 2. März 1924.

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Die Goldbezüge der Beamten und die Umverteilung

Bergedorfer Zeitung, 12. Dezember 1923

Mitte November 1923 erhielten die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes erstmals einen Teil ihrer Bezüge in wertbeständigen Zahlungsmitteln, doch nicht in Bergedorf: hier gab es nur Papiermark, weil Hamburg nicht genug Rentenmark hatte (BZ vom 16. und 17. November). Das änderte sich, und als das Reich die Beamtenbesoldung zum 1. Dezember 1923 auf „Goldbezüge“ umstellte, folgte Hamburg diesem Schritt.

Die neuen Gehälter lagen deutlich unter dem Niveau von 1913, wie man aus der Tabelle ersehen kann, wobei (verständlicherweise) die unteren Besoldungsgruppen besser davonkamen als die oberen. Der Protest der Beamtenorganisationen gegen die Kürzungen fiel relativ milde aus, denn die Beschäftigten in der Privatwirtschaft waren ebenfalls davon betroffen.

Die Gehälter wurden damals übrigens in Raten gezahlt: zunächst war geplant, am 17. Dezember die zweite Hälfte des Monatsgehalts auszuzahlen, doch „da die Mittel zur rechtzeitigen vollen Auszahlung nicht vorhanden sind und trotz aller Bemühungen nicht herbeigeschafft werden konnten“ (BZ vom 14. Dezember), wurde am 17. Dezember nur ein Viertel und erst am 21. Dezember der Restbetrag gezahlt. Zusammen mit der  Personalabbauverordnung und Arbeitszeitverlängerung wird das das Vertrauen der Beschäftigten in den Staat nicht gestärkt haben.

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